Hey, Joe! „Wir zwei Blinden...“ BVB-Coach Jürgen Klopp kennt den neuen HSV-Trainer noch aus Mainzer Tagen. Josef Zinnbauer verriet jetzt, was Klopp ihm riet.

Hamburg. Ein Blitzgewitter im Presseraum. Es dauert ein wenig ehe der neue Trainer des HSV, Josef Zinnbauer, Platz nehmen kann. „Als Trainer bin ich sehr akribisch und erfolgshungrig“, beginnt der bisherige U23-Coach des Bundesliga-Tabellenletzten am Mittwoch die Pressekonferenz.

Vor der neuen Aufgabe habe der Slomka-Nachfolger Respekt, geht die neue Herausforderung aber auch mit Freude an. Von der ersten Einheit am Morgen mit der Mannschaft habe er einen guten Eindruck bekommen. Schon um kurz vor sieben Uhr morgens war der 44-Jährige an seinem ersten Arbeitstag als Chefcoach am Hamburger Volkspark vorgefahren. „Die Türen waren zugesperrt, aber ich habe einen Schlüssel“, sagte er mit einem Lächeln.

Auf die Frage, ob sein Vertrag angepasst worden sei, antwortete Zinnbauer, dass die Prioritäten derzeit eher auf das Spiel gegen den FC Bayern München, am kommenden Sonnabend, liegen. Zu seinem Debüt auf der Trainerbank gegen den deutschen Fußball-Rekordmeister sagte Zinnbauer: „Alle rechnen damit, dass wir verlieren. Keiner traut uns etwas zu. Von daher können wir mit breiter Brust reingehen.“

Der neue Trainer hat nach eigenen Angaben das Spiel gegen Köln im Fernsehen verfolgt, das Spiel gegen Paderborn im Stadion. Zinnbauer: „Ich kenne die Mannschaft schon ein bisschen. Wichtig ist aber, was die Mannschaft kann.“ Man müsse vor allem an der Einstellung arbeiten. „Ich glaube nicht, dass es an der Qualität der einzelnen Spieler liegt. Vielmehr an der Qualität als Mannschaft.“

Zu seinem Konzept sagte Zinnbauer: „Ich stehe für Dominanz auf dem Platz, für Ballbesitz und erfrischenden Fußball.“ Wobei gleich im ersten Spiel dieses Konzept wohl nicht greifen wird. „Im Spiel gegen die Bayern, vielleicht die beste Mannschaft der Welt, zählt nicht das Ergebnis sondern die Art und Weise, wie die Mannschaft auftritt. Ist doch klar, dass wir dort noch nicht das Konzept umsetzen können.“

Wie schon die zuschauenden Fans wünschte auch Jürgen Klopp seinem Weggefährten Zinnbauer viel Glück. „Wir haben ein Jahr lang in Mainz zusammengespielt. 'Joe' war damals der erste Mensch, den ich kannte, der schon drei Handys hatte. Ich hatte da selbst noch gar keins“, sagte der Trainer von Vize-Meister Borussia Dortmund nach dem 2:0-Auftaktsieg in der Champions League gegen Arsenal London.

Darauf konterte Zinnbauer auf der PK: “Kloppo hatte damals nur ein Handy, war ja auch noch ruhiger. Wenn er heute so ruhig wäre, wie damals, würde er nicht auf die Tribüne müssen.“ Gleichzeitig lobte er aber auch die Arbeit seines Kollegen. “Jürgen ist sicherlich einer der besten Trainer auf dem Markt.“

Der BVB-Erfolgscoach ist ein prominentes Beispiel dafür, dass Interimslösungen zu einer Dauereinrichtung werden können. Auch der 47-Jährige hatte 2001 als Übergangstrainer bei Mainz 05 seine Karriere begonnen. Weitere renommierte Bundesligatrainer wie Thomas Schaaf, Thomas Tuchel, Markus Gisdol und Christian Streich rückten als Nachwuchsbetreuer in die erste Reihe vor.

Künftig könnten auch öfters Spieler aus der U23 im Profikader auflaufen. „Ich habe meiner Mannschaft (der U23, Anmerkung der Red.) gesagt, das ist eine Chance für mich, aber auch eine Chance für Euch. Das habe ich auch der Mannschaft heute gesagt. Wenn es oben nicht gut läuft, werde ich nicht zögern und Spieler aus der U23 raufholen.“ Gleich beim ersten Training waren dann auch Ronny Marcos, Tolgay Cigerci und Ashton Götz dabei.

Es wird schwieriger sein, zu erkennen, wer am Spieltag auf dem Platz stehen wird. Die „orangen Leibchen“ hätten nichts mehr zu bedeuten, so Zinnbauer. „Es kann immer noch mal passieren, dass ich die A-Elf nach dem Training noch mal austausche. Das letzte Training ist nicht entscheidend.“

Erste Trainingseinheit mit Zinnbauer

Es bleibt also abzuwarten, wie die Mannschaft gegen den Deutschen Rekordmeister auftreten wird. Natürlich darf der Trainer-Nobody gegen die Bayern verlieren, aber danach wird die HSV-Führungsriege um Beiersdorfer genau beobachten, wie sich die Mannschaft weiterentwickelt. Und das Programm der nächsten Wochen ist happig: Nach den Bayern muss der HSV nach Mönchengladbach, danach stehen das Heimspiel gegen Frankfurt und die Auswärtspartie in Dortmund an.

Es heißt, Zinnbauer fordere viel von seinen Spielern, gebe aber auch viel zurück. Nach einer halbstündigen Begrüßung der Mannschaft hinter verschlossenen Türen betrat Zinnbauer unter dem Applaus der Fans am Morgen den Trainingsplatz vor der Arena. Zum Einstieg ließ der 44-Jährige gleich den Ball laufen, nur am Fuß hatten die Spieler die Kugel zunächst nicht: Wie Basketballer dribbelten sie über den Platz, anschließend köpften sie sich die Bälle zu.

„Nur ein Kontakt, meine Herren“, rief Zinnbauer und machte mit lauten Ansagen gleich klar, wer der neue Chef ist. „Da muss Tempo rein!“ Auch in den ersten Kombinationsübungen legte Zinnbauer Wert auf schnelle Aktionen, während er, die Hände auf dem Rücken verschränkt, über den Platz marschierte. Im ersten Trainingsspiel unter dem neuen Coach standen der frühere Kapitän Heiko Westermann und Torwart Jaroslav Drobny in der vermeintlichen A-Elf. Drobny hatte im vergangenen Spiel gegen Hannover 96 René Adler aus dem Tor verdrängt. „Das heißt bei mir aber nichts“, sagte Zinnbauer.

Der 44-Jährige wurde im Sommer vom ehemaligen Sportdirektor Oliver Kreuzer als Nachfolger des erfolglosen Rodolfo Cardoso für den Bundesliga-Unterbau geholt. Zuvor coachte er die fünftklassige U23 des Karlsruher SC. Vor fünf Monaten machte er seine Lizenz als Fußballlehrer. Beim FSV Mainz 05 spielte er gemeinsam mit den heutigen Profi-Trainern Jürgen Klopp und Torsten Lieberknecht. „Kloppo hat mal gesagt, wir zwei Blinden können nicht Fußball spielen, aber vielleicht packen wir es ja als Trainer“, sagte Zinnbauer.