Beim Sportforum von NDR und Abendblatt unterstrichen Manfred Ertel, Jürgen Hunke und Otto Rieckhoff ihre unterschiedlichen Ansichten zur Zukunft des HSV.

Hamburg. Wer fünf Tage vor der HSV-Mitgliederversammlung beim 31. Sportforum in den Räumen des NDR damit gerechnet hatte, dass sich die Protagonisten gegenseitig zerfleischen, wurde enttäuscht. Weitgehend sachlich, aber durchaus kontrovers lief die Sendung ab, die in Kooperation von NDR 90,3 und dem Hamburger Abendblatt am Dienstagabend aufgezeichnet wurde (zu sehen auf hsv-blog.abend blatt.de). Mit Aufsichtsratschef Manfred Ertel, seinem Vorgänger Otto Rieckhoff sowie Aufsichtsrat und Ex-Präsident Jürgen Hunke diskutierten drei Unterstützer bzw. Urheber unterschiedlicher Reformmodelle mit den Moderatoren Lars Pegelow (NDR) und Alexander Laux (Hamburger Abendblatt) eine knappe Stunde über die Zukunft des Vereins. Nur als es um das Kernthema einer möglichen Ausgliederung sowie die laut Rieckhoff in der Vergangenheit mangelnde Fußballkompetenz in den höchsten Gremien ging, gifteten sich die Herren Hunke und Rieckhoff kurz an.

Unterschiedliche Auffassungen über den Ist-Zustand des Vereins vertraten die drei Hauptakteure des Abends jedoch schon von Beginn an. Auf einer Skala von eins (super) bis zehn (schlecht) sollten sie den HSV sportlich als auch finanziell einordnen. Rieckhoff, der mit seiner geplanten Ausgliederung des Profifußballs in eine Aktiengesellschaft im Zuge des HSVPlus-Modells die größte Veränderung propagiert, stufte die Lage des Clubs mit einer 8,5 als bedrohlich ein. Ertel, Unterstützer des Modells „HSV-Reform“, verteilte fünf Punkte, und auch Hunke, Initiator des Modells „Zukunft mit Tradition“, der sich lieber in Schulnoten ausdrücken wollte und dem HSV eine Drei minus gab, sieht die Situation deutlich entspannter.

Kritik auch an der Mannschaft

Doch wo liegen sie nun, die Hauptprobleme des Vereins? Ertel kritisierte in erster Linie die Mannschaft. „Sie hat in den vergangenen Jahren einfach nicht das gebracht, was wir alle von ihr erwartet haben. Einige Spieler haben enttäuscht. Ich habe den Eindruck, dass wir seit dem Ausscheiden im Halbfinale des Europapokals gegen den FC Fulham im Jahr 2010 eine Art Virus im Verein haben. Den letzten Kick, eine Partie gewinnen zu wollen, vermisse ich bei zu vielen unserer Fußballer.“

Hunke sieht das Problem auf höherer Ebene. „Trainer und Spieler sind immer die, die von ihren Vorgesetzten eingestellt werden. Es herrscht kein inneres Vertrauen im Verein, keine Begeisterung. Der permanente Wechsel auf vielen Positionen führt zu Problemen, ohne Kontinuität läuft nichts“, sagte der 70-Jährige, der zwar Veränderungen herbeisehnt, den Verkauf von Anteilen jedoch für einen großen Fehler hält. „Ein großes Problem war und ist, dass der Club von Cliquen geführt wird. Ausgliederungen haben auch bei anderen Vereinen nicht den großen Erfolg gebracht.“

Das sieht Rieckhoff freilich ganz anders. Die aktuellen Zahlen der Verbindlichkeiten um die 100 Millionen Euro seien alarmierend, aus eigener Kraft kaum mehr eine Umkehr der Vorzeichen möglich. Spielerverkäufe dürften nicht zur Regel werden, Sponsorverträge seien ausgereizt. „Ich bin ganz fest davon überzeugt, dass es nur noch diesen einen Weg gibt: den Profifußball auszugliedern und Anteile dadurch im Rahmen einer Minderheitsbeteiligung abzugeben zu können.“ Mindestens 50 Millionen Euro verspricht sich Rieckhoff vom Anteilsverkauf. Das oberste Ziel müsse dann die Entschuldung sein. Doch in dieser entscheidenden Frage stand der Ex-Aufsichtsratsboss in dieser Runde alleine da. Auch Ertel konnte dem nichts abgewinnen. „Wir brauchen Geld, von mir aus auch durch strategische Partner, doch dafür muss man keine Anteile verkaufen. Mäzene könnten wir für bestimmte Projekte wie den Kauf des Stadionnamens oder das Nachwuchsprojekt HSV-Campus trotzdem gewinnen.“ Ihm geht es vor allem darum, die Mitbestimmung der Mitglieder in dieser Form beizubehalten. „Begeisterung für einen Verein gibt es nicht zum Nulltarif, sondern durch Identifikation. Und diese kommt zustande, wenn Mitglieder auch mitentscheiden dürfen. Gerade in der heutigen Zeit wird so etwas immer wichtiger.“

Nicht alle wollen einen Vermittler

Einig sind sich immerhin alle, dass sich in den Strukturen des HSV etwas verändern und dem Vorstand mehr Handlungsfreiheit zugesprochen werden sollte. Und während Ertel durchaus die Möglichkeit sähe, sich unter Zuhilfenahme eines Mediators noch einmal zusammenzusetzen und einen gemeinsamen Kompromiss zu finden, findet Rieckhoff darin keinen Sinn: „Wir hatten uns bereits zweimal getroffen, einmal fünf und einmal zwei Stunden diskutiert. Doch zu einem Ergebnis sind wir nicht gekommen.“

Ein solches wird es aber am kommenden Sonntag geben, wenn sich bis zu 10.000 Mitglieder ab 11 Uhr in die Halle H des CCH am Dammtor begeben und neben den Herren Ertel, Hunke und Rieckhoff auch noch Rainer Ferslev (Rautenherz-Modell) und Wolfgang Müller-Michaelis (HSV 21) mit ihren Ideen anhören werden. Und es bedarf nicht allzu viel Vorstellungskraft, dass diese Veranstaltung dann nicht nur sachlich, sondern vor allem auch von Emotionen geprägt sein wird.