Der HSV möchte wieder mehr gemocht werden. An diesem Sonntag wählen die Mitglieder für den Rest-Verein einen neuen Vorstand. Der Bundesliga-Dino hat ein Jahr voller Negativ-Schlagzeilen hinter sich.

Einen besseren Zeitpunkt für die Präsentation des Deals hätte sich die HSV AG nicht aussuchen können. Drei Tage vor der Mitgliederversammlung des HSV e. V. am heutigen Sonntag um 11 Uhr im CCH jubelt die Fußball-Gemeinde über die Rückkehr zum Volksparkstadion, die Unternehmer Klaus-Michael Kühne ermöglicht. Kritikern der AG-Verantwortlichen, die sich um die Versprechen der ursprünglichen Initiative „HSV-Plus“ betrogen sahen, wurde Wind aus den Segeln genommen. Die AG kann doch Anteilseigner gewinnen; die AG legt doch Wert auf Tradition; der Aufsichtsratsvorsitzende Karl Gernandt hat seinen Boss Kühne doch noch überzeugt.

Die Aussage von Karl Gernandt, die Rückkehr zum Volksparkstadion sei auch ein Signal gegen Kommerzialisierung, mag ein wenig dick aufgetragen sein. Hätte Trikotsponsor „Emirates“ zehn Millionen Euro pro Jahr geboten, um auf das Dach der HSV-Arena zu kommen, dann wären die vier Millionen von Kühne sicher nicht zum Tragen gekommen. Dennoch spiegelt sich allein in der Idee ein Gedanke wider, den die neue HSV-Führung seit der Amtsübernahme von Dietmar Beiersdorfer pflegen möchte: die HSV AG und seine Fans wieder stärker aneinander zu binden.

Gegenbeispiele in der jüngeren Vergangenheit finden sich zur Genüge. Erst vor Monatsfrist hat der HSV die 75 Jahre alte und damit längste Sponsoren-Beziehung des Bundesligisten überhaupt mit Bierlieferant Holsten gekündigt. Stattdessen wird bald für mehr Geld König Pilsener ausgeschenkt. Der Vertrag bringt dem Verein gut 2,5 statt geschätzter 1,5 Millionen Euro pro Saison.

500.000 Euro Prämie hätten sich beinahe gerächt

Im vergangenen Jahr trat der HSV im Wintertrainingslager zu einer zwar wirtschaftlich lukrativen, sportlich aber desaströsen Kurzreise nach Indonesien an. Die 500.000 Euro Prämie hätten sich beinahe gerächt – nach einigen Verletzungen und insgesamt verkorkster Vorbereitung schrammte der HSV am Ende nur knapp am Abstieg vorbei. Und im Sommer 2012 ließ sich der HSV eine Turnierteilnahme in Südkorea mit 1,2 Millionen Euro versüßen, die die umstrittene Moon-Sekte ausgelobt hatte.

Nun geht der Bundesliga-Dino einen anderen Weg. Und es ist anzunehmen, dass die Verantwortlichen von den E.V.-Mitgliedern dafür heute auch Applaus erhalten werden. Von den im vergangenen Sommer in den Raum gestellten 100 Millionen Euro, die recht kurzfristig zur Sanierung des HSV generiert werden sollten, ist der Kühne-Vertrag ein gutes Stück entfernt. „Große Geschenke sind das nicht“, wie ein Vereins-Insider nach der Präsentation sagte. „Aber das war auch nicht zu erwarten. Wenn man am Ertrinken ist, braucht man einfach frische Luft.“

Die hat der HSV erhalten. Von Lizenz-Problemen ist nicht mehr die Rede. Stattdessen segnete der Aufsichtsrat bereits einen Millionen-Betrag ab, den Dietmar Beiersdorfer zum Kauf neuer Fußballer einsetzen kann. Das entsprechende Winter-Transferfenster schließt am 2. Februar.

HSV ist weniger wert als Hertha BSC

Die von Klaus-Michael Kühne erworbenen 7,5 Prozent am HSV kosteten 18,75 Millionen Euro. Der gesamte HSV ist somit 250 Millionen Euro wert, deutlich weniger, als die bislang kolportierten 330 Millionen. Damit ist der HSV, rechnerisch, weniger wert als Hertha BSC. Die Hauptstädter waren mit einem ganz anderen Investment-Modell von einem Vereinswert von etwa 300 Millionen ausgegangen.

Der Einstieg von Klaus-Michael Kühne wird einen brisanten Antrag auf der Mitgliederversammlung tangieren. Ex-Aufsichtsrats-Chef Manfred Ertel hatte vorgeschlagen, dass alle Schritte eingeleitet werden sollen, den HSV-e.V.-Präsidenten automatisch zum Aufsichtsrats-Vorsitzenden der HSV AG zu machen. Ob dies rechtlich umzusetzen wäre, ist das eine Problem.

Darüber hinaus ist die benötigte 50-prozentige Mehrheit für diesen Antrag fraglich geworden – Gernandt hat durch die Fakten der vergangenen Tage Pluspunkte gesammelt. Er hat geliefert, um in seiner Sprache zu bleiben. Und ausgerechnet Jens Meier, Präsidentschaftskandidat und womöglich „Nutznießer“ des Ertel-Antrages, betonte am Sonnabend: „Ich habe klar Stellung bezogen, dass ich das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden nicht anstrebe.“ Es geht Meier, wie er sagte, um Ruhe im Verein. Und dazu würden neue Personaldebatten nicht beitragen.

Designierter HSV-Präsident Meier hofft auf weitere Investoren

Vorstand und Aufsichtsrat der HSV AG müssen Stimmungen und Entscheidungen der Mitgliederversammlung nicht zwangsläufig folgen. Das unterscheidet die heutige Veranstaltung von ihren brisanten Vorgängern. Dennoch wollen die Führungsgremien komplett anwesend sein, darüber hinaus gibt es einen offiziellen AG-Bericht. Dieser wird mit viel Spannung erwartet, schließlich geht es um die Bilanzzahlen der AG. Vor Jahresfrist machte der HSV negative Schlagzeilen, als die Summe der Verbindlichkeiten auf knapp 100 Millionen Euro beziffert werden musste.

Diese Zahl schwebt seither im Raum und steht als Synonym für gescheiterte Vereinspolitik der vergangenen Jahre unter dem Vorstandsvorsitzenden Carl Jarchow. Aus diesem Grund muss sich Jarchow, genau wie seine ehemaligen Vorstands-Kollegen Joachim Hilke, Oliver Scheel und Oliver Kreuzer, mit einem weiteren Antrag auseinandersetzen. Es geht darum, den Herren die Entlastung fürs vergangene Geschäftsjahr zu verweigern. Dies wäre zumindest eine symbolische Ohrfeige.

Der designierte HSV-Präsident Meier hält dagegen: „Noch schwerer als die Zukunft vorherzusagen ist es, die Vergangenheit zu verändern.“ Den Abschluss des Kühne-Vertrages hält der Hafen-Chef für richtungsweisend. „Diese Beteiligung ist ein weiterer entscheidender Schritt, um Ruhe in den Verein zu bekommen“, so Meier. „Man darf die Hoffnung hegen, dass sich nun weitere Investoren engagieren.“ Damit aus dem von Kühne eingeleiteten ein endgültiger Befreiungsschlag für den HSV wird.