Der 32 Jahre alte Österreicher wird einen Zweijahresvertrag unterschreiben. Früherer HSV-Trainer Kurt Jara traut ihm eine Führungsrolle zu.
Hamburg. Obwohl Fußball bekanntlich ein schnelllebiges Geschäft ist, kann es manchmal doch länger dauern, als man denkt. So war es gestern Nachmittag längst kein Geheimnis mehr, dass sich der designierte HSV-Neuzugang Paul Scharner bereits in Hamburg aufhält - als zumindest halboffiziellen HSV-Profi durfte sich der Österreicher erst am Abend bezeichnen. "Es ist vollbracht", sagte Berater Valentin Hobel um 20.18 Uhr, nachdem er zusammen mit Scharner und Sportchef Frank Arnesen die Details des Zweijahresvertrags besprochen hatten. Unterschreiben will der 32 Jahre alte Innenverteidiger den Vertrag am Donnerstag, sobald die Ergebnisse der medizinischen Untersuchung vorliegen.
Doch auch ohne Brief und Siegel versetzte der bevorstehende Transfer Trainer Thorsten Fink in Hochstimmung. "Paul bringt genau die Erfahrung mit, die wir noch brauchen", sagte Fink, der sich am Montag in Wien mit Scharner getroffen hatte. Der Österreicher habe sogar einen Notizblock voll mit Fragen über den HSV dabei gehabt, berichtete Fink, "der war topvorbereitet". Zweieinhalb Stunden lang hatten sich die beiden ausgetauscht, ehe Scharner zum Ende des Gesprächs um ein wenig Bedenkzeit bat. "Er meinte, er müsse noch mal über alles nachdenken", erzählte Fink, "zwei Sekunden später sagte er mir dann: Trainer, ich mach es."
Am Morgen nach dem Gespräch machte sich Scharner tatsächlich umgehend auf den Weg nach Hamburg und ließ sich am Nachmittag im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) beim Medizincheck gründlich untersuchen. "Wir haben genau den richtigen Mann gefunden, einen lautstarken Organisator, topfit, kopfball- und zweikampfstark", schwärmte Fink, der sich vor seinem Kurztrip in Österreichs Hauptstadt bei Nationaltrainer Marcel Koller und dessen Vorgänger Dietmar Constantini über Scharner erkundigt hatte. Was er von seinen Trainerkollegen zu hören bekam, muss ähnlich positiv gewesen sein wie Kurt Jaras Meinung über den 1,91 Meter großen Abwehrriesen. Der frühere Hamburger Coach ist sicher, dass der HSV mit Scharner einen Glücksgriff getätigt hat. "Paul kann ein Spiel lesen und organisieren. Mit seiner Erfahrung kann er sofort eine Führungsrolle beim HSV übernehmen", sagt Jara, der als Scharners einziges Manko "Überheblichkeit" nennt.
+++ Info: Hof war der erste HSV-Ösi +++
+++ Rajkovic neben Fink +++
Tatsächlich fiel der Mozart-Fan mehrfach durch seine, wie Fink es nennt, "positive Verrücktheit" auf. So erschien der Niederösterreicher vor sieben Jahren zu seiner offiziellen Vorstellung bei Premier-League-Klub Wigan Athletic mit in Vereinsfarben (blau und weiß) gefärbten Haaren und einem Bärenfellmantel. Über seinen Nationalmannschaftskollegen Marko Arnautovic sagte der gelernte Elektrotechniker mal, dass der Werder-Stürmer "nur Stroh im Kopf" habe. Er selbst arbeitet seit Jahren eng mit Mentaltrainer und Berater Hobel zusammen, macht Meditationstraining und übt spezielle Atemtechniken. Und wahrscheinlich darf der dreifache Familienvater als weltweit einziger Profi behaupten, sowohl Joachim Löw, damals Cheftrainer bei Austria Wien, als auch dem damaligen ÖFB-Trainer Josef Hickersberger den Einsatz verweigert zu haben. "Löw ließ mich auf sieben verschiedenen Positionen spielen, irgendwann konnte ich nicht mehr", erklärte er seinerzeit.
Ein ähnliches Dilemma dürfte in Hamburg unwahrscheinlich sein. Fink plant mit Scharner, früher auch im defensiven Mittelfeld aktiv, ausschließlich auf der Position des Innenverteidigers. Doch bei aller Begeisterung über seinen Neuzugang machte Fink deutlich, dass dieser sich seinen Platz im Team erst noch erkämpfen müsse. Michael Mancienne und Jeffrey Bruma seien eingespielt, mit beiden sei er sehr zufrieden, "aber natürlich wird Paul wie jeder andere die Chance haben, sich im Training für einen Startplatz zu empfehlen".
Wie lange Scharner, der immerhin auf 207 Einsätze in der englischen Premier League kam, auf diese Chance warten wird, dürfte die wohl spannendste Frage der kommenden Wochen sein. "Paul wird nicht nach Hamburg kommen, um Ersatzspieler zu sein", sagt Jara, "er will unbedingt spielen." Für den HSV wird der 40-fache Nationalspieler, der gestern für Österreichs Länderspiel in der kommenden Woche gegen die Türkei nominiert wurde, wohl erstmals am kommenden Sonnabend beim Testspiel des HSV auf Mallorca auflaufen dürfen. "Natürlich wird Paul nicht nur unseren Kader auffüllen", sagte Fink, der auch mit dem Gerücht aufräumte, Scharner sei zuletzt im Probetraining bei Eintracht Frankfurt durchgefallen: "Nach meinen Informationen wollte Frankfurt ihn haben, aber er war zu teuer. Also eigentlich hat er abgesagt."