Hamburg. Der Hamburger Kampf hat die Verantwortlichen des BVB nicht nur beeindruckt, sondern auch erzürnt. Vor allem über Behrami wird diskutiert.

Am frühen Sonntagmorgen mussten noch die letzten Reste des Vortags beseitigt werden. Gerade als HSV-Trainer Joe Zinnbauer den Tatort ein zweites Mal an diesem Wochenende betrat, fegte eine ganze Kolonne von Reinigungskräften die Überbleibsel des 0:0 des HSV gegen Borussia Dortmund im Stadion zusammen. Leere Bierbecher, zerrissene Banner und ein wenig Konfetti – viel mehr war von dem Fußballkampf des Vortags nicht übrig geblieben. „Es war keine überharte Partie, aber eben ein echtes Kampfspiel“, bilanzierte Zinnbauer, „wenn es nach mir gehen würde, dann haben wir hier jede Woche so ein Duell. Nur so funktioniert Abstiegskampf.“

Hamburgs Trainer hatte allen Grund, sich zu freuen. Der HSV konnte im Duell gegen den BVB fußballerisch zwar wenig bis gar nicht überzeugen, machte die eigenen Unzulänglichkeiten aber durch bedingungslosen Kampf wett. Anders als vor drei Wochen, als die Hamburger in München mit 0:8 wehrlos untergingen, rang der HSV dem Vizemeister aus Dortmund den erhofften Punkt am Sonnabend regelrecht ab. „Wenn man unten drinsteht, muss man hart in die Zweikämpfe gehen. Wir wollten uns auf keinen Fall so abfertigen lassen, wie das schon anderswo passiert ist“, sagte Dennis Diekmeier, der Gegenspieler Marco Reus nur ein Torschüsschen ermöglichte.

So war es auch wenig verwunderlich, dass zu den Protagonisten der Fußballschlacht nicht die Fußballästheten wie Dortmunds Reus, Shinji Kagawa oder Pierre-Emerick Aubame­yang gehörten. Viel mehr wurde auch am Tag nach dem Spiel vor allem über Valon Behrami, dem „Aggressivleader“ (Zinnbauer über Behrami), diskutiert. Dieser hatte bereits nach drei Minuten Henrikh Mkhitaryan den Ellbogen ins Gesicht gerammt, dafür aber noch nicht mal Gelb gesehen. Erst nach einer Stunde musste der Schweizer gelb-rot-gefährdet vom Platz, nachdem Schiedsrichter Peter Gagelmann zuvor Zinnbauer ermahnt hatte, dass Behrami bei einem weiteren Foul vom Platz fliegen würde. „Valon ist unser Chef. Er macht die Lücken zu, geht voran. Aber er ist kein überharter Spieler. Er verletzt niemanden mit Absicht“, sprang Zinnbauer seinem gerade genesenen Mittelfeldmann am Tag danach zur Seite.

Subotic postet drastische Worte

Dass Dortmunds Akteure eine andere Sicht der Dinge hatten, überraschte nicht. „Behrami hätte vom Platz fliegen müssen, oder zehn Minuten später, oder wieder zehn Minuten später. Statt vier Gelben Karten durfte er aber weiterspielen“, echauffierte sich direkt nach dem Spiel Borussia-Sportdirektor Michael Zorc, dem die gesamte Gangart des HSV nicht passte. Torhüter Roman Weidenfeller sah es ähnlich: „Wir konnten froh sein, dass wir das Spiel mit elf gesunden Spielern beendeten.“ Und Verteidiger Neven Subotic drückte es via Facebook gar drastisch aus: „Ein Punkt auswärts in Hamburg gewonnen ist keine schlechte Ausbeute. Noch wichtiger ist: Alle haben es überlebt.“

Und obwohl die Statistiken (28:14 Fouls; 5:2 Gelbe Karten) die Aggressivität des HSV untermauerten, schämten sich die Hamburger Profis keineswegs für ihren kompromisslosen Einsatz – ganz im Gegenteil. „Gegen Dortmund können wir momentan gar nicht anders spielen. Wir haben gekämpft – und mir bringt so ein Kampfspiel richtig Bock“, sagte Gojko Kacar, dem Ivica Olic nur beipflichten konnte: „Alle haben 100 Prozent gegeben. Ich glaube, wir haben unsere Fans nicht enttäuscht.“

Parallelen zum Leverkusenspiel

Tatsächlich gab es nach dem höhepunktarmen Kampf-und-Krampf-Spiel lautstarken Applaus – ähnlich wie bereits nach dem hart erkämpften 1:0-Heimsieg in der Hinrunde gegen Bayer Leverkusen. „Wir müssen um jeden Zentimeter fighten. Anders haben wir keine Chance“, sagte Zinnbauer, dem auch egal war, dass seine Mannschaft mit mittlerweile 60 (!) Gelben Karte die auf dem Papier unfairste Mannschaft der Liga ist. Er sei viel mehr stolz auf die defensive Kompaktheit seiner Mannschaft, sagte Zinnbauer, der vorrechnete, dass der HSV ohne das Blackout-Spiel gegen die Bayern sogar die drittbeste Defensive der Liga stelle. Gegen Dortmund waren es vor allem die Innenverteidiger Heiko Westermann (siehe nächste Seite) und Cléber, die Dortmunds Top-Offensive gerade mal vier Tormöglichkeiten gestatteten.

Laut Zinnbauer ist der Schlüssel für einen erfolgreichen Abstiegskampf, dass der HSV eben nicht nur gegen Top-Gegner wie Gladbach, Leverkusen oder Dortmund derart engagiert zur Sache geht, sondern auch gegen Teams wie Hoffenheim und Hertha, die in den kommenden zwei Wochen warten. Sollte der HSV dann sogar noch mit dem Fußballspielen anfangen, dürfte sich tatsächlich niemand mehr beschweren. Nicht mal der angefressene Jürgen Klopp: „Euch noch viel Glück“, sagte der am späteren Abend fast versöhnte BVB-Trainer, ehe er am Sonnabend den Tatort verließ.