Hamburg. Neben HSV-Chef Beiersdorfer pflegt besonders Trainer-Manager Knäbel einen engen Draht zum Wunschtrainer. Doch auch Bayern mischt mit.
Am Dienstagmorgen wurde es blutig beim HSV. Zumindest ein klein wenig. Trainer-Manager Peter Knäbel hatte als erste Amtshandlung am Vortag einen Laktattest für den frühen Morgen in Eidelstedt angesetzt. Am Steinwiesenweg mussten die Fußballer also schwitzen. Erst mit niedriger Intensität, dann mit hoher Intensität. Und zwischendurch wurde immer wieder die Herzfrequenz gemessen und das obligatorische Tröpfchen Blut aus dem Ohrläppchen entnommen.
Mit höchster Intensität, aber natürlich ganz ohne Blut, wird derweil nach der Freistellung von Ex-Coach Joe Zinnbauer über die Trainerfrage beim HSV diskutiert. Die Knäbel-Lösung gilt nur bis zum Sommer, daraus machte Clubchef Dietmar Beiersdorfer auch kein Geheimnis. Deutlich zurückhaltender beantwortete der Vorstandsvorsitzende dagegen Fragen nach der Zeit danach. Es gehe nur um das Hier und Jetzt, sagte Beiersdorfer. „Über alles andere sprechen wir nur intern.“ Dass er sich natürlich auch mit Wunschkandidat Thomas Tuchel unterhalten habe, hätte er ja schon öfters gesagt. „Das ist ja nichts Neues.“
Neu ist allerdings, dass der HSV nach Abendblatt-Informationen gar nicht mal so schlechte Chancen hat, den begehrtesten Trainer Deutschlands trotz der erneuten Chaossaison tatsächlich an die Elbe zu locken. Beim letzten Treffen vor drei Wochen soll Tuchel seine grundsätzliche Bereitschaft – den Klassenerhalt vorausgesetzt – erklärt haben. Zudem soll der Coach dem ebenfalls stark interessierten RB Leipzig bereits abgesagt haben. Und obwohl die halbe Liga im Sommer einen neuen Coach sucht, gibt es für die vielversprechendste Traineraktie am Markt offenbar nur noch drei ernsthafte Optionen: Bayern München, ein Top-Club im Ausland – und den HSV.
Geheimplan mit Bayern?
Option Nummer eins: Innerhalb der Liga wird schon seit Wochen darüber spekuliert, dass Tuchel nicht nur aus familiären Gründen – Ehefrau Sissi arbeitete lange für die „Süddeutsche Zeitung“ – nach München übergesiedelt ist. So soll es einen Geheimplan der Bayern geben, nachdem Tuchel ab Sommer als Co-Trainer von Pep Guardioala eingestellt wird und nach dessen Vertragsende 2016 als Cheftrainer übernimmt. Alles nur Gerüchte. Natürlich. Doch tatsächlich verehrt Tuchel den Spanier wie keinen Zweiten, hat sich schon öfters mit seinem Bruder im Geiste zum fußballspezifischen Gedankenaustausch getroffen. Als Mainz-Trainer ließ er sogar ein ganzes Trainingslager mal in Barcelona absolvieren. Tuchel wollte die Grundlehre der Guardiola-Ideen vom Passen und Pressen aus nächster Nähe miterleben. Zudem gilt Michael Reschke, Bayerns neuer Technischer Direktor, als großer Tuchel-Fan. Vor einem Jahr wollte der frühere Bayer-Kadermanager seinen Wunschtrainer bereits nach Leverkusen ködern. Würden Reschke und die Bayern diesmal ernst machen, dann wäre der Kampf um Tuchel noch vor dem ersten Gefecht entschieden.
Erstes Training unter Knäbel
Option Nummer zwei: Sollte sich Guardiola allerdings noch im Sommer zu einer Vertragsverlängerung entscheiden, wäre der Weg zum FC Bayern verbaut. An alternativen Angeboten mangelt es Tuchel aber nicht. Die ebenfalls interessierten Bundesligaclubs Hertha und Stuttgart sollen allerdings genauso chancenlos sein wie Borussia Dortmund, falls Jürgen Klopp tatsächlich in die Premier League wechselt. Tuchel will kein zweites Mal in die Fußstapfen von Klopp treten, den er nur bedingt schätzen soll. Viel wahrscheinlicher wäre es, selbst eine der zahlreichen Offerten aus England anzunehmen. Der Familienmensch Tuchel soll sich mit dieser Grundsatzentscheidung allerdings schwertun.
Tuchel schwärmte von Knäbel
Bleibt Option Nummer drei: der HSV. Was kaum einer weiß: nicht nur Clubchef Beiersdorfer, der Tuchel bereits im vergangenen September unbedingt als Nachfolger von Mirko Slomka holen wollte, pflegt seit langer Zeit einen sehr engen Kontakt mit dem Fußballlehrer. Auch Trainer-Manager Knäbel und Tuchel verstehen sich seit einem gemeinsamen Lehrgang in der Schweiz vor zwei Jahren bestens. Als Mentor des heutigen Mainzer Trainers Martin Schmidt flog Tuchel zu einem Fußballsymposium in die Schweiz, an dem auch Knäbel, damals noch der Sportdirektor der Eidgenossen, teilnahm. Zurück in Mainz schwärmte Tuchel über Knäbels Fußballsachverstand und die gemeinsamen Gespräche. Der Kontakt zwischen den beiden riss seitdem nicht mehr ab.
Tatsächlich geht der Kontakt zwischen Tuchel und den HSV-Verantwortlichen schon längst über den theoretischen Austausch von Fußball-Philosophien hinaus. Der 41 Jahre alte Fußballlehrer, der den Lehrgang 2006 mit der Bestnote 1,4 absolviert hatte, soll bereits den aktuellen Kader der Hamburger analysiert haben – und dabei zu einem mehr als bescheidenen Urteil gekommen sein. Auch die Theorie, der HSV habe mit Lewis Holtby und Zoltan Stieber zwei ehemalige Tuchel-Schüler auf seinen Rat im vergangenen Sommer verpflichtet, ist absurd. Besonders Zinnbauers Entscheidung, Stieber als Mittelfeldregisseur aufzubieten, stieß bei dessen ehemaligen Trainer auf Unverständnis.
Tuchels Berater Felix Ahns wollte das HSV-Interesse derweil nicht kommentieren. Es gebe nichts Neues, sagte er dem Abendblatt. Noch nicht.