Der Stürmer aus Kamerun muss gegen Bayer Leverkusen erneut den verletzten Lasogga ersetzen. Die Fans bleiben skeptisch, Sportchef Kreuzer hält dagegen.
Hamburg. Jacques Zoua? „Der kommt gleich.“ Sagt Robert Tesche, der kurz nach halb eins am Montag als einer der Letzten die HSV-Kabine verlässt. Doch gleich ist genauso relativ wie bald. Im Fußball sowieso. Und so dauert es noch länger als eine halbe Stunde, ehe Zoua, den Entdecker Thorsten Fink als „schon bald eine echte Verstärkung“ im vergangenen Sommer angepriesen hatte, tatsächlich auf dem Parkplatz vor der Geschäftsstelle an der Arena erscheint.
Der Kameruner wirkt überrascht. Normalerweise warten die Leute auf Rafael van der Vaart, Hakan Calhanoglu oder Pierre-Michel Lasogga. Aber nicht auf ihn. Doch van der Vaart und Calhanoglu sind schon lange weg, und Lasogga war gar nicht erst da. Der Torjäger wird zeitgleich im UKE mal wieder am Oberschenkel untersucht – und das ist eben auch der Grund, warum plötzlich auf Zoua gewartet wird. „Natürlich will ich helfen, wenn ich gebraucht werde“, antwortet der Afrikaner in einem radebrechendem Mix aus Englisch, Französisch und Deutsch.
Lasogga, das wird der Verein später bekannt geben, wird wegen seines dauergereizten Oberschenkels mindestens gegen Leverkusen ausfallen. Und Zoua? Er habe lange auf sein Tor warten müssen, sagt der Lasogga-Ersatz. Jetzt, nach seinem Erfolgserlebnis am Vortag gegen Gladbach (1:3), habe er endlich wieder Vertrauen in seine Fähigkeiten: „Ich bin wieder etwas – wie sagt man noch? – confident.“
Zweimal in der Woche hat Zoua Deutschunterricht, doch das Wort „selbstbewusst“ will dem introvertiertem Stürmer einfach noch nicht über die Lippen gehen. Ob man nicht auf der Fahrt in die Stadt noch etwas reden wolle, fragt der Fußballer und lädt in sein dunkles SUV-Gefährt ein. Man will. Zoua lächelt, knipst das Radio ein (Delta) und fährt los. Er wolle nach Hause nach Eppendorf, sagt der Angreifer, der sein Navigationssystem für derlei Fahrten schon lange nicht mehr braucht. „Hamburg ist eine schöne Stadt, ich fühle mich hier heimisch“, sagt Zoua, der außerhalb seiner eigentlichen Heimat Kamerun bislang lediglich in Basel gewohnt hat. „Dort hat jeder Französisch gesprochen“, sagt Zoua, „da war alles ein bisschen einfacher.“
Freund Kiki hält zu Zoua
Wie schwierig es für den bulligen Offensivallrounder in Hamburg tatsächlich werden würde, erfuhr Zoua erstmals in voller Härte vor acht Wochen. 0:3 hatte der HSV gerade gegen Hertha BSC verloren, die Fans waren enttäuscht, einige sogar sauer. Als rund 200 von ihnen die Profis auf dem Spielerparkplatz zur Rede stellen wollten, eskalierte die Situation. Zoua, der kaum ein Wort der Beschimpfungen verstand, erlitt einen Zusammenbruch. Unter Tränen musste der formschwache Torjäger zu seinem Auto gebracht werden. Die Behauptung, er wäre von einem Gegenstand am Kopf getroffen worden, konnte nicht bewiesen werden. Doch getroffen war Zoua auch so.
„Die Reaktion der Fans hat Jacques sehr zu schaffen gemacht“, sagt Kiki, ein enger Freund Zouas, der bei nahezu jeder Trainingseinheit dabei ist und auch Zeuge des Zwischenfalls nach dem Berlin-Spiel war. Kiki, der in Hamburg studiert hat und Zoua noch aus Kamerun kennt, ist so etwas Ähnliches wie Berater, Freund und Gehilfe zugleich. Der Kameruner kümmert sich um seinen Kumpel, hilft ihm beim Eingewöhnen und übernimmt auch bereitwillig die Rolle des Fürsprechers.
„Ich traue Jacques ohne Weiteres zu, dass er Lasogga ersetzen kann. Er hat nicht nur in Gladbach richtig gut gespielt, sondern auch schon in vielen Spielen zuvor, zum Beispiel gegen Nürnberg“, sagt Kiki, der eigentlich gar nicht so viel sagen will. Er wolle mehr im Hintergrund tätig sein, erklärt der Afrikaner, der sich dann aber doch ein kleines Zwischenfazit von Zouas Zeit beim HSV erlaubt: „Ich denke schon, dass man mit Jacques’ Entwicklung sehr zufrieden sein kann.“
Im Fanlager scheint man sich da nicht ganz so sicher zu sein. Zouas zwei Tore in 23 Einsätzen empfinden die meisten Anhänger als Bestätigung, dass der Nationalspieler, der noch immer auf die WM in Brasilien hofft, mehr schlecht als recht für die Bundesliga geeignet ist. Dass also ausgerechnet dieser hoffnungslos daherkommende Fußballer nun der neue Hoffnungsträger sein soll, ist für viele endgültig der Beweis für die falsche Kaderplanung.
Zu Unrecht, wie Oliver Kreuzer meint. „Jacques hat gegen Gladbach ein gutes Spiel gemacht. Er war sehr präsent, hat gekämpft, hatte einige gute Szenen, und das Tor dürfte ihm sehr guttun“, sagt der Sportchef: „Nach dem Treffer ist eine Menge Druck von ihm abgefallen.“
Zumindest in diesem Punkt gibt Zoua seinem Vorgesetzten uneingeschränkt recht. „Ja, der Treffer war wichtig für mich, auch wenn ich natürlich traurig war, dass wir als Team verloren haben“, sagt der 22-Jährige.
Zoua steuert seinen überdimensional großen Wagen über die Kieler Straße, biegt dann in die Fruchtallee ein. „Jeder Stürmer wird an Toren gemessen.“ Das Spiel gegen Gladbach habe er sich noch mal in kompletter Länge am späten Abend angeschaut. „Ich kann nach Spielen immer so schlecht einschlafen. Ich gucke mir dann meistens noch mal alles im Fernsehen an“, erklärt der frühere Basler, dessen Ehefrau Virgina erst seit einer Woche in der gemeinsamen Wohnung in Eppendorf wohnt.
„Ihr gefällt es hier schon richtig gut. Sie ist auch viel sprachbegabter als ich. Sie kann perfekt Englisch – und auch Deutsch wird sie bestimmt schnell lernen“, sagt Zoua auf Englisch. Und er selbst? Der Wahl-Hamburger zuckt mit den Schultern. „Es ist eine wirklich schwierige Sprache“, sagt er. Aber aufgeben wolle er noch nicht: „Man darf die Hoffnung nie verlieren.“