Nach der 2:4-Heimpleite gegen Bayer Leverkusen liegen die Nerven an der Elbe blank. Sportchef Reinhardt: “Frank muss sich entscheiden.“
Hamburg. Wütender Protest der Anhänger, eine leblose Truppe und gefühlter Abstiegskampf bei Armin Veh: Beim 2:4 (0:1) gegen Bayer Leverkusen ließ der Hamburger SV Auflösungserscheinungen erkennen. „Ja, es ist richtig, nach oben müssen wir gar nicht mehr gucken, die Europa League abhaken. Wir stecken in einer schweren Krise, und es besteht die Gefahr einer Spirale“, warnte der HSV-Trainer. „Wir liegen am Boden und ich bin genauso wenig erfolgreich wie die Mannschaft, ich liege ja selbst am Boden.“ Die Fans machten derweil vor allem den Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann für die Misere verantwortlich: Mehr als 150 von ihnen umstellten nach dem Schlusspfiff den Parkplatz des Clubchefs und skandierten „Hoffmann, raus!“ Mit Pfiffen und „Wir haben die Schnauze voll“-Sprechchören machten sich die gebeutelten HSV-Anhänger nach der vierten Niederlage im fünften Spiel Luft.
„Es hat nichts damit zu tun, dass sie nicht wollen, die Spieler hatten Angst. Wir müssen es hinbekommen, positiv zu denken, jetzt nicht auch noch drauftreten“, lautet das Rezept von Veh, der nach dem 0:1 in Freiburg den älteren Profis vertraut hatte. Doch vor allem Zé Roberto und Ruud van Nistelrooy zahlten dieses Vertrauen nicht zurück – der Brasilianer wirkte unmotiviert, leistete sich viele Abspielfehler und wird wohl ebenso wie der Niederländer nicht mehr lange in der Hansestadt verweilen. Mit fast 30 Jahren Durchschnittsalter ist ein Großteil des Teams über den Zenit hinaus, gegen die Werkself fehlte es an Tempo und flottem Zusammenspiel. Einzig Torhüter Frank Rost zeigte mit seinen 37 Jahren eine akzeptable Leistung. Er gibt sich nicht mit dem Status quo von 21 Zählern im Mittelmaß zufrieden: „Vom Erzählen wird es sowieso nicht besser. Es ist enttäuschend, wenn du die Leverkusener so frei durchlaufen lässt, ohne dass du etwas machst.“
Die kritischen Worte stießen Sportdirektor Bastian Reinhardt übel auf. „Auch Frank muss sich langsam entscheiden, ob er einer sein will, der etwas mit aufbauen will oder ob er niederreißen will. Einen von den beiden Wegen gibt es nur“, sagte der frühere Innenverteidiger am Sonntag. „Sich nach dem Spiel hinzustellen und etwas Kryptisches zu sagen – ich weiß nicht, wen er damit mitreißen will.“ Rost hatte die Mannschaft mit dem Zauberlehrling von Goethe verglichen. Besonders bitter war der erste Treffer durch den ehemaligen Hamburger Sydney Sam (30.), der jubelnd auf das Bayer-Emblem zeigte. Wegen schlechter Führung hatte der HSV seinen Leihspieler von Kaiserslautern schließlich an Leverkusen verkauft. Der Geschmähte schwieg hinterher und genoss sein sechstes Saisontor gegen den alten Arbeitgeber umso mehr.
Ohne Mladen Petric und keinen einzigen Offensivspieler in Topform brauchte der HSV ein Eigentor von Arturo Vidal (47.) zum Ausgleich. Der starke Chilene (61.) machte sein Missgeschick aber umgehend wieder gut, ehe Renato Augusto die Partie entschied. Erst erhöhte er mit einem sehenswerten Treffer (66.), dann half ihm Rost und lenkte seinen Schuss ins eigene Netz (78.). Der Treffer des eingewechselten Eljero Elia (78.) änderte nichts mehr. „Ich würde dem HSV raten, Geduld zu haben“, sagte Jupp Heynckes, „sie haben einen guten Trainer, der viel von Fußball versteht, und ein gutes Spielkonzept.“ Wie ein Elder Statesman genoss der 65- jährige Bayer-Coach, der seit 19 Jahren nicht gegen die Hamburger verloren hat und seit neun Spielen mit Leverkusen auswärts ungeschlagen ist, den Erfolg. Er hat seiner Mannschaft zu einem Selbstbewusstsein verholfen, das sie mit 32 Punkten zum Dortmund- Jäger macht.