Rettig galt als Favorit auf die Nachfolge Arnesens, dessen Ende bereits beschlossen wurde. Der HSV führt auch Gespräche mit Magath, Schmadtke und Kreuzer. Drobny-Verlängerung geplatzt.
Hamburg. Nur wenige Minuten nachdem der Mannschaftsbus den Volkspark pünktlich um 12.30 Uhr am Dienstag Richtung Neuruppin verließ, machte sich auch Noch-Sportchef Frank Arnesen auf den Weg. Gemeinsam mit Lee Congerton, dem Technischen Direktor und engsten Vertrauten Arnesens, schaffte es der Däne aber zunächst nur ins zwei Kilometer entfernte "Rach & Ritchy" zum Mittagessen und zur gemeinsamen Lageerörterung. Es gab Redebedarf nach den Geschehnissen der vergangenen Tage. Denn natürlich hat auch der Skandinavier längst mitbekommen, dass hinter den Kulissen eifrig über seine Demission gesprochen wird. Wirklich berühren, so Arnesen, würde ihn das alles aber nicht. "Was bedeutet schon Wertschätzung?", fragte der Manager, der noch immer nicht persönlich von einem Aufsichtsrat angesprochen wurde. "Ich bin Profi und weiß, wie das Geschäft läuft. Ich habe immer 100 Prozent für den HSV gegeben, und das werde ich auch weiter tun." Nur die Frage, wie lange dies noch der Fall sein wird, konnte Arnesen vor seiner Abfahrt am Nachmittag ins brandenburgische Neuruppin nicht beantworten. Es ist eine Entscheidung, die zeitnah getroffen werden muss.
HSV-Aufsichtsrat lässt Drobny-Verlängerung platzen
Bereits am Abend um 18 Uhr traf sich der HSV-Aufsichtsrat im Elysée-Hotel, um über die kontrovers diskutierte Vertragsverlängerung von Ersatztorhüter Jaroslav Drobny (das Abendblatt berichtete) abzustimmen. Chefkontrolleur Manfred Erteil gab kurz nach Mitternacht bekannt, dass der Aufsichtsrat die Vertragsvorlage für eine Verlängerung Drobnys abgelehnt hat.
Zur Erinnerung: Sportchef Frank Arenen bot dem tschechischen Ersatztorhüter einen Zweijahresvertrag mit einem Jahresgehalt von 960.000 Euro und einen Anschlussvertrag als Torwarttrainer im Nachwuchsbereich an. Dies wollten die Kontrolleure so nicht annehmen und forderten den Vorstand erneut zu Nachverhandlungen auf.
Rettig sagt ab, HSV kontaktiert Felix Magath
Dieser einmalige Vorgang kommt einer Entmachtung Arnesens gleich. Über die Personalie des umstrittenen Sportchefs und dessen möglichen Nachfolger wurde ebenfalls gesprochen. Favorit war DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig, mit dem Aufsichtsratschef Manfred Ertel mehrere Gespräche geführt hat.
Doch der Top-Kandidat hat dem HSV am Dienstagabend für die Nachfolge von Arnesen abgesagt. In einem Telefonat mit Ertel erklärte Rettig sein Verzicht. Der Geschäftsführer der DFL soll großes Interesse gehabt haben, wollte wohl aber nicht seinen jetzigen Arbeitgeber mit einer tage- oder wochenlangen Hängepartie diskreditieren. Zudem hatte der 50 Jahre alte Funktionär Zweifel, ob er die DFL nach nur einem halben Jahr schon wieder verlassen könne. „Ich habe einen bis Ende 2015 laufenden Vertrag bei der DFL. Den werde ich erfüllen. Das habe ich auch Ligapräsident Dr. Rauball mitgeteilt“, teilte Rettig in einer Pressemitteilung mit.
Schmadtke gilt als Favorit
Sondierungsgespräche hat es ebenfalls mit dem früheren Hannover-Manager Jörg Schmadtke, der nun als Favorit gilt, und mit Karlsruhes Sportchef Oliver Kreuzer gegeben, auch Felix Magath und Ex-Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer sollen von anderen Räten kontaktiert worden sein. Weitere gehandelte Kandidaten wie Ex-HSV-Trainer Martin Jol sollen dagegen keine Rolle spielen.
Klar ist bei allen Unklarheiten, dass nach wochenlangen Geheimgesprächen der Personalausschuss des Aufsichtsrats (Ertel, Jens Meier, Christian Strauß und Eckart Westphalen) nun um zügige Ergebnisse bemüht ist. Ein zweites Fiasko wie nach der Demission Beiersdorfers, dessen Stelle zunächst nur kommissarisch durch Ex-Trainer Bruno Labbadia und später als Notlösung von Bastian Reinhardt besetzt wurde, soll es kein zweites Mal geben.
Dies ist auch der Hauptgrund, warum man Arnesen noch nicht über die Gespräche mit anderen Kandidaten informiert hat. "Ich habe am Sonnabend mit den meisten Räten über die Drobny-Verlängerung gesprochen, dabei hat mit mir niemand über meine Position gesprochen. Trotzdem glaube ich nicht, dass meine Position geschwächt ist", sagte der Däne, der erstmals durch das Abendblatt von den Gesprächen mit seinen möglichen Nachfolgern erfuhr.
Arnesen rechnet mit Verbleib, wurde aber laut NDR 90,3 bereits beurlaubt
Nun gilt Schmadtke als aussichtsreicher Kandidat für Arnesens Nachfolge. Dem Abendblatt bestätigte der frühere Torhüter das Interesse des HSV und sprach von einer "sehr interessanten Aufgabe". In seiner Zeit bei Hannover 96 verpflichtete der 49-Jährige, dem ein exzellentes Auge bei der Talentsichtung nachgesagt wird, die zuvor wenig beachteten Mame Diouf, Mohammed Abdellaoue, Lars Stindl, Ron-Robert Zieler und Didier Ya Konan für vergleichsweise wenig Geld.
Außenseiterchancen soll zudem Karlsruhes Oliver Kreuzer haben, der schon 2010 beim HSV im Gespräch war. Der 47-Jährige, der damals einen erstklassigen Eindruck bei einem Auswahlverfahren durch ein Assessment-Center machte, hat zuletzt Zweitligaaufsteiger Karlsruhe konsequent verjüngt.
Bevor es aber eine Entscheidung über einen Neuen geben kann, muss zunächst eine endgültige Entscheidung über einen Alten getroffen werden. "Ich gehe davon aus, dass ich weiter Sportchef beim HSV bleibe", sagte Arnesen ein paar Stunden vor der für ihn so wichtigen Aufsichtsratssitzung und ehe er mit Congerton gemeinsam zur Saisonabschlussfahrt nach Neuruppin aufbrach. Überraschende Unterstützung erhielt er derweil von den eigenen Anhängern: Knapp 1000 Fans unterschrieben bis zum Beginn der Aufsichtsratssitzung eine Petition im Internet, die sich für einen Verbleib Arnesens aussprach. Ob die Petition Gehör im Kontrollgremium fand, ist nicht bekannt.
Inzwischen ist Arnesen bereits vom Aufsichtsrat des HSV beurlaubt worden.