Derby-Torschütze Artjoms Rudnevs hat eine lange Leidenszeit beim HSV hinter sich. Sein Vertrag läuft im kommenden Jahr aus, von einem Wintertransfer war bereits die Rede. Nun macht ihm sein Coach Hoffnung.
Hamburg. Der Montag gilt bei Arbeitnehmern ja grundsätzlich eher als mittelmäßig beliebt. Doch der HSV-Angestelle Artjoms Rudnevs ging an diesem Wochenanfang extrem gut gelaunt seiner Arbeit nach: Das lag zum einen daran, dass der Lette nach nur 45 Minuten Auslaufen das Hamburger Schmuddelwetter gegen die Kabine eintauschen durfte. Aber noch mehr daran, dass sein Treffer am Tag zuvor den 2:0-Sieg im Nordderby gegen Werder Bremen einleitete.
In Worte fassen wollte Rudnevs seine Gefühle auch am Montag nicht, dafür hatte Trainer Joe Zinnbauer eine Erklärung, warum der Stürmer erfolgreich war. „Rudi hat sich das im Training erarbeitet. Auch in den Testspielen hat er Tore gemacht, die normal kein Stürmer macht. Er versucht immer dort hinzukommen, wo es dem Gegner wehtut. Gestern hat er sich dafür belohnt.“
Die Fans hatten Rudnevs nach dem Abpfiff gefeiert, als hätte er sein Team soeben zur Meisterschaft geschossen. Überhaupt ist sein Standing bei den Anhängern sehr hoch. Eigentlich immer hallt sein Name in Form von „Ruud-neeevs, Ruud-neeevs“-Sprechchören durch die Arena, wenn es mal wieder nicht so gut klappt im Offensivspiel des HSV und der Angreifer auf der Bank sitzt. Die zwölf Treffer aus seiner Premierensaison haben die Fans nicht vergessen. In allen 34 Bundesligaspielen stand er 2012/13 auf dem Platz – doch das änderte sich in der Saison darauf schlagartig.
In der Hinrunde lief Rudnevs nur noch einmal von Beginn an auf, sechs Kurzeinsätze kamen dazu. Seine damaligen Trainer Thorsten Fink und Bert van Marwijk kritisierten die mangelnde Technik des Nationalspielers, wollten vorne einen Angreifer, der den Ball „festmachen“ kann. Doch als Anspielstation eignete sich Rudnevs nicht, zu oft versprangen ihm die Bälle, oder seine Pässe landeten beim Gegner. Das Ergebnis dieser mangelnden Wertschätzung ist bekannt, der 31-fache Internationale wurde in der Winterpause nach Hannover verliehen. Doch auch dort konnte er sich trotz guten Beginns nicht durchsetzen.
Der Neubeginn in Hamburg verlief dann ganz anders als geplant. Trotz der Verletzung und anschließender Formschwäche von Pierre-Michel Lasogga konnte Rudnevs auch bei Zinnbauer nicht auf sich aufmerksam machen, im Gegenteil: Aufgrund von schwachen Trainingsleistungen fand sich der 26-Jährige zeitweise nur auf der Tribüne wieder. Sein Coach wollte ihn mit dieser Aktion „provozieren“ – was offenbar fruchtete. „Er hat seine Degradierung akzeptiert, ohne Unruhe zu verbreiten und jetzt die Antwort auf dem Platz gegeben. Da hätten sich viele Spieler ganz anders verhalten“, lobt Zinnbauer.
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Das Tor gegen Bremen war ein „typischer Rudnevs“, wie es Abwehrspieler Heiko Westermann formulierte. Im Strafraum hat der Blondschopf seine Stärken, wenn er sich mit gutem Antritt von den Gegnern ein, zwei Meter lösen kann und dann oft dort steht, wo ein Torjäger stehen muss. Auch per Kopf hat Rudnevs schon den einen oder anderen Treffer erzielt, für den nach Standardsituationen bisher ungefährlichen HSV ein weiterer Pluspunkt. Westermann freut es auf alle Fälle, dass Rudnevs wieder dabei ist. „Artjoms hat eine arge Leidenszeit hinter sich. Er weiß aber, wie man Tore schießt, ist ein Stürmer durch und durch. Wir brauchen ihn“, sprach ihm sein Kollege Mut zu.
Zumindest scheint Rudnevs jetzt wieder die erste Alternative zu sein, sollte ein Lasogga im Sturmzentrum nicht ausreichen. „Wenn der drei Stockfehler macht und dann das entscheidende Tor schießt, muss man nicht über die Stockfehler reden. Das ist das Los eines Stürmers. Vergleichbar mit einem Torhüter: Wenn der drei große Bälle hält und dann einen entscheidenden Fehler macht, will auch niemand mehr etwas von seinen Paraden wissen“, sagt Zinnbauer. Und auch die Option, von Beginn an mit zwei Angreifern zu operieren, hielt sich der Coach am Montag offen. „Es ist eine Überlegung wert. Wir spielen auswärts, Rudi ist schnell, das kann in Augsburg eine Alternative sein“, sagte der Fußballlehrer.
Ob Rudnevs am Sonnabend tatsächlich das erste Mal in dieser Saison in der Anfangsformation auftaucht, wird er wohl erst am Spieltag erfahren. Schließlich räumte Zinnbauer am Montag ein, dass er nach dem Abschlusstraining noch zwei andere Akteure fest für seine Startelf eingeplant hatte. Doch nach langer, nächtlicher Grübelei entschied sich der Trainer am Spieltag gegen die U23-Talente Ashton Götz und Ronny Marcos und musste Co-Trainer Patrick Rahmen extra ins Hotel bestellen, um die Zuordnung bei Standards neu vorzunehmen. Wer weiß, vielleicht profitiert Rudnevs von der nächsten, unruhigen Nacht seines Trainers und kann sich wieder als der Torjäger etablieren, der er einmal war.