Für Sylvie und Rafael van der Vaart soll die Hansestadt für viele Jahre die neue Heimat sein. Der HSV hofft indessen auf sportlichen Aufschwung.
Hamburg. Das Lächeln war strahlend und ansteckend wie immer, das kleine Weiße betonte perfekt ihre schlanke Figur. Sylvie van der Vaart kuschelte sich auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin werbewirksam an Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit streckte eine elektrische Zahnbürste nach vorne. Während ihres Sponsorentermins blieb jedoch noch genug Zeit, um via Twitter Abschied von London zu nehmen: "Danke Spurs und an alle Fans für eine wunderbare Zeit. Ihr Jungs habt das beste Team in England. Werden Euch immer lieben! Zeit, jetzt nach Hause zu gehen", schrieb Frau van der Vaart um 13 Uhr. Um 12.35 Uhr hatte ihr Mann wieder - umschwärmt wie ein Staatsmann - Hamburger Boden betreten.
+++ Alles auf van der Vaart +++
"Wofür sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt", heißt es bei Wilhelm Buschs Max und Moritz. Der Reim passt nicht nur zu Witwe Boltes Vorliebe für Sauerkohl, sondern auch zu Sylvie und Rafael van der Vaart. Am Freitag begann, um im Bilde zu bleiben, ihr zweiter Streich in Hamburg. Rafael van der Vaart unterschrieb einen Drei-Jahres-Vertrag beim HSV, der für die Dienste des Niederländers 13 Millionen Euro Ablöse an Tottenham Hotspurs überweisen muss. Doch nicht nur der nach Erfolg lechzende Fußball-Bundesliga-Klub hat endlich seinen erhofften Heilsbringer. Die van der Vaarts gibt es nur gemeinsam, im Doppelpack. Hamburg hat sein Traumpaar zurück.
2008 schien die Ära van der Vaart nach drei Jahren endgültig vorbei zu sein. Für 15 Millionen Euro Ablöse ließ der HSV seinen Mittelfeldstrategen zu Real Madrid ziehen, der am Ziel seiner Träume war. Endlich würde er zu den ganz Großen seines Landes gehören, in einem Atemzug mit den Oranje-Stars Ruud van Nistelrooy, Arjen Robben oder Wesley Sneijder genannt werden.
+++ Stationen ihrer Karriere +++
Es war das friedliche Ende eines schwierigen, sich über Monate hinziehenden Trennungsprozesses. Nur zu gerne wäre van der Vaart schon 2007 ins Land seiner Großeltern gewechselt, So flirtete er intensiv mit dem FC Valencia, ließ sich sogar mit dem Trikot der Spanier ablichten und sagte: "Ich werde dafür kämpfen, dass das mein Trikot wird." Unappetitlich wurde es, als sich van der Vaart vor einem Europapokal-Spiel des HSV in Budapest mit einem Hexenschuss krank meldete. Angeblich hatte er sich an seinem Sohn verhoben. Praktischer Nebeneffekt: So wäre er für seinen neuen Verein international spielberechtigt geblieben.
Das strahlende Image van der Vaarts hatte spürbar gelitten. Die Fans registrierten frustriert und verärgert, dass Hamburg für ihre Identifikationsfigur auch nur eine Durchgangsstation zu sein schien. Schien. Denn kurz nach dem Umzug nach Madrid machte Sylvie in einem "Bild der Frau"-Interview deutlich: "Als ich die Schlüssel für die Wohnung (in Eppendorf, d. Red.) abgegeben habe, war das ein sehr trauriger Moment. Wir hatten eine tolle Zeit in Hamburg. Ich vermisse Deutschland mehr als Holland. Es war mein Zuhause. Ich hatte da mein ganzes Leben." Ob in Madrid oder in London, immer wurde im Haus der van der Vaarts auch Deutsch gesprochen, da Sohn Damián eine deutsche Nanny hat. Hamburg war für das Traumpaar die erste Station im Ausland. Rafael war europaweit schon als Star-Kicker registriert, Sylvie hatte in den Niederlanden einige Stufen auf der Showtreppe genommen. "Hamburg und van der Vaart, das hat sich prächtig ergänzt", erinnert sich der frühere Sportchef Dietmar Beiersdorfer, der den "kleinen Engel" von Ajax Amsterdam zum HSV lockte. "Aufgrund seiner Leistungen lag die Stadt Rafael zu Füßen, während Sylvie sehr viel Aufmerksamkeit auf sich zog." Für Beiersdorfer und den damaligen HSV-Vorstand war van der Vaart der wohl wichtigste und erfolgreichste Transfer ihrer Amtszeit. Mit einem Schlag hatte der ruhmreiche, aber weitgehend erfolglose HSV an nationaler Bedeutung und Akzeptanz gewonnen, nach dem Motto: Schau' mal einer an, der HSV ist in der Lage, einen van der Vaart zu verpflichten. Bei Kindern und Jugendlichen war sein Trikot mit der Nummer 23 sofort der Renner. Doch auch die Karriere seiner Frau Sylvie bekam in Hamburg den entscheidenden Schub. Die frühere MTV-Moderatorin unterschrieb 2007 einen Werbevertrag beim Versandhaus Otto, ein Jahr später wurde sie an der Seite von Dieter Bohlen Mitglied der RTL-Castingshow "Das Supertalent", später kam "Let's dance".
Die Mischung Top-Fußballer und Unterhaltungs-Star garantierte Aufmerksamkeit - und Sylvie und Rafael van der Vaart liebten es, mit den Instrumenten der Öffentlichkeit zu spielen, sie versteckten sich nie, sondern zeigten der Welt mit vielen hübschen Worten und schönen Bildern, dass sie eine glückliche Ehe leben. Schon ihre Hochzeit 2005 wurde live im niederländischen Fernsehen übertragen. Während der EM 2008 in Österreich und in der Schweiz führte sie in "Bild" ein Video-Tagebuch. Als Sylvie den Kampf gegen die Brustkrebs-Erkrankung gewonnen hatte, druckten Europas Society-Magazine 2011 Fotos mit Sylvie und Rafael, die in der "Wedding Chapel" von Las Vegas ihr Gelübde mit einem zweiten Jawort erneuerten. Ein begehrtes Motiv für die Promi-Fotografen gab das Paar auch ab, als Sylvie ihren Mann nach der für die Niederlande so enttäuschend verlaufenen EM mit einem romantischen Urlaub in St. Tropez tröstete.
+++ "Endlich wieder zu Hause!" +++
Wer dann noch in Dessous auf den Laufsteg geht und sogar eine eigene Barbie kreiert bekommt, gerät schnell in Verdacht, eine von Äußerlichkeiten geprägte Mode-Puppe zu sein. Ihr Manager Peter Olsson, der einst Nationalstürmer Oliver Bierhoff zur Werbeikone aufbaute, sieht ganz andere Seiten: "Sylvie hat eine unglaubliche Ausstrahlung. Sie musste sich gegen viele Widerstände durchsetzen, vor allem gegen das Klischeebild einer typischen Spielerfrau. Sylvie hat es mit ihrer sehr natürlichen Art geschafft. Sie ist kein Glamour-Girl, sondern eine Frau, die mitten im Leben steht und ihre eigene Karriere vorantreibt. Sylvie ist unglaublich professionell, man kann sich auf ihr Wort immer verlassen. Dass sie den Brustkrebs besiegt hat, schreibe ich auch ihrer so positiven Lebensart zu."
All die Jahre gehörte es für die van der Vaarts wie selbstverständlich dazu, auch über ihre Beziehung zu plaudern. "Sex ist das Wichtigste in einer Ehe", erklärte Rafael offen. Im Mai erschien in den Niederlanden vor der EM-Endrunde das Magazin "Rafael", mit langen Bilderstrecken ihres Hauses in London. "Wir sind stolz aufeinander. Zusammen mit unserem Sohn sind wir die drei Musketiere und schaffen alles", sagte Sylvie einmal in einem "Amica"-Gespräch. Und so ist der Schritt, wieder nach Hamburg zu ziehen, eine Entscheidung für die Familie. Hamburg soll für die niederländischen Musketiere langfristig die Heimat sein. Dass sich Rafael zusichern ließ, auch nach seiner Fußballer-Karriere für den HSV arbeiten zu dürfen, spricht für sich.
Angesichts der vielen Verpflichtungen Sylvies in Deutschland wird es für die van der Vaarts leichter sein, mehr Zeit miteinander zu verbringen. Und Hamburgs Society freut sich ebenfalls auf ihre nächsten Auftritte. "Rafael hat nie bewusst das Rampenlicht gesucht", glaubt Beiersdorfer. "Das Schöne in ihrer Beziehung ist aber, dass einer den anderen unterstützt und niemand der Karriere des anderen im Wege steht. Für mich waren und sind das zwei ganz normale, liebe Menschen mit einem sehr guten Charakter."
Während sich die neue Wahlheimat Hamburg für die 34-jährige Sylvie nur positiv auswirken dürfte, ist die Aufgabe für ihren fünf Jahre jüngeren Mann umso schwerer. "Mit van der Vaart zur Spitze", dieses Motto hat HSV-Investor Klaus-Michael Kühne schon im Juni ausgegeben, der den Transfer mit einem Millionen-Darlehen erst möglich gemacht hat. Van der Vaart soll dem HSV, dessen Image bundesweit nach dem sportlichen Niedergang schwer gelitten hat, neuen Glanz verleihen.
Bastian Reinhardt erlebte die Hamburger Zeit van der Vaarts zwischen 2005 und 2008 als Mitspieler mit und ist sich sicher, dass es keine Integrationsprobleme geben wird: "Rafael ist ein total unkomplizierter Typ, der sich von dem ganzen Hype schon damals nicht verrückt machen ließ", sagt der heutige Nachwuchsleiter, "das ist einer, der einfach auf dem Platz guten Fußball spielen will. Er war mutig auf dem Spielfeld und wird das wieder sein. Einen Sonderstatus innerhalb des Teams hat er nie für sich beansprucht. Ein Vorteil für die jungen Spieler wird sein, dass sie in seinem Schatten gut wachsen können."
Auf van der Vaart lastet nun vermeintlich der ganze Druck: Bleibt der Erfolg beim HSV aus, wird es ihm hauptverantwortlich angelastet werden. Doch dass er nicht in der Masse vieler Stars in London verschwindet oder sogar auf der Bank landet, ist gerade der Kick, der van der Vaarts Sehnsucht nach Hamburg genährt hat. Er wird gerne die Rolle des Heilsbringers übernehmen, alles für den HSV geben - und die Anerkennung genießen.