Als Cheftrainer des HSV kündigt Josef Zinnbauer an, notfalls Spieler von der U23-Auswahl hochzuziehen, wenn es mit den Profis nicht läuft. Bereits am ersten Tag bat der neue Coach Nachwuchs-Kicker zum Profi-Training.
Hamburg. Es war noch dunkel, als Josef Zinnbauer sein Auto kurz vor sieben Uhr vor der Imtech Arena parkte. Der offizielle Dienst als Profitrainer des HSV begann mit der ersten Trainingseinheit zwar erst um zehn Uhr, doch die Zeit bis zu seinem ersten Bundesligaspiel gegen den FC Bayern (Sa, 15.30 Uhr) will genutzt werden. „Ich bin in Hamburg sehr akribisch geworden“, sagte Zinnbauer bei seiner offiziellen Vorstellung. „Wenn man hier arbeitet, sollte man sich auch ins Zeug legen.“
Erst um halb zwei Uhr nachts sei der Coach am Vortag ins Bett gekommen, nachdem er am Dienstag ganz kurzfristig erfahren habe, dass er die Nachfolge von Mirko Slomka antreten soll: „Es kam überraschend für mich. Um 13.30 Uhr habe ich eine SMS von Dietmar Beiersdorfer bekommen, in der er mich für 14.15 Uhr zu ihm ins Büro bestellt hat. Da hat er mir mitgeteilt, dass ich die Profis übernehmen soll.“
Am Mittwoch marschierte Zinnbauer dann eine halbe Stunde später als geplant mit seinen Assistenten Patrick Rahmen und Stefan Wächter erstmals auf den Trainingsplatz. Zwischen den Übungen, die Zinnbauer vor rund 600 Zuschauern immer wieder unterbrach, um seine Vorstellungen deutlich zu machen, versammelte er seine Spieler mehrfach im Kreis, um Ansprachen zu halten. Schließlich solle er die Mannschaft in erster Linie „emotionalisieren“, hatte Beiersdorfer am Vortag beim nicht mal einstündigen Einstellungsgespräch in Auftrag gegeben.
Zinnbauer selbst charakterisierte sich als „sehr leidenschaftlich an der Seitenlinie, diszipliniert und erfolgshungrig“. Die neue Aufgabe reize ihn natürlich, er gehe aber auch mit viel Respekt an die Sache heran. „Es motiviert doch jeden Trainer, vor 50.000 statt vor 500 Zuschauern zu spielen“, sagte der gebürtige Oberpfälzer. Gegen die Bayern werden in der Imtech Arena noch ein paar Tausend mehr sein. Zinnbauer hadert aber nicht mit dem undankbaren Auftakt, ihm kommt der Rekordmeister sogar gelegen. „Niemand traut uns etwas zu, es ist doch nichts einfacher, als jetzt gegen die Bayern zu spielen.“ Chancenlos sieht er seine Mannschaft nicht. Die Qualität der Einzelspieler sei da, nur der Auftritt als Mannschaft habe nicht gepasst. Das Problem liege somit eher im Kopf.
Taktisch und personell ließ sich der Fußballlehrer ein wenig in die Karten schauen: Mit Tolgay Arslan, der neben Valon Behrami im defensiven Mittelfeld waltete, und Heiko Westermann in der Innenverteidigung stellte er zwei neue Leute im Vergleich zum Hannover-Spiel in die A-Elf. Cléber und Julian Green mussten genauso wie Torwart René Adler im Abschlussspiel in der B-Elf auflaufen. Doch vor Rückschlüssen warnte Zinnbauer. „Ich habe meinen Spielern sofort gesagt, dass ihr rotes Leibchen nicht viel zu bedeuten hat. Auch bei der U23 habe ich oft noch zwei, drei Spieler aus der Startelf des Abschlusstrainings ausgetauscht, wenn sie sich dort nicht gut präsentiert hatten.“ Bei der Frage über die Nummer eins will sich Zinnbauer zunächst mit Torwarttrainer Wächter beraten.
Durchgreifen von Beginn an
Der so erfolgreiche Nachwuchs, der die Regionalliga Nord mit acht Punkten Vorsprung anführt, wird in Zukunft wohl eine bedeutendere Rolle einnehmen. Tolgay Cigerci, Ashton Götz und erstmals auch Ronny Marcos verstärkten die Profis – nicht bloß zum Auffüllen des Kaders, wie Zinnbauer deutlich machte. „Da kenne ich kein Pardon: Wenn es mit den Profis nicht läuft, ziehe ich Spieler hoch. Da weiß ich, was ich von jedem Einzelnen erwarten kann“, sagte der 44-Jährige. Wie ernst Zinnbauer das meinte, zeigte sich am Nachmittag, als ihm offenbar die Einstellung Behramis nicht gefiel und er den Schweizer kurzerhand aus dem Trainingsspiel nahm.
Was von dem HSV mit seinem neuen Coach sonst erwartet werden kann, machte Zinnbauer auf der Pressekonferenz schnell klar. Er strebe dominanten Fußball und viel Ballbesitz an, halte die Zügel gerne in der Hand. Vielleicht nicht unbedingt gegen die Bayern, aber grundsätzlich liege ihm Konterfußball fern. Damit tritt der ehemalige Zweitligaprofi eher in die Fußstapfen seines Vorvorvorgängers Thorsten Fink, der den HSV mit dieser Philosophie 2013 auf Platz sieben führte. Mirko Slomka wollte zugunsten eines schnellen Umschaltens auf viel Ballbesitz verzichten. Aber der Erfolg blieb aus.
Möglichst schneller Erfolg ist für Zinnbauer aber unabdingbar, schließlich arbeitet er nur auf Bewährung bei den Profis. Zinnbauers Vertrag als U23-Coach beim HSV läuft noch bis 2016, über eine Anpassung habe er noch nicht gesprochen. „Meine Priorität liegt woanders, sicher nicht beim Geld. Aber natürlich ist mir bewusst, dass Beiersdorfer nach vier Niederlagen in Folge einen neuen Trainer suchen wird, das würde ich ja an seiner Stelle genauso machen.“
Zinnbauers ehemaliger Mannschaftskamerad aus Mainzer Zweitligazeiten, Jürgen Klopp, hatte ihm eine Karriere als Bundesligacoach übrigens schon vor einigen Jahren prophezeit, als Zinnbauer noch beim KSC beschäftigt war. Bei einem Trainingslager scherzte Dortmunds Übungsleiter, dass die blindesten Spieler oft zu guten Trainern werden, wie man an ihnen beiden sehen würde. Mit einem Augenzwinkern äußerte sich Klopp am Dienstag denn auch zur Beförderung seines Mitspielers aus der Saison 1995/96. „Er war der erste Mensch, den ich kannte, der drei Handys hatte. Und ich hatte noch gar keins.“ Zinnbauers direkter Konter am Mittwoch: „Kloppo war damals ja auch noch nicht der Typ, der sich heute an der Seitenlinie so aufregt. Er war ein ganz ruhiger Vertreter, der einfach kein Handy gebraucht hat.“