Das Mittelfeld-Juwel holt zum Rundumschlag aus und kritisiert van der Vaart und Jarchow heftig. Calhanoglu informierte die HSV-Bosse bereits vor den Relegationsspielen über seinen Wechselwunsch.

Hamburg. „Luftpumpe“, „Heuchler“, „Verräter“: Für die HSV-Fans ist das Maß voll. Nachdem Hakan Calhanoglu seinem Wechselwunsch zu Bayer Leverkusen drastisch Nachdruck verliehen hat, richtete sich der Zorn der Anhänger bei Facebook und Co. auf ihren einstigen Liebling. Eine Zukunft des Hoffnungsträgers in Hamburg ist nach seinen jüngsten Aussagen kaum noch vorstellbar. Der Mittelfeldspieler äußerte sich inzwischen bei Facebook auf die scharfe Kritik der Fans. „Bitte habt Verständnis für meinen großen Ehrgeiz. Ich will unbedingt Champions League spielen. Eine schwere Verletzung später habe ich diese Chance vielleicht nicht mehr“, schrieb Calhanoglu.

Das Mittelfeld-Juwel, das unbedingt gehalten werden soll, forciert trotz eines laufenden Vertrages bis 2018 seinen sofortigen Abschied. „Ich möchte den HSV definitiv verlassen. Meine Perspektive für die kommende Saison sehe ich ganz klar bei Bayer Leverkusen“, sagte der 20-Jährige in einem Interview mit der Sport Bild.

Bereits vor den entscheidenden Relegationsspielen im Abstiegskampf gegen die SpVgg Greuther Fürth (0:0, 1:1) habe er Vorstandschef Carl Jarchow und Sportdirektor Oliver Kreuzer über seinen Wechselwunsch informiert: „Ich habe ihnen gesagt, dass ich gehen will – egal, ob wir in der ersten oder zweiten Liga spielen. Dass ich international spielen und meine Eltern glücklich machen möchte“.

Das Hamburger Führungsduo habe auf seine Ankündigung „geschockt“ reagiert: „Das hatten sie nicht erwartet, denn für sie war ich immer der kleine, ruhige Hakan.“ Calhanoglu hatte seinen Vertrag bei den Hanseaten erst im Februar bis 2018 verlängert – auch um ein „Zeichen zu setzen“, wie er damals sagte. Seinen Meinungswandel begründete er mit mangelnder Perspektive. „Ich bin mit großer Hoffnung hierher gekommen, aber ich habe sie verloren“, sagte der Deutsch-Türke.

Scharfe Kritik an Jarchow und van der Vaart


Der HSV wollte eigentlich um Calhanoglu eine neue Mannschaft aufbauen und stellte eine erneuten Gehaltserhöhung in Aussicht. Doch nun bahnt sich ein Wechsel zum Ligakonkurrenten nach Leverkusen an. „Es geht mir nicht ums Geld. Und mit meinen 20 Jahren kann man doch keine Mannschaft um mich herum aufbauen. Das kann man machen, wenn ich 24 oder 25 bin. Ich brauche selbst gute Leute an meiner Seite“, äußerte sich der Freistoßspezialist kritisch über die Pläne der HSV-Verantwortlichen.

Einmal in Fahrt holte Calhanoglu gleich zum großen Rundumschlag aus. Vor allem das Verhalten von Jarchow, der mit Zeitungsreportern gewettet haben soll, dass Calhanoglu auch im Falle eines Abstiegs beim HSV bleiben werde, bezeichnete er als „respektlos“.

Kapitän Rafael van der Vaart kritisierte seinen schussgewaltigen Mitspieler zuletzt wegen der öffentlich ausgetragenen Wechselgerüchte. Calhanoglu hat dafür nur wenig Verständnis: „Er sollte nicht vergessen, was er damals mit dem Valencia-Trikot abgezogen hat.“ Um einen Wechsel nach Spanien zu forcieren, ließ sich der Holländer 2007 im Trikot des FC Valencia fotografieren.

Calhanoglu setzt den HSV unter Druck


Die sportliche Talfahrt und das immer größer werdende Chaos im Verlauf der Saison habe in ihm den Wunsch geweckt, in ein ruhigeres Umfeld zu wechseln. Dieses sieht Calhanoglu in Leverkusen: „Ich sehe eine Mannschaft, die seit Jahren ruhig und erfolgreich ihren Weg geht.“ Vor allem die zahlreichen Trainerwechsel beim HSV missfielen dem Mittelfeldspieler. „Für mich als junger Spieler war das schwer wegzustecken“, sagte er.

Bei Bayer ist er sich sicher, seinen Ziele ein Stück näherzukommen: „Ich will einfach auch so weit kommen wie Cristiano Ronaldo oder Messi. Ich will auch ein Weltstar werden, über den alle sprechen. Allein, wenn ich an die Musik der Champions League denke, kribbelt es in mir.“

Für Calhanoglu ist sein Wechselwunsch moralisch völlig in Ordnung: „Ich gebe dem HSV viel zurück.“ Er habe „sehr gute Leistungen“ gezeigt und würde dem Verein bei einem Abgang „mindestens zehn Millionen mehr“ einbringen, als die 2,5 Millionen Euro, für die er vor der Saison vom Karlsruher SC gekommen war.

Calhanoglu setzt den HSV unter Druck, sollte sich der Verein querstellen und auf Einhalten des bis 2018 gültigen Vertrages pochen. „Ich weiß nicht, ob ich weiter so locker und leicht spielen könnte. Ich will nicht, dass sie eine Mauer um meine Karriere bauen“, sagte er. Angesichts dieser Aussagen scheint ein Verbleib des HSV-Juwels nahezu ausgeschlossen.

Wechselt der Fürther Azemi zum HSV?


Für Trainer Mirko Slomka und Kreuzer dürften die Aussagen ein Schock sein. „Er wird definitiv HSV-Spieler bleiben“, hatte Kreuzer am Montag gesagt. Calhanoglu sollte das neue Gesicht des HSV werden. Um ihn wollten die Verantwortlichen ein Team zusammenstellen, das nicht nur gegen den Abstieg kämpft. Schließlich bleibt die Leihgabe Pierre-Michel Lasogga auch nicht an der Elbe.

Wie der neue HSV aussehen soll, ist völlig offen. Schließlich steht auch in der Klubführung bei der Umsetzung der Reforminitiative „HSVPlus“ eine Zäsur an. Die Kaderplanung wird bei diesem Chaos zu einer schier unmöglichen Aufgabe.

Zudem wird der Gehaltsetat um fünf Millionen Euro auf 38 Millionen Euro gekürzt. Junge, hungrige Spieler sollen kommen. „Wir brauchen neue Gesichter“, sagte Slomka. Angreifer Ilir Azemi aus Fürth ist im Gespräch. Die Topverdiener Kapitän Rafael van der Vaart und der derzeit verletzte Torwart René Adler werden aber wohl bleiben – Calhanoglu eher nicht.