Der HSV verliert auch weiterhin in der Ferne. In Hannover gab es nach einer schwachen Vorstellung eine 1:2-Niederlage. Calhanoglu glich zwischenzeitlich zum 1:1 aus. Doch die Niedersachsen sorgten in der Schlussphase für die Entscheidung.

Hannover. Mirko Slomka hatte es nach der Rückkehr in sein „altes Wohnzimmer“ so richtig die Laune verhagelt. „Ich bin enttäuscht, sehr enttäuscht“, sagte der Trainer des Hamburger SV und machte dann mit zornigem Blick mehr als deutlich, dass er nicht länger über seine persönliche Gefühlslage nach der 1:2 (0:1)-Niederlage bei Hannover 96 sprechen wollte.

Mirko Slomka hat bei der Rückkehr nach Hannover eine weitere Auswärtsniederlage kassiert und muss mit dem Hamburger SV mehr denn je um den Klassenerhalt bangen. Der in der Hinrunde noch bei 96 auf der Bank sitzende Fußball-Lehrer unterlag mit den Hamburgern am Sonnabend vor 49.000 Zuschauern mit 1:2 (0:1). Die besonders in der ersten Halbzeit erschreckend schwachen Hanseaten liegen dadurch in der Tabelle der Fußball-Bundesliga nunmehr fünf Punkte hinter den Hannoveranern, die sich im Abstiegskampf etwas Luft verschafften. Für die überraschend starken 96er trafen Lars Stindl (9.) und Didier Ya Konan (86.). Für den enttäuschenden HSV erzielte Hakan Calhanoglu (48.) das Tor. „Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass wir so auftreten“, meinte Slomka genervt. Der 46-Jährige fühlte sich sichtbar unwohl auf dem Podium, auf dem er bis zum Dezember fast vier Jahre lang im Shirt des 96-Cheftrainers Platz genommen hatte.

Zu desillusionierend war die siebte Auswärtspleite des HSV in Serie zustande gekommen, zu bedrohlich ist die Lage für den Bundesliga-Dino. „Das ist ein bitteres Ergebnis. Jetzt ist Hannover weit weg und wir sind tief im Keller“, sagte Slomka. Platz 16 lautet die bittere Realität nach 30 Spieltagen.

Extrem „pomadig und naiv“ (O-Ton Sportdirektor Oliver Kreuzer) waren die Hanseaten im Keller-Duell zu Werke gegangen, so als hätten sie den Ernst der Lage noch immer nicht begriffen. Für Slomka war es die Fortsetzung einer ungewöhnlichen Serie. Der 46-Jährige hat alle Auswärtsspiele der laufenden Saison verloren, zunächst acht mit Hannover 96, nun auch noch vier mit seinem neuen Verein. Die 96-Fans hatten den seit vielen Jahren in Hannover lebenden Coach reserviert, aber ohne Pfiffe empfangen. Anschließend sah der langjährige 96-Coach, wie sein ehemaliger Club von Beginn an Druck machte und seinen derzeitigen Verein in die Defensive drückte. Der HSV kam nur ganz selten in den Strafraum der Niedersachsen, wo die Abwehr ohne den rot-gesperrten Andre Hoffmann und den verletzten Sebastien Pocognoli sicher stand.

Trotz der peinlichen Pleite im Niedersachsen-Derby gegen Schlusslicht Braunschweig wirkte die 96-Mannschaft überhaupt nicht verunsichert. Hannover attackierte stattdessen früh im Mittelfeld und spielte schnell nach vorne. Vor allem Stindl, den Slomka-Nachfolger Tayfun Korkut als hängende Spitze auflaufen ließ, stellte die Hamburger vor große Probleme. Nach zwei guten Versuchen mit dem Fuß traf der Kapitän nach einer Flanke von Edgar Prib, der für den gelb-gesperrten Szabolcs Huszti auflief, mit einem schönen Kopfball zur frühen Führung. Vorteile besaßen die Gastgeber besonders im Mittelfeld, wo sie die entscheidenden Zweikämpfe meistens gewannen. Die HSV-Abwehr mit dem letztjährigen 96-Innenverteidiger Johan Djourou hatte dadurch reichlich zu tun. Der einige Male ausgepfiffene Djourou machte dabei noch den besten Eindruck in der Hamburger Abwehrreihe, in der Heiko Westermann schon nach 17 Minuten verletzt ausfiel.

„Jeder zweite Ball landete beim Gegner“, sagte HSV-Nationalspieler Heiko Westermann: „Wir sind zu keiner Sekunde ins Spiel gekommen.“ Eine stichhaltige Erklärung, warum es auswärts so gar nicht läuft, konnte niemand abliefern. „Wir sind emotionaler, zweikampfstärker, wenn das Stadion lauter ist“, sagte Calhanoglu, der mit seinem Freistoßtreffer zum 1:1 (48.) für kurze Hoffnung bei den Gästen sorgte. Doch Didier Ya Konan machte vor 49.000 Zuschauern den verdienten Sieg der 96er perfekt (86.).

Die starken Hannoveraner versäumten es allerdings in der ersten Halbzeit, ein Tor nachzulegen. Pech hatten sie dabei insbesondere bei einem Schuss von Leonardo Bittencourt (32.), der an den linken Pfosten des Hamburger Tores klatschte. Zudem spielte Keeper René Adler als einziger HSVer richtig stark und parierte in beiden Halbzeiten bei guten Chancen der 96er, die mit zunehmender Spieldauer vorsichtiger wurden. Chancenlos war er beim Treffer von Ya Konan, der nach Vorlage von HSV-Leihgabe Artjoms Rudnevs abstaubte.

Der von Slomka als „Schlüsselspieler“ auserkorene Rafael van der Vaart spielte in Hannover wieder einmal enttäuschend. Der 31 Jahre alte Niederländer war als zentraler Mittelfeldspieler für den Spielaufbau vorgesehen, konnte sich oder seine Mitspieler aber nicht in Szene setzen und wurde zur Halbzeit ausgewechselt. Slomka brachte den Regionalliga-Spieler Mattia Maggio als zweite Spitze und schickte Hakan Calhanoglu ins zentrale Mittelfeld. Der türkische Nationalspieler war deutlich besser, nicht nur wegen seines Freistoßtores. Zuvor hatte Jacques Zoua für den erneut fehlenden Torjäger Pierre-Michel Lasogga 45 Minuten alleine im Sturmzentrum gespielt und vergeblich auf gute Anspiele gewartet.

„Ich habe keine Angst, wir steigen nicht ab“, sagte Calhanoglu nach dem Spiel, doch die Situation ist bedrohlicher denn je. Bei verbleibenden Heimspielen gegen Champions-League-Anwärter VfL Wolfsburg und Triple-Sieger Bayern München wird es für den HSV richtig eng. Zudem stehen mit Heiko Westermann und Rafael van der Vaart zwei Profis mit muskulären Problemen auf der Kippe, Topstürmer Pierre-Michel Lasogga wird mit seiner Oberschenkelverletzung weiter fehlen.

„Wir werden die Mannschaft wieder aufrichten“, sagte Slomka, bevor er seine alte Heimat frustriert verließ. Dabei musste er auch noch in breit grinsende Gesichter blicken. Denn die 96er haben sich mit einer beeindruckenden Vorstellung Luft verschafft.

„Es war eine sehr schwierige Woche für die Mannschaft und den gesamten Verein“, sagte Trainer Tayfun Korkut: „Aber wir haben die Situation angenommen. Von der ersten Sekunde an haben wir gezeigt, dass wir den Sieg unbedingt wollten.“

Nach dem Spiel konnten sich die Verantwortlichen der 96er auf die Schultern klopfen. Das Trainingslager in Harsewinkel-Marienfeld (Ostwestfalen) hatte nach vier Niederlagen in Serie offenbar neue Kräfte freigesetzt, das Vertrauen in Korkut zahlte sich aus.

„Wir wollten die Spieler aus dem Konfliktfeld in Hannover herausnehmen und in Ruhe arbeiten lassen. Die Maßnahme scheint gelungen zu sein“, sagte Präsident Martin Kind zufrieden.

Statistik:

Hannover: Zieler - Hiroki Sakai, Marcelo, Christian Schulz, Pander (83. Rudnevs) - Schmiedebach, Andreasen - Bittencourt (90.+1 Sane), Prib - Ya Konan, Stindl. - Trainer: Korkut

Hamburg: Adler - Diekmeier, Djourou, Mancienne, Westermann (17. Ilicevic) - Rincon, Arslan (88. John) - Calhanoglu, van der Vaart (46. Maggio), Jiracek - Zoua. - Trainer: Slomka

Schiedsrichter: Robert Hartmann (Wangen)

Tore: 1:0 Stindl (9.), 1:1 Calhanoglu (48.), 2:1 Ya Konan (86.)

Zuschauer: 49.000 (ausverkauft)

Beste Spieler: Bittencourt, Stindl - Adler, Calhanoglu

Gelbe Karten: - Jiracek

Erweiterte Statistik (Quelle: impire):

Torschüsse: 31:5

Ecken: 5:2

Ballbesitz: 55:45 %