Der HSV hat derzeit die schlechteste Abwehr der Liga. Gegen Borussia Dortmund klingelte es gleich sechs Mal. Gegen Bremen muss es besser werden, sonst nehmen die Diskussionen um Trainer Fink Fahrt auf.

Dortmund. Nach 15 Gegentreffern steht die Schießbude der Liga in Hamburg. Nationaltorhüter René Adler verhinderte beim 2:6 (1:2)-Debakel in Dortmund noch das Schlimmste, patzte aber auch selbst. Mit Entsetzen verfolgte der 28-Jährige die Abwehrleistung seiner Vorderleute und gab aus Frust keine Interviews. Ohne Adler wäre es am Sonnabend ein ähnliches Debakel wie beim 2:9 in München aus der Vorsaison geworden. „Es ist eine Qualitätsfrage, bei dem einen oder anderen reicht es für die Bundesliga nicht“, sagte Sky-Experte Stefan Effenberg: „Das Gesicht des HSV in den letzten 20 Minuten ist eine Katastrophe.“

In Hamburg sollten nun alle roten Lampen angehen. „Sie sind dabei, unheimlich viele Sympathien zu verspielen“, warnte Effenberg und kritisierte seinen früheren Mitspieler Thorsten Fink: „Ich weiß nicht, woran in den vergangenen 14 Tagen gearbeitet wurde, sie präsentieren sich nicht als Team.“ Erstmals ließ der Fußball-Lehrer mit einer Dreierkette spielen, stellte aber schon nach den ersten beiden Gegentoren nach einer halben Stunde wieder um. Beim 4:0 gegen Braunschweig hatte er noch mit der Raute spielen lassen.

Am Systemwechsel lag es für Fink aber nicht: „Natürlich bin ich enttäuscht, wir haben gefühlte 90 Prozent Zweikämpfe verloren. Wir haben naiv gespielt. Ich habe nur 15 Minuten eine ordentliche Mannschaft gesehen.“ Auch für Sportvorstand Oliver Kreuzer war nicht die Taktik schuld: „Wir haben zu viele Fehler gemacht, vor allem im Spielaufbau. Damit haben wir Dortmund wieder aufgebaut. Sechs Tore dürfen nicht passieren.“ 32 Mal tauchte die Borussia vor dem HSV-Strafraum auf, verwertete aber lange nicht alle Großchancen gegen die hilflose HSV-Defensive. Die Elf um Rafael van der Vaart wurde nur viermal gefährlich. Der Kapitän bekommt derzeit viel Kritik ab, es fehlt aber auch ein Topstürmer, der ihn entlasten könnte.

Der Treffer von Zhi-Gin Lam (24.) blieb ein Lichtblick. Und der exzellente Freistoß von van der Vaart auf den Kopf von Heiko Westermann (49.) zeigte, dass die Hanseaten nur bei Standards mithalten können. In allen anderen Belangen waren sie überfordert. „Nach dem 2:2 muss man versuchen, kein Gegentor mehr zu bekommen. Das habe ich bei uns leider nicht gesehen. Wir haben uns in der Viererkette im Stich gelassen gefühlt“, klagte Westermann.

Vier Tage vor dem Duell in Neapel in der Champions League war der Bundesliga-Tabellenführer von einer schwachen Fink-Elf nicht aufzuhalten. Die rund 38 Millionen Euro teuren Einkäufe Pierre-Emerick Aubameyang (19./65.) und Henrich Mchitarjan (22.) sowie ihre kongenialen Mitstreiter Robert Lewandowski (73./81.) und Marco Reus (74.) spielten Katz und Maus mit den Hamburgern.

Bis zum Nordderby gegen Werder Bremen am kommenden Sonnabend müssen Fink und Kreuzer nicht nur ihr Team wieder aufrichten. Sie werden auch bemüht sein, ihre erste Meinungsverschiedenheit vergessen zu machen. Während Kreuzer ganz klar in seiner Ansage war, die aussortierten Verteidiger Slobodan Rajkovic und Michael Mancienne nie wieder spielen zu lassen, schien Fink damit noch nicht abgeschlossen zu haben. „Wir haben keinen Zoff und ich habe auch keinen Trainer zurechtgewiesen. Sie dürfen am Trainingsbetrieb teilnehmen und mehr nicht“, sagte der neue Sportdirektor etwas ungehalten bei Sky. Ob er sich da mit Fink auch wirklich einig sei? „Definitiv“, lautete die knappe Antwort.