Stuttgarts Trainer Stevens kokettiert vor dem Heimspiel gegen seinen Ex-Verein HSV mit seinem Raubein-Image. Ex-HSV-Profi Reinhardt erinnert sich an die Zeit von Stevens in Hamburg.

Hamburg . Es schien, als hätte er nur darauf gewartet. Als ein Journalist bei der Vorstellung von Huub Stevens beim VfB Stuttgart am vorletzten Montag ansetzte, überdessen Charaktereigenschaften zu sprechen, fiel ihm der Trainer ins Wort: „Ich bin der harte Hund, der Knorrige.“ Doch sein anschließender Lachanfall machte deutlich, dass Stevens mittlerweile selbstironisch mit dem Bild umgehen kann, das die Öffentlichkeit über die Jahre von ihm gemalt hat. Dem war allerdings nicht immer so. In seinen eineinhalb Jahren als HSV-Trainer 2007 und 2008 hatte der Niederländer Journalisten mit Vorliebe in aller Öffentlichkeit niedergemacht. Darüber gelacht hat der „Knurrer von Kerkrade“ höchstens später hinter verschlossenen Türen.

Auch im Umgang mit den Spielern scheint Stevens ein wenig altersmilde geworden zu sein. Seit eineinhalb Wochen arbeitet der 60-Jährige nun beim VfB Stuttgart. In den ersten Tagen wirkte er locker, machte Späße und versuchte, gute Laune zu versprühen – auch bei der Arbeit mit seinen Schützlingen. „Ich habe mich eben weiterentwickelt. Früher war ich der harte Hund, heute bin ich der liebe Huub“, sagte Stevens mit einem Schmunzeln.

Doch in dieser Woche stauchte er seine Profis auch schon mal zusammen, als sie das Training schleifen ließen. Denn akribisches Arbeiten ist für Stevens unerlässlich. Einen freien Tag hat er sich beim VfB noch nicht gegönnt. Die Regeneration kam dabei offenbar zu kurz, der Fußballlehrer zog sich eine schwere Erkältung zu. Doch das hielt ihn nicht davon ab, seine Mannschaft bei kühlem Frühlingswetter auf die Begegnung gegen den HSV am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) einzuschwören. Und die profitiert offenbar vom neuen Coach. Der erste Auftritt in Bremen (1:1) unter Stevens war sehr ordentlich, Stuttgart die bessere Mannschaft. Allein eklatante Schwächen im Abschluss verhinderten einen Erfolg. Doch es wurde deutlich, dass jeder Profi auf dem Platz genau wusste, was er zu tun hatte.

„Dass ich ein Disziplinfanatiker bin, ist doch nur eine Legende, die sich seit Jahren hält“, sagte Stevens vor einiger Zeit über sein Image. Das sieht HSV-Kollege Mirko Slomka anders: „Es ist ja kein Geheimnis, dass Mannschaften unter Stevens großen Wert auf Ordnung und Disziplin legen. Er ist einfach sehr erfahren, gerade was den Abstiegskampf angeht.“

Und erfolgreich. Was Stevens im ersten halben Jahr als Nachfolger von Thomas Doll beim HSV geleistet hat, nötigt auch seinen Kritikern heute noch Respekt ab. Auf Platz 18 übernahm er im Februar 2007 eine völlig verunsicherte Mannschaft und führte sie mit 30 Punkten aus den letzten 15 Spielen auf Platz sieben. Der damalige Verteidiger Bastian Reinhardt erinnert sich: „Huub hat vom ersten Tag an das Training verschärft. Jede Einheit war extrem intensiv. Am Anfang dachten nicht wenige, dass das nicht gut geht. Dienstags mussten wir richtig ackern, da standen Zweikämpfe, Lauf- und Krafttraining auf dem Plan. Und nachmittags folgten Spielformen – mit schweren Beinen. Ich dachte eine Zeit lang, dass unter der Belastung die Muskeln irgendwann reißen würden und wir noch mehr Verletzte hätten. Aber das Gegenteil war der Fall. Nach knapp einem Monat waren wir uns alle einig: Genau das hatten wir gebraucht. Körperlich, aber vor allem für den Kopf.“

Auch Stevens’ natürliche Autorität habe dem Team damals geholfen, aus dem Tief herauszukommen. „Der Trainer hat sofort die Regeln intern angezogen“, so Reinhardt weiter. „Vor allem aber hat er sie bedingungslos durchgesetzt, was bis dahin nicht immer so war. Handys waren in der Kabine verboten – für alle. Egal ob es ein van der Vaart oder ein Nachwuchsspieler war, alle wurden gleich behandelt. Stevens lebte uns hundertprozentige Disziplin vor. Er war der Erste im Büro und hat als Letzter das Licht ausgemacht. Und er richtete sein Büro zum Parkplatz aus, um alle beim Ankommen zu sehen. Wer zu spät war – egal ob viel oder nur um eine Minute –, wurde bestraft.“

Seine Unnachgiebigkeit bekam damals auch Reinhardts Verteidigerkollege Vincent Kompany zu spüren. In einer Besprechung hatte Stevens seine Einzelkritik vorgetragen. Als Kompany ihm widersprach, ließ er ihn in Ruhe ausreden und antwortete: „Du kannst gehen. Pack deine Sachen und geh.“ Kompany befolgte den Rat und dachte, der Trainer würde ihn schon irgendwann zurückholen. Aber Stevens wartete so lange, bis sich Kompany in aller Form entschuldigt hatte. „Damit zeigte er Stärke – aber auch, dass er verzeihen kann und mit uns zusammenarbeiten will. Das beeindruckte“, sagt Reinhardt.

Am Sonnabend will Stevens den HSV mit seinen Stuttgartern erneut beeindrucken. Auf das Spiel gegen die Hamburger freut er sich sehr – was in erster Linie daran liegt, dass der Familienmensch seine Frau Toos wiedersieht, die bislang in den Niederlanden geblieben ist. Dass hinter Stevens’ harter Schale ein weicher Kern steckt, zeigte er schon bei seinem Abschied vom HSV im Sommer 2008. „Wenn ich die Fans sehe, mit Plakaten wie ‚Huub danke‘, dann geht mir das ans Herz. Ich habe hier eineinhalb Jahre mit Menschen gelebt, die mir ans Herz gewachsen sind. Sogar einige von den Medien...“

Johan Djourou soll beim Abschlusstraining an diesem Freitag (nicht öffentlich) wieder einsteigen. Pierre-Michel Lasogga, der ebenfalls an einer Zerrung leidet, konnte nur Teile der Einheit mitmachen. Beide sind für das Stuttgart-Spiel weiter fraglich.