Björn Floberg, als Supporters-Delegierter im Aufsichtsrat, warnt vor den Folgen einer Kampfabstimmung bei der Mitgliederversammlung. Ein Riss in der Mitgliedschaft könne sich manifestieren.
Hamburg. Seit Björn Floberg 2009 als Delegierter der Abteilung Fördernde Mitglieder/Supporters Club in den Aufsichtsrat einzog, hörte man öffentlich nicht viel vom 38-Jährigen. Um genau zu sein: gar nichts. Vor der Mitgliederversammlung am 19. Januar gibt der Finanzanalyst nun sein erstes Interview: „Es ist an der Zeit, in der aktuellen Situation des HSV einige kursierende Dinge richtigzustellen.“
Hamburger Abendblatt: Herr Floberg, Sie sind Mitglied des Finanzausschusses im Aufsichtsrat. Wie schätzen Sie die finanzielle Lage ein?
Björn Floberg: Als ernst, aber nicht hoffnungslos. Und nicht so dramatisch, wie sie an einigen Stellen dargestellt wird.
Dennoch lehnen Sie es als Unterstützer des HSV-Reformmodells ab, strategische Partner ins Boot zu holen.
Floberg: Kostenloses Geld, wie es oft propagiert wird, gibt es nicht. Ein strategischer Partner oder Investor möchte eine Gegenleistung, wie immer diese auch aussieht, ob es eine Dividende oder eine strategische Position ist, wie ein Exklusivrecht in der Vermarktung. Und ein Mäzen ließe sich auch in der bestehenden Struktur einbinden.
Aber der HSV braucht Eigenkapital.
Floberg: Der HSV hat in erster Linie kein Einnahme-, sondern ein Kostenproblem. Aber natürlich müssen die Einnahmen in den kommenden Jahren höher sein, damit wir unsere Verbindlichkeiten auch abtragen können und zum Beispiel das Geld an die Anleger für das Campus-Projekt zurückzahlen.
HSVPlus möchte bekanntlich einen strategischen Partner einbinden. Warum sind Sie denn so kategorisch dagegen?
Floberg: Der Verkauf von Anteilen in anderen Vereinen hat nicht zu einer großen Veränderung der Landschaft im Profifußball geführt. Es gibt auch Negativbespiele wie Hannover 96, wo der Verkauf von Anteilen mit ganz massiven Einschränkungen der Mitgliederrechte einhergeht. Kritische Geister werden, teilweise sogar über den Arbeitgeber, mundtot gemacht.
Beim HSV haben die Mitglieder derzeit viel Mitspracherecht. Ist das noch ein Modell für die Zukunft? Braucht der HSV nicht vielleicht eher Experten, die im Sinne der Mitglieder bestimmen, was gut ist für den HSV?
Floberg: Für mich geht der Trend – unabhängig vom Fußball – genau in die entgegengesetzte Richtung. Es gibt Volksabstimmungen, direkte Bürgerbeteiligungen, gerade in Hamburg. Den Mitgliedern ist es ja unbenommen, Experten in den Aufsichtsrat zu wählen. Und zweitens ist es auch dem Aufsichtsrat nicht verboten, kompetente Experten einzustellen. Jegliche Kontrolle über den Verein abzugeben, kann aber nicht der richtige Weg sein. Und durch eine Ausgliederung würden die Rechte der Mitglieder massiv beschnitten.
Unabhängig von einzelnen Modellen scheint es eine Wechselstimmung zu geben. Auch bei der von Ihnen unterstützten Initiative HSV-Reform soll die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder auf acht sinken. Kann das allein einige Probleme des Gremiums lösen?
Floberg: Ich denke schon. Das Reformmodell ist ja aus dem Dialog mit Mitgliedern entstanden und wäre schnell umsetzbar, sollten die Satzungsänderungen beschlossen werden. Im Übrigen: Ich bin überzeugt davon, dass der HSV kein Strukturproblem hat. Der geschäftliche Teil findet heute schon in Tochter- und Kapitalgesellschaften statt. Für mich sind das Hauptproblem die handelnden Personen, nicht der vergangenen ein oder zwei Jahre, sondern über einen längeren Zeitraum. Fehler der Clubführung haben nun mal in der Regel eine Langzeitwirkung.
Zum Beispiel?
Floberg: Ganz massiv die Entscheidung des Aufsichtsrats, dem Ernst-Otto Rieckhoff als Stellvertreter angehörte, 2009 keinen Nachfolger für Dietmar Beiersdorfer zu suchen. Die zwei Jahre ohne Sportchef warfen den HSV in seiner Entwicklung um Jahre zurück.
Mal provokant gefragt: Ist der heutige Aufsichtsrat ein zerstrittener Haufen?
Floberg: Bei dieser Frage würde ich mich lieber auf meine fünf Jahre im Aufsichtsrat beziehen: Es gab immer wieder zwischenmenschliche Probleme, die nicht förderlich für die Arbeit sind. Allgemein würde es dem HSV guttun, wenn wir nur Leute hätten, die das eigene Ego hinten anstellen und sich um Sachthemen kümmern, anstatt dem Glanz der Bundesliga zu erliegen.
Hat das Gremium also mit Recht ein schlechtes Image?
Floberg: Da bin ich zwiegespalten. Bei der von der Satzung vorgegebenen Aufsichtsratstätigkeit gab es immer große Mehrheiten, die inhaltliche Arbeit war gut und effektiv. Womit es teils Probleme gab, sind vereinspolitische Satzungsfragen. Und ganz massiv erschweren immer wieder die Indiskretionen unsere Arbeit. In diesem Punkt stehen wir mit Recht in der Kritik.
Kann man das mit nur noch acht Mitgliedern in den Griff bekommen?
Floberg: Indiskretionen verhindern Sie nicht durch die Größe, sondern durch Personen und deren Charaktere. Selbst bei vier, fünf Leuten könnten Dinge nach außen dringen. Das Problem ist leider so alt wie der Aufsichtsrat.
Fehlt nicht insgesamt eine Vertrauensbasis beim HSV?
Floberg: Ich beobachte im ganzen Verein schon seit längerer Zeit eine negative Grundstimmung. So wird in bestimmten Kreisen ein Mann wie Oliver Kreuzer noch vor seinem ersten Arbeitstag als Drittligamanager abgestempelt, obwohl er sehr gute Arbeit leistet. Zudem sind noch immer Gräben sichtbar, die aus der Ära Bernd Hoffmann resultieren.
Sie haben viel Kontakt zu den Fans von der Nordtribüne. Befürchten Sie eine Absatzbewegung, sollten die Mitglieder eine Ausgliederung beschließen?
Floberg: Sollte ein Modell durchkommen, egal welches, gibt es beim HSV viele Verlierer. Damit wird dieser Verein noch tiefer gespalten, als er es jetzt schon ist. Wenn das überhaupt noch geht. In jedem Fall wird sich dieser Riss in der Mitgliedschaft manifestieren. Und ja, ich glaube schon, dass es dann Leute gibt, die dann nicht mehr HSV-Fans sein wollen und sich auch nicht mehr ehrenamtlich engagieren. Aber das muss dann jeder für sich wissen.
Was wäre also Ihr persönlicher Wunsch?
Floberg: Ich habe noch immer die Hoffnung, dass die Entscheidung zu den Strukturen vertagt wird. Dazu gibt es ja auch einen entsprechenden Antrag von Aufsichtsrat Eckart Westphalen. Man sollte sich zusammensetzen und einen Kompromiss finden, mit dem alle leben können. Ansatzpunkte dafür gibt es.
Einen Vermittlungsversuch gab es ja im Dezember schon ...
Floberg: ... der aber in den Punkten Anteilsverkauf und Ausgliederung scheiterte. Aber für mich ist ein Kompromiss, eventuell vermittelt durch einen unabhängigen Mediator, der einzige Weg, damit der Verein zur Ruhe kommt, dass Gräben zugeschüttet werden. Ich würde mir außerdem wünschen, dass die Diskussion sachlich bleibt. Aber gerade in der anonymisierten Welt des Internets ist dies leider oft nicht der Fall. Es wird oft Stimmung gegen einzelne Personen gemacht und mit Diffamierungen gearbeitet, was zum Bild des HSV in der Öffentlichkeit beiträgt.
Ein Argument für die Ausgliederung ist ja, dass der e. V., also der eingetragene Verein, mit seinem gemeinnützigen Zweck schon allein rechtlich nicht mehr den Profifußball beherbergen dürfe.
Floberg: Das sehe ich anders. Mit dieser angeblichen Rechtsformverfehlung wurde ja schon 2005 gedroht, als es den ersten Ausgliederungsversuch beim HSV gab. Wir haben in Deutschland den ADAC, auch dieser zweitgrößte Verein der Welt ist ein sogenannter Idealverein, mit Mitgliederrechten und einem Geschäftsbetrieb in Kapitalgesellschaften. Ich sehe, Stand heute, kein Problem mit den Finanzbehörden. Sollte sich dies ändern, hat man immer noch Übergangsfristen.
Beobachter vermuten, dass die Einführung der Fernwahl, für die es am 19. Januar mehrere Anträge gibt, entscheidend sein könnte, ob die Ausgliederung in einer zweiten Sitzung die nötige Dreiviertelmehrheit erhält.
Floberg: Diese Diskussion der Fernwahl beschäftigt den HSV ja seit Jahren und ist wiederholt in der Mitgliederversammlung abgelehnt worden. Ich sehe aber bis heute kein System, wie man eine Fernwahl durchführen soll und gleichzeitig Manipulationen verhindert kann.