Hakan Calhanoglu will den HSV sofort Richtung Leverkusen verlassen – Lasogga verabschiedet sich – auch van der Vaart steht auf der Verkaufsliste.
So eine Rettung in letzter Sekunde muss ja ordentlich begossen werden, zumal ein kleines Gelage auch den Vorteil mit sich bringt, dass die Erinnerung an die vielen negativen Erlebnisse noch etwas schneller verblasst. Tolgay Arslan und Hakan Calhanoglu gelang es nach der Ankunft der Chartermaschine in Hamburg nach dem 1:1 gegen Greuther Fürth am intensivsten, die Zittersaison zu verabschieden. Bis sechs Uhr morgens hielten es die beiden Youngster in der Embassy Bar in Pöseldorf aus, wo die Mannschaft zusammen gefeiert hatte.
Nach einer kurzen Schlafeinheit war sechs Stunden später für Calhanoglu, Arslan & Co. noch ein letzter offizieller HSV-Termin angesetzt. Gemeinsames Frühstück im Kabinentrakt, Trainingspläne verteilen – und tschüs, so lautete zumindest der Plan für einen ruhigen, versöhnlichen Übergang in die vierwöchige Urlaubsphase.
Als Mirko Slomka („Meine schwierigste und härteste Aufgabe“) und Oliver Kreuzer („Ein unglaubliches, intensives Jahr“) um elf Uhr gemeinsam die Saison bilanzierten, kam ein wenig Aufbruchstimmung in eine bessere Zukunft auf, auch wenn der Sportchef ankündigen musste, dass der Profi-Etat von knapp 43 auf 38 Millionen Euro schrumpfen soll. „Die neue Mannschaft braucht neue Impulse, neue Reizpunkte, neue Gesichter“, kündigte Kreuzer einen Umbau an. Der Gedanke, dass diese Transfers womöglich mit einem Verkauf Calhanoglus zu finanzieren seien, kam ihm in diesem Zusammenhang jedoch nicht, im Gegenteil. Kreuzer wiederholte den Standpunkt des Vereins: „Hakan hat Anfang des Jahres seinen Vertrag um zwei Jahre verlängert. Er wird definitiv HSV-Spieler bleiben.“
Das Werben von Leverkusen um den Freistoßspezialisten, der mit elf Toren und vier Vorlagen zu den wenigen Aufsteigern beim HSV gehört, ist jedoch seit einiger Zeit bekannt. Erst in der vergangenen Woche hatte Calhanoglus Berater Bektas Demirtas via „Bild" verkündet, dass Bayer der nächste, richtige Karriereschritt für seinen Klienten sei. Jetzt, nach dem Klassenerhalt, bestätigte der 20-Jährige die Beraterversion: „,Ich spiele gerne für Hamburg, aber ich möchte, dass der HSV meine Wünsche erfüllt. Mein Berater hat gesagt, dass ich gerne nach Leverkusen gehen würde. Das stimmt. Ich will in der Champions League spielen. Aber wenn der HSV sagt, ich muss bleiben, bleibe ich.“
Mit einer Ablösezahlung zwischen zehn und zwölf Millionen Euro könnten die Hamburger rechnen, sollten sie das derzeit beste Talent im Team vorzeitig aus seinem bis 2018 laufenden Vertrag ziehen lassen. Im Februar, kurz nach seiner Verlängerung, hatte Calhanoglu noch gesagt, dass er ein Zeichen setzen wolle. Nun gibt er wieder ein Signal, diesmal aber für beginnende Absatzbewegungen: bloß weg hier.
Anders als der Deutschtürke vermied es Pierre-Michel Lasogga, sich klar pro HSV zu positionieren. Doch war es zwischen den Zeilen deutlich herauszuhören, dass er seinen Auftrag in Hamburg als erfüllt ansieht und nun das Ziel in Angriff nimmt, seine persönlichen Wünsche zu realisieren. „Seit ich Fußball spiele, ist es mein Traum, in der englischen Premier League zu spielen“, befeuerte Lasogga die Vermutung, der in Berlin noch ein Jahr unter Vertrag stehende Stürmer würde auf die Insel wechseln.
Mit Newcastle United soll es bereits Gespräche gegeben haben. Doch auch Wolfsburg bleibt eine Option. Sein neuer Berater Didier Frenay brachte schließlich schon Kevin de Bruyne und Ivan Perisic bei den Niedersachsen unter. Beim HSV gibt es keine Hoffnung mehr auf einen Verbleib des 22-Jährigen, ohne dessen 13 Tore jetzt der Wiederaufbau in der Zweiten Liga beginnen müsste. „Heute habe ich hier meinen letzten Tag, alles andere werde ich in den nächsten Tagen und Wochen entscheiden“, sagte Lasogga noch, bevor er sich von Robert Tesche (dessen Vertrag ebenso ausläuft wie der von Tomas Rincon) vom HSV-Gelände chauffieren ließ. Und tschüs.
Apropos tschüs. Lange vor Lasogga hatte Rafael van der Vaart bereits um 12.22 Uhr als erster HSV-Profi seinen Parkplatz geräumt. Längst ist es kein Geheimnis mehr, dass der HSV seinen Topverdiener (3,5 Millionen Euro) gerne loswerden würde, was aber nicht in erster Linie finanzielle, sondern sportliche Gründe hat. Wenn es ein Gesicht des Beinahe-Niedergangs beim HSV gibt, dann das von van der Vaart. Ob sein Körper noch in der Lage ist, eine intensive Vorbereitung zu überstehen, ist äußerst zweifelhaft. Anders als bei Calhanoglu klang das Bekenntnis zum Niederländer aus dem Mund Kreuzers eher wachsweich: „Er hat noch ein Jahr Vertrag. Stand heute gehe ich davon aus, dass er bei uns bleibt.“
Ein Jahr Vertrag hat auch noch Marcell Jansen, der aber für fünf Millionen Euro sofort wegkönnte. „Es gab immer nur auf die Fresse, immer nur Druck, irgendwann soll Fußball ja auch wieder Spaß machen. Über meine persönliche Situation habe ich mir aber noch keine Gedanken gemacht“, sagte Jansen, der seit 2008 für Hamburg spielt, am Montag. „Der HSV ist immer mein erster Ansprechpartner, aber man muss das erst mal sacken lassen.“
Anders als Jansen hat Roger Stilz die Entscheidung über seine Zukunft bereits getroffen. Beim Frühstück verkündete der einst von Thorsten Fink verpflichtete Co-Trainer seinen Entschluss, den Verein mit Vertragsablauf zu verlassen: „Ich möchte einen anderen Weg einschlagen“, so Stilz, „aber ich habe beim HSV lehrreiche Monate erlebt, von denen ich keine Sekunde missen möchte.“ In Kürze wird er bei einem anderen Club anheuern.
Immerhin, bei all den möglichen, wahrscheinlichen und sicheren Abgängen gab es für Kreuzer auch erste Signale von möglichen „Rückläufern“. „Per Skjelbred wird zu uns zurückkehren, bisher gab es keine Kontaktaufnahme“, sagte der Sportchef über den Norweger, der im Wechsel mit Lasogga in dieser Saison bei Hertha gespielt hatte. Stand Montag werden auch Artjoms Rudnevs (nach Hannover verliehen) und Gojko Kacar (Cerezo Osaka) zumindest vorerst wieder zur HSV-Familie gehören – wie auch René Adler, über den es zuletzt immer Wechselgerüchte gab. Doch der Torwart, der wegen seines Bandscheibenvorfalls diese Woche zur Physiotherapie in München weilt, wird auch kommende Saison im HSV-Tor stehen, glaubt Kreuzer. Bleibt am Ende bloß noch zu klären, ob der Sportchef selbst seinen Vertrag bei den Hamburgern erfüllen darf.