Hamburg. Nach dem schwachen Rückrundenauftakt hatten sich die Verantwortlichen bereits bei Schalke wegen Ex-Trainer Keller erkundigt.

Höflich ist dieser Josef „Joe“ Zinnbauer. Unverschämt höflich. Natürlich begrüßt der HSV-Trainer jeden einzelnen Medienvertreter vor der wöchentlichen Frage-und-Antwort-Runde in den Katakomben des Stadions mit Handschlag. Gelernt ist gelernt. Erst die Damen, dann die Herren. Alte Schule eben. „Guten Tag, die Damen und Herren“, sagt der Coach, der sich nicht anmerken lässt, dass es rund um den HSV mal wieder brodelt. Gegen die Bayern gedemütigt, gegen Gladbach nicht gewonnen und gegen Frankfurt verloren. Das reicht hierzulande locker für eine Trainerdiskussion. „Labbadia der Notfall-Trainer?“, fragte die „Bild“-Zeitung am Montag nach dem 1:2 gegen die Eintracht in großen Buchstaben. Willkommen in Hamburg!

„So ist das Geschäft“, sagt Zinnbauer emotionslos. „Das berührt mich nicht, das interessiert mich nicht.“ Ob er denn nach dem erneuten Rückschlag mehr Druck verspüren würde, fragt einer. „Null Komma null“, antwortet Zinnbauer. „So eine Diskussion ist doch nichts Neues. Irgendwann will einem immer irgendwer Salz in die Suppe streuen. Wichtig ist für mich nur, dass wir zusammenhalten. Erst wenn Dietmar Beiersdorfer, Peter Knäbel oder Bernhard Peters zu mir kommen, würde ich mir wirklich Gedanken machen.“

Doch gekommen ist bislang keiner. Zumindest nicht, um grundsätzliche Trainerkritik zu äußern. Ganz im Gegenteil. „Joe besitzt die Gabe, den Jungs Vertrauen zu schenken“, sagte HSV-Chef Beiersdorfer vor einiger Zeit. Zinnbauer sei ein „interessanter Trainer, der viel Potenzial hat“, meinte Sportdirektor Peters. Und Sportchef Knäbel lobhudelte: „Ich bin fasziniert, wie er mutige Entscheidungen trifft. Joe ist voller Energie. Es beeindruckt uns, wie er die Mannschaft nach Niederlagen wieder aufrichtet.“

Doch zu viele Niederlagen, das weiß auch Zinnbauer, darf sich niemand erlauben. Nicht in der Bundesliga. So dürfte den 44 Jahre alten Fußballlehrer trotz der öffentlichen Unterstützung auch kaum überraschen, dass in einer Stadt wie Hamburg, in der sich in den vergangenen 14 Jahren 14 Trainer versuchten, die Gerüchteküche eher früher als später brodelt. „Ich lasse mich da nicht aus der Bahn werfen. Das ist nicht überraschend für mich. Wenn es nichts zu schreiben gibt, dann holt man halt irgend einen Namen raus“, sagt Zinnbauer, der sich sicher ist: „Mit Labbadia hat der Verein meines Wissens nach nicht gesprochen.“

HSV erkundigte sich nach Keller

Aktuell wohl nicht. Dass sich Beiersdorfer mit dem Wahl-Hamburger Bruno Labbadia am Tag nach der Demission von Zinnbauer-Vorgänger Mirko Slomka getroffen hat, ist aber kein Geheimnis. Dass sich die Verantwortlichen des HSV vor nicht mal fünf Wochen bei ihren Kollegen von Schalke 04 nach den Vertragsmodalitäten des beurlaubten Jens Keller erkundigt haben, dann schon eher. Unmittelbar nach der 0:2-Niederlage zum Rückrundenauftakt gegen Köln wollten die Hamburger wissen, ob Keller, der bis zum Sommer von Schalke bezahlt wird und der aktuell in St. Gallen am Studiengang Sportmanagement teilnimmt, im Fall der Fälle frei sei. Doch zum Fall der Fälle kam es erst gar nicht, da der HSV anschließend erstmals nach 20 Monaten wieder zwei Spiele in Folge gewinnen konnte – und Zinnbauer nach der Bayern-Blamage erneut beweisen konnte, dass er es versteht, eine am Boden liegende Mannschaft aufzurichten.

HSV verliert in Frankfurt

Der auffällige Lucas Piazon im Zweikampf mit Nicolai Müller
Der auffällige Lucas Piazon im Zweikampf mit Nicolai Müller © ThorstenWagner
Alexander Meier verliert das Kopfballduell gegen Gojko Kacar
Alexander Meier verliert das Kopfballduell gegen Gojko Kacar © ThorstenWagner
Frankfurt-Trainer Thomas Schaaf an der Seitenlinie
Frankfurt-Trainer Thomas Schaaf an der Seitenlinie © Alex Grimm
Frankfurts Alexander Madlung foult Hamburgs Mohamed Gouaida
Frankfurts Alexander Madlung foult Hamburgs Mohamed Gouaida © Christian Klein
Gojko Kacar und Makoto Hasebe
Gojko Kacar und Makoto Hasebe © Alex Grimm
Rafael van der Vaart saß von Beginn an auf der Bank
Rafael van der Vaart saß von Beginn an auf der Bank © Alex Grimm
Frankfurts Elfmetertorschütze Alexander Meier (M) jubelt mit seinen Mannschaftskollegen Takashi Inui (l-r), Stefan Aigner und Marc Stendera
Frankfurts Elfmetertorschütze Alexander Meier (M) jubelt mit seinen Mannschaftskollegen Takashi Inui (l-r), Stefan Aigner und Marc Stendera © Christian Klein
Kurz vor der Pause jubelte dann der HSV: Zoltan Stieber traf zum 1:1
Kurz vor der Pause jubelte dann der HSV: Zoltan Stieber traf zum 1:1 © Alex Grimm
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Das will und muss Zinnbauer nun auch am Wochenende wieder beweisen. Der Gegner: Borussia Dortmund. Vizemeister. Vier Siege in Folge. Und glaubt man, was gerade landauf, landab so berichtet wird, dann ist Dortmund nicht weniger als die Mannschaft der Stunde in der Bundesliga. „Natürlich freut es mich für Jürgen Klopp, dass Dortmund gerade im Aufwind ist. Aber ich hätte auch nichts dagegen gehabt, wenn diese Phase einen Tick später gekommen wäre“, sagt Zinnbauer, der aber nur zu gerne daran erinnert, dass es noch gar nicht lange her ist, dass der HSV den vermeintlichen Übergegner bezwang: „In der Hinrunde hat es funktioniert. Und warum soll es nicht auch in der Ruckrunde funktionieren?“, fragt er.

Zinnbauer hofft auf erfahrene Profis

Zinnbauer ist Optimist. Im schlimmsten Fall sogar ein unverbesserlicher. Gegen Bayern ließ er mit zwei Stürmern spielen, stellte Youngster Ronny Marcos gegen Arjen Robben auf und forderte von seinen Spielern ein „mutiges Auftreten“. Das Ergebnis ist bekannt. Der HSV bekam eine 0:8-Packung – und Zinnbauer die Schuld.

Nun also Dortmund. Den Pokalauftritt der Borussen in Dresden schaute sich Zinnbauer am Abend mit Knäbel live vor Ort an. Natürlich. Der fleißige Eimsbüttler überlässt nichts dem Zufall, will sich auf keinen Fall den Vorwurf aussetzen, nicht alles gegeben zu haben. „Wir alle müssen kämpfen. Wir sind im Abstiegskampf“, sagt Zinnbauer, und betont jede einzelne Silbe. Ab-stiegs-kampf!

Auch Zinnbauer kämpft. Um Punkte. Um den Klassenerhalt. Um seinen Job. Und natürlich weiß der gläubige Christ auch, dass er auf Unterstützung angewiesen ist. Nicht von oben, sondern aus den eigenen Reihen. „Ich brauche die erfahrenen Spieler“, sagte er unlängst bei einem Termin mit dem Abendblatt. „Ich bin ein Stück weit davon abhängig, dass diese erfahrenen Fußballer meinen Weg mitgehen.“

Zinnbauers Weg. Verliert der HSV gegen Dortmund, wird es steinig. Gelingt eine Überraschung, bleibt der Weg entspannt. Vorerst. „So ist Fußball“, sagt der Coach, „so ist mein Traumjob.“

Matz ab nach der 1:2-Niederlage gegen Frankfurt

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