Dank des Siegtores durch den Südkoreaner Son klettert der HSV auf Platz acht - so weit oben stand der Klub unter Trainer Fink noch nie.
Fürth. Auf dem Bahnsteig sieben des Nürnberger Hauptbahnhofs wurde es zwei Stunden nach Spielende noch mal mächtig laut. Begleitet von Heung-Min-Son-Sprechchören bahnte sich der gepriesene HSV-Profi den Weg durch die euphorisierte Menge und holte sich zum zweiten Mal die persönliche Belohnung für seinen siegbringenden Treffer gegen Greuther Fürth ab. Schon beim Schlussjubel in der Trolli-Arena war er zu den Fans auf den Zaun geklettert, um die Gesänge anzustimmen. Aber auch nachdem sich der ICE 1182 in Richtung Hamburg in Bewegung gesetzt hatte, blieb es fröhlich - die "Wilhelmsburger Jungs" hatten ihr Gruppenticket für die Erste Klasse gebucht und nutzen wie etliche weitere Fans die Gelegenheit zum ungezwungenen Austausch mit Son und dem Team.
In einer stillen Minute werden sich die HSV-Profis gefragt haben, wie wohl solch eine Rückreise vor drei Wochen verlaufen wäre, als der Klub nach drei Spielen noch ohne Punkt dastand. Beim Aufsteiger jedoch, der sein viertes Heimspiel zu null verlor, entführten die Hamburger die Punkte acht bis zehn aus den vergangenen vier Spielen. Bei sonnigen 20 Grad in Franken und dem Torschützen, der in Fürth bereits seinen vierten Saisontreffer erzielte, drängte sich da der Wortkalauer geradezu auf: Der HSV geht "sonigen" Zeiten entgegen. Schließlich ist der 20-Jährige eines der Gesichter des jüngsten Aufschwungs.
"Ich weiß nicht, ob ich besser geworden bin, aber ich habe hart mit dem Trainer und der Mannschaft gearbeitet", sagte Son, der sich mit jedem Tor eine bessere Verhandlungsposition im Poker um einen neuen Vertrag verschafft. Längst haben englische Klubs die positive Entwicklung des Südkoreaners registriert. Ob es dem HSV gelingt, den bis 2014 laufenden Kontrakt tatsächlich unmittelbar nach der Winterpause bis 2016 zu verlängern, wie es Sportchef Frank Arnesen angekündigt hat, ist längst nicht gesichert. In jedem Fall dürfte die Unterschrift nicht billig werden - vor allem dann, wenn es dem HSV gelingen sollte, den Aufwärtstrend zu bestätigen.
Ein Selbstläufer, das zeigte der laut Fußballdeutsch-Lexikon "dreckige Sieg" in Fürth, wird dies allerdings nicht, was auch die Spieler einsahen. Auffällig, wie sich Son und seine Mitspieler darin übten, aus dem verdienten Erfolg keine falschen Schlüsse zu ziehen. Während Torwart René Adler betonte, er sei mit der Art und Weise des Sieges nicht zufrieden und der HSV sei "keine Spitzenmannschaft", sprach Tolgay Arslan der Begegnung sogar die Tauglichkeit für die Oberklasse ab: "In der Tabelle sieht das zwar gut aus, aber das war heute ein typisches Zweitligaspiel." Heiko Westermann warnte vor Leichtsinnigkeiten: "Wir haben heute vielleicht ein wenig zu locker gelassen." Nach der frühen Führung gelang es dem HSV-Team viel zu selten, seine technische Überlegenheit mit einem gezielten Spielaufbau, gepaart mit Tempoverschärfungen, einzusetzen.
Stattdessen probierte es der HSV viel zu häufig mit langen Bällen. "Wir haben den Gegner nicht hoch genug gepresst und sind nicht nachgerückt", benannte Trainer Thorsten Fink weitere Schwachpunkte. Dass das passive Verhalten nicht zu einem Gegentreffer führte, war auch den Unzulänglichkeiten des Gegners zu verdanken.
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Andererseits versäumte es Finks Team in der zweiten Hälfte in einigen Szenen, mit dem 2:0 für Ruhe zu sorgen. Vor allem Artjoms Rudnevs tat sich negativ hervor, als er in der 66. Minute - freigespielt von Milan Badelj - vor Torwart Max Grün stand und überhastet vergab. Zwölf Minuten später sorgte der Lette für einen Wutausbruch Rafael van der Vaarts, weil dieser vergeblich auf ein Zuspiel wartete. Fink lobte seinen Stoßstürmer zwar dennoch für seine "fantastischen Laufwege", kündigte aber an, nach der Länderspielpause Sondertraining für Rudnevs einzuführen: "Wir wollen mit ihm jeden Tag zehn Minuten extra üben, aufs Tor zu laufen."
Womöglich dachte der HSV-Trainer auch an die noch zu behebenden Mängel Rudnevs', als er wie nach dem Sieg über Hannover davor warnte, die Ziele des Vereins voreilig zu korrigieren und den HSV als Anwärter für einen Europacup-Platz einzustufen. "Wir gehören noch nicht unter die Top sechs der Liga, die anderen Mannschaften machen das besser." Es bleibe beim eingeschlagenen Kurs, einen Platz unter den besten zehn erreichen zu wollen.
Unterm Strich konnte der HSV dennoch mehrere negative Statistiken beenden. Mit dem ersten Auswärtssieg seit sechs Monaten (1:0 in Kaiserslautern) glückte auch der erste Doppelerfolg seit 21 Monaten, als in der Saison 2010/11 am 17. und 18. Spieltag Mönchengladbach (2:1) und Schalke (1:0) bezwungen werden konnten. Für Fink war mit dem Blick auf die Tabelle ein völlig neues Gefühl verbunden: Auf Platz acht stand der HSV während seiner Amtszeit noch nie.
Die Länderspielpause kommt Fink dennoch nicht ungelegen, schließlich hätten gerade Spieler wie van der Vaart eine wahre "Energieleistung" vollbracht, andere Profis wie Heiko Westermann liefen trotz ihrer Blessuren auf. "Wenn wir diese Einstellung wie in Fürth auch beim kommenden Heimspiel gegen den VfB Stuttgart zeigen, können wir auch dieses Spiel gewinnen", hofft Arnesen, dass der spürbare Mentalitätswechsel im Team für weitere Punkte sorgt. Sollte der dritte Sieg in Folge gelingen - was zuletzt ebenfalls in der Saison 2010/11 gelang -, sollten die HSV-Spieler in jedem Fall überlegen, auch in Hamburg öffentliche Verkehrsmittel für die Heimreise zu nutzen. Man soll ja bekanntlich im Fußball einen positiven Lauf nicht gefährden, indem man etwas an den Abläufen ändert.