Badelj und van der Vaart drohen gegen Braunschweig auszufallen. Der Kapitän wurde bei seiner verletzungsbedingten Auswechslung mit Pfiffen begleitet. Der FC Bayern war in allen Belangen überlegen.

Hamburg. Braunschweig. Sonnabend. Abstiegsendspiel. Diese für den Verbleib des HSV in der Bundesliga so wichtige Partie verfolgte Carl Jarchow bis kurz vor dem Anpfiff des Pokalviertelfinalspiels gegen Bayern München. Weil sein Auto in der Werkstatt steht, saß der HSV-Vorsitzende in einem Leihwagen mit dem Kenneichen „BS“, als er am Stadion parkte.

Um 20.12 Uhr begrüßte Jarchow Bert van Marwijk und Oliver Kreuzer am Spielfeldrand. Man plauderte kurz, demonstrierte Geschlossenheit. Wie es der Zufall wollte, entdeckte genau in diesem Moment die Stadionkamera Braunschweigs Trainer Thorsten Lieberknecht, der auf der Tribüne saß.

Kurz vor dem Anpfiff gab Kreuzer, sichtlich um gute Laune bemüht, noch ein Interview bei NDR 90,3: Die Siegchancen bezifferte er nur auf unter 15 Prozent. Van Marwijk erzählte im TV: „Die Mannschaft war unter der Woche sehr ruhig, viel ruhiger als gut. Es wurde sehr wenig gesprochen. Aber ich habe versucht, ihr etwas Lockerheit zu geben.“ Und auch die Fans hatten noch eine Botschaft: „Man muss das Unmögliche versuchen; um das Mögliche zu erreichen“, war zu lesen.

+++ DAS MINUTENPROTOKOLL ZUM NACHLESEN +++

Schnell wurde deutlich, wie der HSV versuchen würde, gegen die Bayern zu bestehen: „Defensiver ausgerichtet als sonst, kompakt und vorne mit schnellen Leuten für gute Angriffe sorgen“, so hatte es sich van Marwijk gewünscht. Und Teil eins der (Zerstörungs-)Strategie ging zunächst auf. Die Bayern ließen den Ball kreiseln, hatten einen gefühlten Ballbesitz von 95 Prozent. Aber Torschüsse blieben aus...

Doch dann kam, was alle über kurz oder lang erwartet hatten: die Führung für die Gäste. Mario Götze ließ Zhi-Gin Lam stehen und passte zu Mario Mandzukic, der nur noch einzuschieben brauchte (21.). Spötter vermuteten, dass die Bayern nur gewartet hatten, bis alle Besucher, die in den Staus gestanden hatten, auf ihrem Platz saßen.

Nur fünf Minuten später ging jegliche Hoffnung flöten, als Dante nach einer Ecke von Toni Kroos Jonathan Tah wie eine lästige Fliege abschüttelte und zum 0:2 einköpfte (26.). Und der HSV? Ein Schuss von Ola John nach 27 Minuten, das war’s. Vor der Pause jedoch mussten die HSV-Fans den ersten echten Schock verkraften: Kapitän Rafael van der Vaart musste mit Wadenproblemen ausgewechselt werden, für ihn kam Tolgay Arslan (40.). Für van der Vaart nicht genug: Beim Gang vom Platz wurde der Niederländer von Teilen der eigenen Fans mit Pfiffen begleitet.

Immerhin nur 0:2, mögen sich viele Hamburger gedacht haben, wenigstens kein Ergebnisdesaster, was angesichts des bevorstehenden Spiels in Braunschweig zu einem weiteren Vertrauensverlust hätte führen können.

Seeler: „Das Spiel ist mir scheißegal“

„Die Mannschaft kämpft, aber dieses Spiel ist mir scheißegal, die ganze Kraft muss auf das nächste Spiel liegen, der HSV wäre gut beraten, wenn er sich nur auf den Abstiegskampf konzentriert“, sagte Uwe Seeler in der ARD. „Auf dem Platz muss eine Mannschaft stehen, die zusammen steht, aber auch hinter dem Team muss eine Mannschaft stehen, die zusammen arbeitet. Aber das ist seit Jahren nicht der Fall.“ Aufsichtsratschef Jens Meier sagte der ARD: „Wir sind doch hier nicht im Kindergarten. Das ist Profifußball! Sportchef, Trainer und Mannschaft müssen diesen Druck aushalten.“

Nur wenige Minuten, nachdem Seeler wieder auf der Osttribüne wieder Platz genommen hatte, durften die dominanten Gäste, die allenfalls 80 Prozent ihres Maximaleinsatzes zeigten, ein weiteres Mal jubeln. Arjen Robben erwischte einen langen Ball von Kroos und schob zum 0:3 ein (51.).

Der Bayern-Coach nutzte die klare Führung, um Kräfte zu schonen. Bastian Schweinsteiger feierte nach langer Pause sein Comeback. Und ausgerechnet der Nationalspieler war beteiligt am nächsten HSV-Schock: Bei einem Zweikampf mit Schweinsteiger knickte Milan Badelj mit dem rechten Fuß um (72.). Fast nebensächlich, dass Götze Mandzukic zum 0:4 auflegte (74.). Kurz darauf erhöhte der Kroate nach einem Freistoß sogar auf 5:0 (76.). Die HSV-Fans interessierte das nicht mehr: „Niemals Zweite Liga“, sangen Sie und feierten ihr Team trotzig nach dem Abpfiff.

Dennoch endete das Spiel mit einem Debakel. Nicht nur vorgeführt und hoch verloren, sondern mit van der Vaart und Badelj auch noch zwei wichtige Spieler verloren. Ausgerechnet jetzt. „Braunschweig ist das wichtigste Spiel des Jahres“, blickte van Marwijk auf Sonnabend, „ich hoffe, es ist nicht so schlimm.“ Auch Hakan Calhanoglu dachte ans Wochenende: „Bayern hat die beste Mannschaft der Welt. Wichtig ist, dass wir gegen Braunschweig nicht so spielen wie heute.“ Das Schlusswort hatte Guardiola: „Mein Kollege ist ein Gentleman. Ich wünsche ihm und dem HSV viel Glück.“

Das Schema

HSV: Adler – Lam, Tah, Westermann, Jansen – Rincon, Badelj (72. Bouy) – Ilicevic, van der Vaart (40. Arslan), John – Calhanoglu (71. Zoua). – Trainer: van Marwijk

Bayern: Neuer – Rafinha, Jerome Boateng (49. Martínez), Dante, Alaba – Lahm (65. Schweinsteiger) – Robben, Thiago (64. Shaqiri), Toni Kroos, Götze – Mandzukic. – Trainer: Guardiola

Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin)

Tore: 0:1 Mandzukic (22.), 0:2 Dante (26.), 0:3 Robben (54.), 0:4 Mandzukic (74.), 0:5 Mandzukic (76.)

Zuschauer: 57.000 (ausverkauft)

Gelbe Karten: Lam, Arslan, Rincon (2)