Eine B-Elf des Hamburger SV verliert 1:2 bei Rudnevs' Ablösespiel in Posen. Im Aufsichtsrat hatte die Partie für Irritationen gesorgt.
Posen. Am Ende eines wahrscheinlich unvergesslichen Ausflugs in die alte Wahlheimat winkte Artjoms Rudnevs noch einmal artig seinen früheren Fans zu, die den abgewanderten Publikumsliebling bei seiner Auswechslung ein letztes Mal mit Sprechchören feierten. Der Lette klatschte zunächst seine neuen Kollegen, dann seine alten Kollegen ab und ließ sich noch während des Spiels zu einer von den Zuschauern geforderte Ehrenrunde hinreißen. Dass der HSV bei der vor allem in der zweiten Halbzeit enttäuschenden 1:2-Niederlage gegen Lech Posen ohne neun Profis - Adler, van der Vaart, Westermann, Jansen, Arslan, Ilicevic, Badelj, Son und Drobny blieben in Hamburg - angetreten war, schien zu diesem Zeitpunkt niemanden mehr zu interessieren. Der eigentliche Star des Abends war ohne Zweifel Posens ehemaliger Torjäger. "Es war ein ganz toller Tag für mich", sagte Rudnevs gerührt.
Bereits vor der Begegnung hatte Rudnevs bekräftigt, dass die Partie für ihn etwas Besonderes sei. "Ich hatte richtig Lust auf das Spiel", sagte der Rückkehrer, der bereits seit Jahren nur Rudi gerufen wird, "mir war es wichtig, mich angemessen zu verabschieden." Wie wichtig der Familie Rudnevs die Partie aber tatsächlich war, wurde durch die Anwesenheit von Ehefrau Santa deutlich, die für das Abschiedsspiel extra aus Riga eingeflogen war.
Demnächst soll Santa dann gemeinsam mit Töchterchen Arina, 1, Dauergast auf der Tribüne der Imtech-Arena sein. Nachdem Rudnevs drei Monate lang im Elysée-Hotel gewohnt hatte, konnte er am Dienstag endlich seine neue Bleibe in Nienstedten beziehen. Sobald alles fertig ist, soll die Familie aus Lettland nachkommen.
Zumindest fußballerisch scheint sich der sensible Stürmer aber nach einem etwas holprigen Start in Hamburg eingewöhnt zu haben. Seinen Stammplatz als einzige Sturmspitze hat der 3,5-Millionen-Euro-Mann erst wieder in der vergangenen Woche mit seinen beiden Treffern gegen Mönchengladbach und Hannover zementiert. "Artjoms ist ein Torjäger, der in die Tiefe geht, der läuft und der arbeitet", lobte Sportchef Frank Arnesen, "natürlich hat er Defizite, aber er kann auch Fußball spielen. Und das gar nicht mal so schlecht." Rudnevs selbst hatte sich vor seinen ersten beiden HSV-Treffern sehr viel mehr Gedanken gemacht, als es von außen den Anschein hatte. "Die beiden Tore waren wichtig für die Mannschaft - aber auch sehr wichtig für mich", sagt der 24-Jährige, der darauf verweist, dass er auch in Posen (33 Treffer) und zuvor in Zalaegerszegi (20 Tore) Eingewöhnungszeit brauchte. "Ich bin glücklich, dass der Trainer und der Sportchef immer an mich geglaubt haben."
Tatsächlich hatte Sportchef Arnesen, der Rudnevs monatelang in Posen beobachten ließ, bei dessen Verpflichtung sehr viel mehr Überzeugungsarbeit zu leisten, als bis heute bekannt war. Dabei ging es aber weniger um die mutmaßlichen Qualitäten Rudnevs' als viel mehr um die Modalitäten seines Wechsels. So scheiterte der Däne mit seiner ersten Beschlussvorlage, die im komplizierten Vertragswerk mit Posen eine Teilverrechnung der Ablöse mit zwei optionalen Freundschaftsspielen des HSV in Posen vorsah. Nachdem es im Aufsichtsrat Widerstand gegen den in dieser Form aus Sicht des Gremiums ungewöhnlichen Vertrag gab, ließ Arnesen wenig später eine zweite Beschlussvorlage vorlegen. Und obwohl die überarbeitete Fassung, die lediglich das gestrige Freundschaftsspiel des HSV in Posen fixierte, vom Kontrollgremium abgesegnet wurde, soll Arnesen alles andere als erfreut über das anfängliche Misstrauen gewesen sein.
Rudnevs selbst dürfte von dem Gezerre hinter den Kulissen nur wenig mitbekommen haben. "Ich hoffe, dass wir mit dem HSV bereits in dieser Saison einen Europa-League-Platz erreichen", sagt der Angreifer, der dann doch noch ein zweites Mal mit dem HSV nach Posen zurückkehren könnte. Dann vielleicht ja sogar in Bestbesetzung.
Hamburg: Mickel - Sala, Bruma, Sowah, Sternberg (81. Diekmeier) - Beister, Skjelbred, Tesche, Jiracek (67. Brown) - Berg, Rudnevs (48. Steinmann). Tore: 0:1 Berg (31.), 1:1 Djurdjevic (73.), 1:2 Wilk (76.). Zuschauer: 10.000.