Während Cardoso das Nordderby vorbereitet, sucht der HSV-Sportchef nach einem Trainer. Erfahrung hat er dabei kaum. Schaaf und van Marwijk sind Topkandidaten.
Hamburg. Zumindest bei der Vormittagseinheit kamen die Trainingskiebitze am Mittwoch so richtig auf ihre Kosten. „Da ist endlich mal Feuer drin“, freute sich einer der Zuschauer, der mit Begeisterung feststellte, dass der 20-jährige Kerem Demirbay gerade den vierten Mannschaftskollegen „umgeholzt“ hätte. Tatsächlich mussten wenig später Slobodan Rajkovic (mit bandagierten Knie) und Dennis Diekmeier (mit bandagiertem Fuß) vom Trainingsplatz abtransportiert werden. „So etwas gehört dazu. Die Jungs haben sich richtig reingehauen“, zeigte sich Interimstrainer Rodolfo Cardoso erst begeistert. Nur die späteren Nachrichten, dass Rechtsverteidiger Diekmeier sich den Fuß gebrochen und Rajkovic sich das Innenband angerissen hatte, trübte die Freude des Argentiniers, der das Nachmittagstraining unter Ausschluss der Öffentlichkeit ins Stadion verlegte: „Vor dem Spiel gegen Werder darf ich ja nicht alles verraten.“
Nichts verraten wollte Sportchef Oliver Kreuzer, der von seinem Schreibtisch aus die Suche nach dem Nachfolger des am Montagabend beurlaubten Thorsten Fink vorantrieb. Sechs Trainer stehen noch auf seiner Liste, darunter Thomas Schaaf, 52, und Bert van Marwijk, 61, als Topkandidaten. Eine Entscheidung soll in der nächsten Woche fallen. Cardoso wird deshalb wohl auch am Dienstag beim Pokalspiel gegen Greuther Fürth auf der Bank sitzen. Aber was ist mit Slaven Bilic? Oder Lothar Matthäus? Stefan Effenberg? Österreichs Nationaltrainer Marcel Koller? Oder doch Markus Babbel, dessen Berater André Gross sich über den HSV informierte? Kein Kommentar! Nur HSV-Chef Carl Jarchow wollte das nur angedeutete Anforderungsprofil (gut, billig, deutschsprachig) präzisieren: „Es muss jemand sein, der wirklich einen Plan hat und diesen durchzieht.“ Aha!
Anders als Jarchow, der in seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit als HSV-Chef den dritten Chefcoach sucht, ist Kreuzer bei seiner Trainersuche in relativ ungewohnter Mission unterwegs. In seinen sieben Jahren als Manager in Salzburg, bei Sturm Graz, in Karlsruhe und beim HSV musste Kreuzer nur zweimal einen Cheftrainer beurlauben und einen Nachfolger suchen. Beim KSC musste er Rainer Scharinger entlassen, was Kreuzer schwerfiel, weil er mit dem Fußballlehrer befreundet war. Und auch Scharingers Nachfolger Jörn Andersen beurlaubte Kreuzer, nachdem eine Entlassung unausweichlich wurde. „Das war keine Entscheidung gegen den Menschen Andersen“, sagte Kreuzer seinerzeit bedauernd.
Nimmt man es ganz genau – und das macht Kreuzer – dann ist der HSV-Sportchef auch für die Entlassung von Salzburgs damaligem Co-Trainer Lothar Matthäus mitverantwortlich. Der Assistent von Giovanni Trapattoni wurde 2007 von Salzburgs Alleinherrscher und Red-Bull-Miteigentümer Dietrich Mateschitz wegen „unterschiedlicher Auffassungen“ rausgeworfen, wobei Kreuzer, der damals nur wenige Monate später selbst von seinen Aufgaben entbunden wurde, noch heute betont, dass es eine gemeinsame Entscheidung aller Verantwortlicher war.
So oder so, Kreuzer ist ein Freund schneller Entscheidungen bei der Neubesetzung der Trainerposition. Andersen wurde in Karlsruhe sechs Tage nach der Entlassung Scharingers verpflichtet, nachdem Kreuzer auch mit Wolfgang Wolf und Peter Neururer Kontakt hatte. Und nach Andersens Demission brauchte er nur einen Tag, um den heutigen KSC-Coach Markus Kauczinski vom Nachwuchschef zum Cheftrainer zu befördern. Nur: Beim HSV will niemand die Trainerentscheidung übers Knie brechen. „Für uns steht eine gute und nicht eine schnelle Lösung im Vordergrund“, ließ Jarchow wissen.
Milliardär Kühne fordert nach Finks Entlassung auch Kreuzers Demission
Ob die noch zu findende „gute Lösung“ auch Investor Klaus-Michael Kühne gefallen wird, muss bezweifelt werden. Den Pay-TV-Sender Sky ließ der Milliardär jedenfalls erneut wissen, dass er von Kreuzer als Trainersucher so viel wie vom geschassten Fink hält: nichts. „Oliver Kreuzer ist mit der Situation überfordert. Da muss ein ganz erfahrener Mann ran“, sagte Kühne.
Kühne, der derzeit für seine Überzeugungen auf Werbetour zu sein scheint, hat genaue Vorstellungen, wie es in Hamburg weitergehen soll. „In der Konstellation, die ich favorisiere, wird Felix Magath als Berater und später dann als Vereinsvorsitzender fungieren“, sagte der Unternehmer, der auch bei Sport1 und in der „Süddeutschen Zeitung“ seine Gedankengänge zum HSV skizzierte. Als Nachfolger von Fink solle ein weiterer ehemaliger HSV-Profi kommen. „Magath würde Bernd Hollerbach mitbringen. In der Kombination könnte ich mir das vorstellen.“ Magath, mit dem sich der Milliardär bereits zweimal in seinem Feriendomizil auf Mallorca getroffen hatte, würde es laut Kühne „sehr gerne machen“.
Den Trainer Magath, das hatte Magath unmittelbar nach der Entlassung Finks verkündet, wird es in naher Zukunft beim HSV nicht geben. Und zumindest bei diesem Punkt dürften sich Kreuzer und der einstige Siegtorschütze des Landesmeisterpokalfinales 1983 gegen Juventus Turin einig sein. Eine kleine Kuriosität zum Schluss: Vor 15 Jahren stand Magath kurz vor einem Engagement als Trainer bei Kreuzers Ex-Club KSC. Da Karlsruhes damalige Vizepräsidenten Uli Heynig und Uli Lange aber Magaths Forderungen, der sich auch seinerzeit das alleinige Sagen im sportlichen Bereich erbeten hatte, nicht geheuer waren, unterschrieb dieser wenig später in Bremen – als Vorgänger Schaafs. Dieser, und so schließt sich der Kreis, ist bei Trainerfahnder Kreuzer im engeren Favoritenkreis.