Kein Grund zur Euphorie: Joe Zinnbauer mahnt nach dem Sieg gegen Bremen zu Bescheidenheit. Die zwei glücklichen Tore des HSV täuschen nicht über die harmlosen Offensivbemühungen hinweg.

Hamburg. Nach dem Derby-Sieg gönnte sich Joe Zinnbauer „ausnahmsweise“ ein Glas Wein. „Aber nur eins“, sagte der Trainer des HSV am Montag nach dem so wichtigen Prestigeerfolg gegen den Erzrivalen Werder Bremen (2:0).

Denn Zinnbauer will sich vom Sieg gegen erschreckend schwache Bremer auf keinen Fall benebeln lassen: „Es gibt keinen Grund zur Euphorie.“

An der Elbe soll sich bloß keine Zufriedenheit einstellen, lautet das Motto von Zinnbauer und seinen Spielern. Zwar klebt der HSV als Tabellen-15. jetzt nicht mehr auf einem direkten Abstiegsplatz, doch in den bevorstehenden „Wochen der Wahrheit“ plant der Dino endgültig den Schritt aus dem Keller.

„Wir wollen den Schwung mitnehmen“, sagte Zinnbauer mit Blick auf die Partien beim FC Augsburg (Sonnabend, 15.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de), gegen Mainz, in Freiburg und gegen Stuttgart und erinnerte auch an die ganz große Schwäche seiner Mannschaft: „Ich hoffe, dass wir hier nicht in acht Wochen sitzen und wir haben immer noch sechs Tore auf dem Konto.“

Denn erst gegen Werder gelang dem HSV erstmals in dieser Saison mehr als ein Treffer. Nicht Kapitän Rafael van der Vaart, nicht Pierre-Michel Lasogga: Ausgerechnet der eigentlich schon längst aussortierte und vergangene Rückrunde zu Hannover 96 abgeschobene Artjoms Rudnevs (84.) brachte die Hamburger auf die Siegerstraße.

Anschließend sorgten die HSV-Fans unter den 57.000 Zuschauern für einen 129 Dezibel (vergleichbar mit dem Start eines Düsenjägers) lauten Jubelorkan – ein Rekordwert für die Hamburger Arena. In der Nachspielzeit legte sich Werder-Keeper Raphael Wolf (90.+3) den Ball dann noch selber ins Tor.

Lange Zeit sah es nach einem 0:0 aus, da der HSV wie schon in der gesamten Saison zu einfallslos nach vorne agierte. Das weiß auch Zinnbauer: Uns haben die Ideen gefehlt“, stellte der Trainer am Tag danach selbstkritisch fest.

Für die Spieler war der Dreier gegen den Erzrivalen Balsam für die Seele. In sozialen Netzwerken wie Twitter freuten sie sich über den dritten Erfolg der Saison.

Zinnbauer erfrischend realistisch

Doch während in der Vergangenheit in Hamburg auch nach schmeichelhaften Siegen schon wieder vom Europapokal gesprochen wurde, bleiben Zinnbauer und Co. diesmal erfrischend realistisch. „Jetzt müssen wir weitermachen“, forderte van der Vaart. Und Innenverteidiger Heiko Westermann, der sich wie sein Chef ein Wein genehmigte, meinte: „Wir haben noch einen langen Weg vor uns und müssen uns in allen Bereichen verbessern. Wir dürfen uns nicht ausruhen und müssen jetzt Punkte, Punkte, Punkte sammeln.“

Und diese Aufgabe wird schwierig genug. Denn während die HSV-Abwehr einigermaßen sicher steht – fünftes Saisonspiel zu null, eines mehr als in der kompletten Vorsaison – hakt es im Spiel nach vorne noch immer gewaltig. „Die Mannschaft muss an sich arbeiten und Fehler abstellen. Das dauert einfach Zeit“, sagte Zinnbauer: „Aber in Schönheit sterben bringt auch nichts.“ Immerhin bewies der 44-Jährige ein glückliches Händchen, seine Joker stachen: Ashton Götz und Tolgay Arslan leiteten jeweils ein Tor ein und mit Rudnevs traf der dritte Einwechselspieler.

Doch die Ziele bleiben in Hamburg bescheiden. „Wenn wir in Augsburg nicht verlieren, würde mich das schon freuen“, sagte Zinnbauer. Und vielleicht genehmigt er sich dann auch das nächste Glas Wein.