Mit dem ersten Sieg seit November verabschiedet sich der HSV von einem direkten Abstiegsplatz. Westermann spielte nur, weil Diekmeier krank war. Adler gewinnt Duell gegen WM-Rivalen Weidenfeller.
Hamburg. Mirko Slomka stand im feinen Zwirn an der Seitenlinie und dirigierte den HSV aus der Krise. In nur sechs Tagen hat der dritte HSV-Trainer dieser Saison ein kleines Fußball-Wunder vollbracht, das ihm beim 3:0 (1:0)-Coup über Borussia Dortmund einen nie erwarteten Traum-Einstand bescherte. „Das war das Ergebnis harter und sehr intensiver Arbeit“, erklärte Slomka.
Er hat das total verunsicherte Team des HSV nach sieben Punktspiel-Pleiten in Serie im Schnellverfahren an Kopf und Füßen geheilt. Mit dem ersten Sieg seit dem 24. November, damals sinnigerweise gegen die noch von Slomka trainierte Elf von Hannover 96 erzielt, rückte der ruhmreiche HSV vom direkten Abstiegs- auf Relegationsplatz 16 vor.
„Dortmund kam zur richtigen Zeit. Wir haben einen Trainerwechsel hinter uns, viele waren besonders motiviert. Das hat man gesehen“, erklärte Torjäger Pierre-Michel Lasogga. Die ganze Woche über hatte Slomka seinem angeschlagenen Team immer wieder eingetrichtert, zu der klaren Leistungssteigerung imstande zu sein. Zugleich machte der Neue sofort deutlich, dass es nur die „erste Station“ war, auf die noch zwölf bis zum Saisonende folgen. „Es ist Aufgabe des Trainerteams bis hin zum Vorstand, klarzumachen, dass wir nicht lockerlassen dürfen“, betonte der Coach. Denn in den nächsten Runden geht es gegen die Abstiegsrivalen Bremen, Frankfurt, Nürnberg, Stuttgart und Freiburg.
Slomka hat eine gute Tradition fortgesetzt. Nach Huub Stevens (2007/1:2 gegen Hertha BSC) haben alle sieben HSV-Cheftrainer ihre Auftaktmatches nicht verloren. Dass die Wende gleich gegen den BVB gelang, der gedanklich schon beim Champions-League-Duell in St. Petersburg schien, war auch Slomkas Sofortmaßnahmen zu verdanken. Alles, was der Nachfolger des glücklosen Bert van Marwijk anpackte, wirkte. Er zog das Trainingspensum an, stärkte die angeknackste Psyche der Profis und stellte sein Personal infrage. Wäre Dennis Diekmeier nicht mit Magen- und Darmproblemen ausgefallen, hätte sich sogar Nationalspieler Heiko Westermann auf der Bank wiedergefunden.
„Das wird Tor des Monats oder Jahres“
Auch bei insgesamt fünf freiwilligen Umstellungen hatte der Neue ein glückliches Händchen. Der reaktivierte Tscheche Petr Jiracek war gleich ein Aktivposten und für das wichtige Führungstor (44. Minute) zuständig. Und hinten räumte der schon aussortierte Serbe Slobodan Rajkovic (73 Prozent gewonnene Zweikämpfe) im ersten Saisoneinsatz konsequent ab. „Er hat einen enorm konzentrierten Eindruck auf mich gemacht und ist knallhart zur Sache gegangen. Das ist genau das, was wir jetzt brauchen“, begründete Slomka seine Wahl im Abwehrzentrum.
Mitentscheidend war auch, dass Nationaltorhüter René Adler eine Woche nach zwei bösen Patzern in Braunschweig (2:4) mehrmals glänzend reagierte. Im Duell um den Platz im WM-Kader gegen den Rivalen Roman Weidenfeller konnte er punkten. Verlass war zudem wieder auf „Knipser“ Lasogga, der Jiracek zum 1:0 auflegte und mit seinem elften Saisontreffer für die Vorentscheidung sorgte (58.). Hakan Calhanoglu (90.+2) gelang mit einem 41-Meter-Flatterball die Krönung des Spiels.
„Das wird Tor des Monats oder Jahres“, jubelte Lasogga nach dem Kunstschuss, bei dem Weidenfeller schlecht aussah. So ein Tor hat er vielleicht noch nie geschossen, aber im Training oft probiert. Ich habe in dem Moment eher gedacht, wir müssen auf Ballbesitz spielen, weil das Spiel fast vorbei war. Als er dann das 3:0 macht, ist es umso schöner“, freut sich Slomka mit dem Torschützen.
„Dieser Treffer hat den HSV entschädigt für vieles, was hier zuletzt so passiert ist“, meinte der sichtlich angefressene BVB-Coach Jürgen Klopp. Die Leistung bei der sechsten Niederlage in den jüngsten acht Auftritten in Hamburg sei „bescheiden“ gewesen, den Rückschlag habe man sich „selbst eingebrockt“, rügte Klopp seine nach dem bisher starken Rückrundenstart wohl zu selbstsicheren Akteure. Und ergänzte: „Wer diesen Gegner unterschätzt, hat einen Hackenschuss.“
Adler gewinnt Duell mit WM-Rivalen Weidenfeller
Der 3:0-Coup gegen den BVB verschaffte auch René Adler eine persönliche Genugtuung. Eine Woche nach zwei bösen Patzern beim 2:4 in Braunschweig zeigte es der Nationalkeeper seinen Kritikern und war mit mehreren Glanzparaden Garant des Erfolges. Mehr noch: Adler gewann auch das Duell gegen Roman Weidenfeller um Längen. Und machte damit gegen den Rivalen im Kampf um die Nummer zwei im DFB-Tor bei der WM hinter Manuel Neuer Boden gut. „Die WM im Sommer in Brasilien ist mein großes Ziel“, sagte Adler, der die WM vor vier Jahren verletzungsbedingt verpasste.
Zunächst geht es für den 29-Jährigen aber darum, mit dem HSV den Liga-Verbleib sicherzustellen. „Ich kann den Sieg über Dortmund noch gar nicht richtig einordnen. Normalerweise stehen wir hier und müssen Negativfragen beantworten“, sagte er nach zuvor sieben Ligapleiten in Serie. Und gab zu, dass ihm sein schwarzer Tag in Braunschweig zu schaffen gemacht hat. „Es wäre unmenschlich, wenn ich daran nicht zu knabbern gehabt hätte.“ Nach seiner Verletzung habe er emotionale Wochen hinter sich. In der zweiten Halbzeit in Braunschweig sei der Akku leer gewesen. Davon war gegen Dortmund keine Spur.
Die Statistik
Hamburg: Adler – Westermann, Djourou, Rajkovic, Jansen – Badelj, Arslan – Rincon, Calhanoglu, Jiracek – Lasogga (86. Zoua). – Trainer: Slomka
Dortmund: Weidenfeller – Piszczek, Manuel Friedrich, Sokratis, Schmelzer – Sven Bender (46. Reus), Sahin – Aubameyang, Mchitarjan, Großkreutz (75. Hofmann) – Lewandowski (67. Ducksch). – Trainer: Klopp
Schiedsrichter: Dr. Felix Brych (München)
Tore: 1:0 Jiracek (42.), 2:0 Lasogga (58.), 3:0 Calhanoglu (90.+1)
Zuschauer: 57.000 (ausverkauft)
Beste Spieler: Lasogga, Rajkovic –
Gelbe Karten: Rincon (3), Zoua (3) – Aubameyang, Reus (5)
Torschüsse: 13:15
Ballbesitz: 41:59 %