Hamburg. Nach dem 0:1 gegen Berlin droht dem HSV-Coach die Ablösung. Die Comebacks von Pierre-Michel Lasogga und Lewis Holtby blieben ohne Erfolg.

Nehmen wir mal an, Sie wären ein Fan des FC Bayern München. Dann dürften Sie in dieser Saison über fast drei Tore pro Spiel jubeln. Was für ein Luxus! Als Anhänger von Eintracht Frankfurt würden die Arme immerhin fast zweimal pro Partie in die Höhe schnellen. Und beim HSV? Da müssen die Fans froh sein, wenn überhaupt einmal ein Treffer fällt. Nur jämmerliche 16 Tore nach 25 Spieltagen wies die Tabelle auf – und nach dem Abstiegsduell gegen Hertha BSC änderte sich daran nichts. Noch schlimmer: Nach dem 0:1 wird die Abstiegsgefahr immer bedrohlicher – und Trainer Joe Zinnbauer droht die Entlassung als Cheftrainer der Profis.

Sportchef Peter Knäbel jedefalls ließ viel Spielraum für Interpretationen, als er nach dem Spiel bei Sky sagte: „Ob er nächstes Wochenende noch unser Trainer ist, hängt von den Entscheidungen ab, die wir in den nächsten Tagen treffen werden.“ Zinnbauer selbst gab sich gelassen: „Es war verabredet, dass wir in der Länderspielpause die Situation analysieren. Es geht hier weniger um mich als vielmehr um den HSV. Ich verspüre nach wie vor Rückendeckung und kämpfe weiter.“

Warum seine Spieler in dieser Saison so erfolglos vor dem gegnerischen Tor sind, bekamen die Zuschauer in der HSV-Arena auch am Freitagabend wieder eindrucksvoll demonstriert. Dabei muss man hervorheben, dass die Mannschaft motiviert auftrat und sich deutlich mehr Ballbesitz als die sehr vorsichtig agierenden Gäste erspielte. Anders als erwartet formierte der HSV-Trainer die Offensive allerdings nicht mit zwei Spitzen: Pierre-Michel Lasogga nahm zunächst nur auf der Bank Platz, Ivica Olic agierte als einziger Stürmer, Artjoms Rudnevs stand überhaupt nicht im Kader.

Wieder in der Startformation stand Rafael van der Vaart, und der Niederländer war auch an fast jeder Torchance in der ersten Hälfte beteiligt, vor allem bei Standards. Aus dem Spiel heraus kreierte die Offensive jedoch viel zu wenig Gefahr. Nicolai Müller wählte viel zu oft den falschen Weg, Ivo Ilicevic verzettelte sich zumeist in seinen Aktionen, und auch Zoltan Stieber fiel nur durch Distanzschüsse positiv auf, während Olic fast völlig wirkungslos blieb. Erfreulich konnte zur Pause nur festgestellt werden, dass René Adler, der den rotgesperrten Jaroslav Drobny im Tor vertrat, weitgehend beschäftigungslos geblieben war, weil die HSV-Defensive die wenigen Aufgaben ohne größere Probleme bewältigen konnte.

Nach Wiederanpfiff lief sich Lasogga zunächst weiter nur hinter dem Tor von Adler warm. Was er sah, konnte ihm nicht gefallen. Die Aktionen der stets bemühten Hamburger verloren immer mehr an Struktur, das Spielniveau sank in den Bereich der Langeweile. In der 64. Minute war es dann soweit: „Unsere Nummer zehn ist wieder da“, schrie Stadionsprecher Lotto King Karl ins Mikrofon, als Lasogga für Ilicevic in die Partie kam, begleitet von den Pfiffen der Berliner Fans. Doch in der gleichen Minute kam der bis dahin völlig wirkungslose Berliner Torjäger Salomon Kalou zu seiner ersten Großchance, köpfte aber Adler in die Arme.

HSV verliert gegen Hertha

Valon Behrami kommt zu spät, Sebastian Langkamp köpft das 0:1
Valon Behrami kommt zu spät, Sebastian Langkamp köpft das 0:1 © WITTERS | TimGroothuis
Torwart Rene Adler fliegt vergeblich
Torwart Rene Adler fliegt vergeblich © WITTERS | TimGroothuis
Der Ball zappelt im Netz
Der Ball zappelt im Netz © WITTERS | TimGroothuis
Hertha-Fans freuten sich auf der Tribüne
Hertha-Fans freuten sich auf der Tribüne
Die Gelb-Rote-Karte gegen Cléber
Die Gelb-Rote-Karte gegen Cléber © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Ivo Ilicevic auf dem Boden
Ivo Ilicevic auf dem Boden © WITTERS | TimGroothuis
Nicolai Müller und Rafael van der Vaart ohne Fortune
Nicolai Müller und Rafael van der Vaart ohne Fortune © WITTERS | TimGroothuis
Das Hertha-Team jubelt über die Führung
Das Hertha-Team jubelt über die Führung © WITTERS | TimGroothuis
Ivica Olic (l.) im Duell mit Genki Haraguchi
Ivica Olic (l.) im Duell mit Genki Haraguchi © WITTERS | TayDucLam
Salomon Kalou läuft auf und davon
Salomon Kalou läuft auf und davon © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Pierre-Michel Lasogga konnte nichts mehr ausrichten
Pierre-Michel Lasogga konnte nichts mehr ausrichten © WITTERS | TayDucLam
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Fünf Minuten später hatten die HSV-Fans den Torschrei auf den Lippen, als Olic quer auf Lasogga passte, dieser den Ball aber nicht richtig kontrollieren konnte. Leider war dies nicht der Startschuss für die Schlussoffensive. Zinnbauer versuchte alles, verhalf nach 75 Minuten auch noch Lewis Holtby (Schlüsselbeinbruch) zu seinem Comeback. Doch der Ertrag blieb aus. Zum wenig erfreulichen Abend passte, dass der bereits verwarnte Brasilianer Cléber bei einem Luftduell mit Fabian Lustenberger den Arm ausfuhr und zu Recht mit Gelb-Rot vom Platz musste.

Eigentlich deutete alles auf ein 0:0 hin, eine Nullnummer wäre der mäßigen Begegnung auch gerecht geworden. Doch nur zwei Minuten später der Schockmoment für alle HSV-Fans: Nach einem Freistoß verlor Valon Behrami das Duell gegen Valentin Stocker, der zum 0:1 einköpfte.

Es wird abzuwarten sein, wie die HSV-Verantwortlichen nun reagieren. Klar war, dass Dietmar Beiersdorfer, Knäbel und Bernhard Peters die Saison eigentlich mit Zinnbauer zu Ende spielen wollten. Doch intern wurde auch diskutiert, dass ein Trainerwechsel, wenn überhaupt, nur in der jetzigen Länderspielpause Sinn habe. Mit möglichen Kandidaten wurde bereits gesprochen. Knäbel: „Es wäre fatal, wenn man nicht weiß, was man einleiten müsste. Aber wir haben auch kein Schattenkabinett.“ Ein Kandidat soll laut Sky der ehemalige Aufsichtsrat Thomas von Heesen sein.

Ein möglicher Nachfolger hätte es allerdings nicht einfach angesichts der kommenden schweren Aufgaben in Leverkusen, gegen Wolfsburg und in Bremen. Fest steht nur eines: Die Situation rund um den HSV ist ab sofort nicht nur kritisch, sondern dramatisch.