Ein Jahr nach den Werder-Wochen geht es für den HSV am Sonnabend wieder gegen Bremen um den Ertrag einer ganzen Saison.
Hamburg. Vier Spiele innerhalb von 18 Tagen - das hatte es in der Geschichte des HSV und von Werder Bremen zuvor nicht gegeben. Vier Spiele, in denen der HSV die große Chance hatte, erstmals seit 1987 wieder einen Titel nach Hamburg zu holen. Es sollte nicht sein, denn es gab einen Spielverderber: Werder Bremen. Der Rivale aus dem Norden schaffte es innerhalb von nicht einmal drei Wochen, den Hamburgern sowohl die Chance auf den Gewinn des DFB-Pokals, des Europapokals als auch die Qualifikation zur Champions League zu vermiesen.
Das Trauma an der Elbe hält bis heute an, wenngleich sich der HSV im Hinspiel der laufenden Bundesligasaison mit einem 2:1-Sieg in Unterzahl ein wenig revanchierte. Am Sonnabend (15.30 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de) haben die Schützlinge von Interimstrainer Ricardo Moniz Möglichkeit Nummer zwei, die Geschehnisse des Vorjahres zumindest ein weiteres Stück zu verdrängen. Wieder geht es gegen Werder, wieder steht der Ertrag einer ganzen Saison auf dem Ziel. Gewinnen die Rothosen im Weserstadion und verliert Stuttgart gleichzeitig in Hoffenheim, hätte Hamburg auf der Zielgerade doch noch das internationale Geschäft erreicht. Gleichzeitig könnten Petric und Co. den Bremern die Qualifikation zur Champions League streitig machen. Ein Ziel, das zusätzlich Ansporn geben könnte.
Moniz selbst schickte vor dem brisanten Nordduell bereits die ersten Giftpfeile in die andere Hansestadt: "Bremen ist kein Angstgegner für uns. Wir bestimmen, wo es langgeht" sagte der Niederländer unter der Woche und versuchte mit diesen Worten, seine Spieler stark zu reden.
Vor dem Nord-Derby sind in Bremen unterdessen gefälschte Eintrittskarten im Umlauf. Betroffen ist nach Angaben des Fußball- Bundesligisten der Stehplatz-Bereich in der Ostkurve. Die Polizei habe bereits einen Tatverdächtigen festgenommen, der aber die Aussage verweigere. Werder kündigte als Konsequenz für das letzte Punktspiel verschärfte Kontrollen im Weserstadion an. „Dadurch kann es zu Verzögerungen beim Einlass kommen“, teilte Werders Mediendirektor Tino Polster am Donnerstag mit. Trotz der Ticket-Probleme überwiegt die Freude auf ein spannendes Saisonfinale, in dem es für beide Teams um viel geht. Werder will Rang drei und den Start in der Champions-League-Qualifikation sichern, der HSV kämpft um seine letzte Chance für Platz sechs.
„Das ist eine herrliche Situation, es ist fantastisch. Ich hoffe auf eine großartige und faire Partie“, sagte Werder-Trainer Thomas Schaaf. Er kann seine Bestbesetzung aufbieten. Der Brasilianer Naldo kehrte nach einem Tag Pause in das Mannschaftstraining zurück. In Tim Wiese, Per Mertesacker, Marko Marin und Mesut Özil schafften gleich vier Bremer Profis den Sprung in den erweiterten WM-Kader. „Das sind so viele wie nie und bestätigt den richtigen Weg bei unserer Personalpolitik“, sagte Geschäftsführer Klaus Allofs. Enttäuscht reagierten die Verantwortlichen auf die Entscheidung von Bundestrainer Joachim Löw, Mittelfeldspieler Aaron Hunt nicht zu berücksichtigen. „Wir hätten es Aaron gegönnt, er hat eine gute Saison gespielt. Er hätte die Mannschaft nach vorne bringen können“, so Schaaf. Der Werder-Coach hatte am Donnerstag mit Löw telefoniert und wusste, dass Hunt einer der unsicheren Kandidaten war.
Vor dem entscheidenden Spiel am Wochenende blickt abendblatt.de noch einmal zurück auf die für den HSV so schmerzhaften Werder-Wochen vor einem Jahr.
22. April 2009, DFB-Pokal-Halbfinale: HSV - Werder 1:3 i.E.
Lange hatten die Hamburger nicht mehr in einem DFB-Pokalhalbfinale gestanden. Im eigenen Stadion sollte es klappen, nach dem Triumph von 1987 endlich wieder in das Endspiel in Berlin einzuziehen. Es klappte nicht. Schuld daran war in erster Linie Tim Wiese. Werders Keeper entschärfte im Elmeterschießen gleich drei Strafstöße (Olic, Boateng, Jansen). Zuvor hatte Ivica Olic die Führung von Per Mertesacker ausgeglichen, David Jarolim nach Foul an Mesut Özil die Rote Karte gesehen. In der letzten Minute der Verlängerung vergab Jonathan Pitroipa die große Chance auf den Siegtreffer, doch Wiese klärte in Kamikaze-Manier. Werder zog ins Endspiel ein und gewann den Pokal dort nach 1:0 gegen Leverkusen.
30. April 2009, Uefa-Pokal-Hinspiel: Werder - HSV 0:1
Nur eine Woche später revanchiert sich der Hamburger Sportverein für das Aus im Pokal mit einem Sieg an der Weser. Ausgerechnet der nur 1,69 Meter kleine Piotr Trochowski erzielt per Kopf nach Flanke von Guy Demel das Siegtor. "Piotrs Kopfballtreffer hat mich stark an Horst Hrubesch erinnert", sagte Kapitän David Jarolim über den Treffer. Werder fällt gegen die stark verteidigende Hamburger Abwehr nichts ein. "Dieser Erfolg war sehr wichtig für unsere Seele", brachte Ex-Sportchef Dietmar Beiersdorfer die Gefühlslage der Hamburger Spieler auf den Punkt. Matchwinner Trochowski warnte: "Wir dürfen und wir werden nicht vergessen, dass wir noch ein zweites Spiel zu bestreiten haben".
7. Mai 2009, Uefa-Pokal-Rückspiel: HSV - Werder 2:3
Die Warnung von Trochowski sollte sich bestätigen. Nach einem dramatischen Spiel scheidet der HSV aus. Zwar brachte Ivica Olic die Hamburger auf die Siegerstraße, doch Diego und Claudio Pizarro drehten mit ihren Treffern das Spiel. Dann folgte die Szene, die in die Geschichte der Fußball-Kuriositäten einging: HSV-Däne Michael Gravgaard will einen Rückpass zu Keeper Frank Rost spielen, doch just in dem Moment verspringt der Ball durch eine auf dem Platz liegende Papierkugel. Es kommt zu einer überflüssigen Ecke für Bremen, aus welcher der entscheidende 3:1-Treffer durch Frank Baumann resultiert. Bremen gewinnt, daran ändert auch das Anschlusstor durch Olic nichts mehr. In der Schlussminute vergibt Petric mit einem Fallrückzieher das mögliche 3:3.
10. Mai 2009, 31. Spieltag der Bundesliga: Werder - HSV 2:0
Nur drei Tage später der totale Frust für den HSV: Durch das 0:2 in Bremen verspielten die Rothosen auch die Qualifikation zur Champions League. Werders Portugiese Hugo Almeida schoss die Hamburger mit einem Doppelpack im Alleingang ab. Mit einem Sieg wäre der Klub wieder mittendrin im Meisterschaftsrennen gewesen, doch die HSV-Profis wirkten weder körperlich noch mental frisch, die Laufbereitschaft ließ zu wünschen übrig. Kaum einmal fiel ein aufmunterndes Wort für den Mitspieler, Frank Rosts verzweifelte Versuche, seine Kollegen zu motivieren, verpufften. "Schade Hamburg, alles ist vorbei", sangen die Werder-Fans, und: "Gegen Bremen kann man mal verlieren."