Trainer Mirko Slomka war nach der 1:2-Pleite in Hannover „sehr enttäuscht“, reagierte am Sonntag mit einer „knallharten Videoanalyse“. Gute Nachrichten gab es immerhin von der „Krankenstation“.

Über seine Gefühle wollte Mirko Slomka nicht weiter reden. „Was soll ich noch sagen? Ich bin enttäuscht, das reicht doch“, polterte der Fußball-Lehrer des Hamburger SV nach seiner völlig misslungenen Rückkehr nach Hannover. Und nach einer kleinen Pause schob der ehemalige 96-Trainer noch zwei schwer einzuordnende Worte hinterher: „Enttäuscht genug.“

Ausgerechnet bei dem Verein, bei dem er insgesamt 16 Jahre arbeitete, stolperte sein neuer Klub mit einer phasenweise indiskutablen Leistung einen weiteren Schritt Richtung Bundesliga-Abstieg. „Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass wir so auftreten“, meinte Slomka genervt. „Wir waren ein bisschen überrascht.“ Seine ehemaligen Spieler „haben unser Mittelfeld quasi überlaufen. Wir haben uns nicht darauf eingestellt“, gab der HSV-Trainer zu. Der 46-Jährige fühlte sich sichtbar unwohl auf dem Podium, auf dem er bis zum Dezember fast vier Jahre lang im Shirt des 96-Cheftrainers Platz genommen hatte.

Am Tag nach der Niederlage stellte der Coach sein Programm um. Noch vor dem Auslaufen beorderte er seine Spieler „zu einer knallharten Videoanalyse“, wie der Verein es auf seiner Internetseite selber nannte.

Die Leistungen vom Sonnabend zugrunde gelegt, wird es für Slomka in der kommenden Saison keine Rückkehr nach Hannover geben – denn dann spielt der HSV in der 2. Liga. Zu desillusionierend war die siebte Auswärtspleite des HSV in Serie zustande gekommen, zu bedrohlich ist die Lage für den Bundesliga-Dino. „Das ist ein bitteres Ergebnis. Jetzt ist Hannover weit weg und wir sind tief im Keller“, sagte Slomka. Platz 16 lautet die bittere Realität nach 30 Spieltagen.

Extrem „pomadig und naiv“, so Sportdirektor Oliver Kreuzer, waren die Hanseaten im Keller-Duell zu Werke gegangen, so als hätten sie den Ernst der Lage noch immer nicht begriffen. „Die Leistung ist für mich völlig unverständlich“, sagte Kreuzer: „Warum das so ist, muss man die Spieler fragen. Ich kann das nicht beantworten.“ Der Sportdirektor, der zweimal mit Trainerwechseln die Wende versucht hat, wirkte wie Slomka ratlos: „Was soll ich sagen?“

Slomkas Nachfolger bei Hannover, Tayfun Korkut, hatte den HSV-Trainer ausgetrickst, die 96-Taktik umgestellt und Kapitän Lars Stindl erstmals als hängende Spitze eingesetzt. Der Kniff funktionierte. Hannover kaufte dem HSV von Beginn an den Schneid ab und ging durch den überragenden Kapitän früh in Führung (9.).

„Jeder zweite Ball landete beim Gegner“, sagte HSV-Nationalspieler Heiko Westermann: „Wir sind zu keiner Sekunde ins Spiel gekommen.“ Eine stichhaltige Erklärung, warum es auswärts so gar nicht läuft, konnte niemand abliefern. „Wir sind emotionaler, zweikampfstärker, wenn das Stadion lauter ist“, meinte Hakan Calhanoglu, der mit seinem Freistoßtreffer zum 1:1 (48.) für kurze Hoffnung bei den Gästen sorgte. Doch Didier Ya Konan machte vor 49.000 Zuschauern den verdienten Sieg der 96er perfekt (86.).

„Ich habe keine Angst, wir steigen nicht ab“

Allein der starke Keeper René Adler verhinderte Schlimmeres. In 26 Partien musste Adler schon 50 Gegentore hinnehmen. „Ich schaue gar nicht auf die Statistik, für mich ist es wichtig, die Klasse zu halten und Egoismen beiseitezulassen“, sagte er im ZDF-„Sportstudio“. Er werde bis zur letzten Sekunde „jede Faser seines Körpers dafür geben, erstklassig zu bleiben“.

„Ich habe keine Angst, wir steigen nicht ab“, sagte Hoffnungsträger Calhanoglu, doch die Situation ist bedrohlicher denn je. Bei verbleibenden Heimspielen gegen Champions-League-Anwärter VfL Wolfsburg und Triple-Sieger Bayern München wird es für den HSV richtig eng. Zudem stehen mit Heiko Westermann und Rafael van der Vaart zwei Profis mit muskulären Problemen auf der Kippe, Topstürmer Pierre-Michel Lasogga wird mit seiner Oberschenkelverletzung weiter fehlen. Auch Adler (Knie) ging verletzt aus der Partie gegen Hannover.

„Wir haben die Situation angenommen“

„Wir werden die Mannschaft wieder aufrichten“, sagte Slomka, bevor er seine alte Heimat frustriert verließ. „Wir haben auch vorher schon Niederlagen wie in Gladbach erlitten und sind zurückgekommen“, sagte Slomka und gab die Durchhalteparole aus: „Weiterkämpfen!“ Etwas anderes bleibt dem HSV auch nicht übrig.

Die 96er verschafften sich mit der beeindruckenden Vorstellung Luft. „Es war eine sehr schwierige Woche für die Mannschaft und den gesamten Verein“, sagte Trainer Tayfun Korkut: „Aber wir haben die Situation angenommen. Von der ersten Sekunde an haben wir gezeigt, dass wir den Sieg unbedingt wollten.“ Nach dem Spiel konnten sich die Verantwortlichen der 96er auf die Schultern klopfen. Das Trainingslager in Harsewinkel-Marienfeld (Ostwestfalen) hatte nach vier Niederlagen in Serie offenbar neue Kräfte freigesetzt, das Vertrauen in Korkut zahlte sich aus.

„Wir wollten die Spieler aus dem Konfliktfeld in Hannover herausnehmen und in Ruhe arbeiten lassen“, sagte Präsident Martin Kind zufrieden. Die Maßnahme war eindeutig gelungen.

Entwarnung bei Westermann und Adler

Immerhin gab es am Sonntag dann auch wieder einigermaßen gute Nachrichten für den HSV: Die Verletzungen von René Adler und Heiko Westermann sind weniger schlimm als zunächst befürchtet. Der Torhüter und der Verteidiger werden nach Angaben des HSV am kommenden Sonnabend gegen den VfL Wolfsburg spielen können.

Adler erlitt in Hannover eine Knieprellung. Westermann werde wegen seiner Adduktorenprobleme in den kommenden Tagen kürzertreten, sei aber guter Hoffnung, rechtzeitig fit zu werden, schrieb der HSV auf seiner Internetseite. Offen ist der Einsatz von Rafael van der Vaart, der sich in Hannover eine Zerrung zuzog. Der Kapitän wird noch eingehender untersucht. Länger auszufallen droht Torjäger Pierre-Michel Lasogga. Der 22-Jährige laboriere an einem Muskelfaserriss und nicht nur an einer Zerrung, hatte Sportdirektor Oliver Kreuzer in Hannover erklärt.