Nach der 0:3-Niederlage gegen Hannover 96 schlug der Frust einiger VfL-Anhänger in Gewalt um. 66 Personen wurden verletzt.
Bochum. Dariusz Wosz stand fassunglos am Spielfeldrand und kämpfte mit den Tränen, als der VfL Bochum in Wut und Trauer versank. Der Interimscoach musste hilflos mitansehen, wie der Frust einiger VfL-Anhänger über den sechsten Abstieg der Klubgeschichte in Gewalt umschlug. Nach dem peinlichen 0:3 (0:3) im "Endspiel" gegen Hannover 96 stürmten Hooligans den Platz. Einige wenige durchbrachen die Polizeisperren und lieferten sich auch Rangeleien mit Bochumer Spielern. Nach Angaben der Polizei wurden dabei 66 Personen verletzt, 20 Rowdys wurden festgenommen. Es war der Tiefpunkt am Ende eines vierjährigen Erstliga-Intermezzos des Fahrstuhlklubs.
"Gewalt verurteile ich grundsätzlich. Ich kann aber verstehen, dass sich in diesen 90 Minuten Aggressionen aufgebaut haben", sagte VfL-Sportvorstand Thomas Ernst, den die Leistung der Mannschaft anscheinend noch mehr konsternierte als der Ausbruch der Gewalt nach Spielende: "In mir herrscht totale Leere.» Viele Spieler hätten sich zuletzt "nicht mehr untergeordnet", sich "selbst zu wichtig" genommen: "Das hat es in Bochum seit ewigen Zeiten nicht mehr gegeben."
Derweil saß Wosz wie ein häufchen Elend auf dem Podium des Presseraums und versuchte erst gar nicht, Scham und Frust zu verbergen. "Ich möchte mich bei allen Fans entschuldigen. Wir wollten von Beginn an Druck machen, aber davon war nichts zu sehen. Das war zu meiner Zeit noch anders. Das war Angsthasen-Fußball. Ich habe keine Erklärung für so eine Leistung."
Kapitän Marcel Maltritz hatte eine: «Das war Unvermögen.» Gemeinsam mit Anthar Yahia war der Abwehrspieler nach Schlusspfiff seinem Teamkollegen Mergim Mavraj zu Hilfe geeilt, der von einem Hooligan von hinten gestoßen und wüst beschimpft worden war. Im Gegensatz zu den Krawallen im Berliner Olympiastadion im Anschluss an das Spiel zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Nürnberg Mitte März waren Ordner und Polizisten unmittelbar zur Stelle und verhinderten Schlimmeres.
Wie es in Bochum weitergeht, steht zu großen Teilen in den Sternen. Die meisten Spieler besitzen gültige Zweitliga-Verträge zu reduzierten Bezügen, doch auch der totale Umbruch ist nicht ausgeschlossen. "Bei der Auswahl der Spieler wird für uns sehr wichtig sein, wer sich zu 100 Prozent mit dem Verein identifiziert", sagte Ernst, der auch eigene Fehler eingestand. Er betonte aber, "willens zu sein, hier den Neuanfang voranzutreiben".
Der wird bitter nötig sein. Auch die Entlassung von Coach Heiko Herrlich, der den Untergang des VfL von der Tribüne aus verfolgte, und die Berufung von «Feuerwehrmann» Wosz zwei Spieltage vor Saisonende erwiesen sich als nutzlos.
Nach den Gegentreffern des überragenden Arnold Bruggink (9.) sowie von Mike Hanke (23.) und Sergio Pinto (45.) sei die Mannschaft am Samstag laut Ernst "in sich zusammengefallen". Am Ende der niederschmetternden Serie von zwölf Spielen nacheinander ohne Sieg stand wie selbstverständlich der Abstieg.
Wosz wird nun wieder wie verabredet ins zweite Glied rücken, Gespräche mit Trainerkandidaten hat es bereits gegeben. Man wolle "schnell eine passende Lösung finden", sagte Finanzvorstand Ansgar Schwenken, der mit Spannung auf die anstehenden Gespräche mit den Spielern blickt: "Mal sehen, wer bereit ist, diesen Bockmist wieder auszulöffeln."
Klar ist nur, dass Stürmer Diego Klimowicz seine Karriere beendet und Leihspieler Lewis Holtby vorzeitig zu Schalke 04 zurückkehren wird. Nur wenige Verträge, etwas die von Vahid Hashemian und Joel Epalle, laufen aus.
Während die Bochumer Spieler vor den Hooligans in die Kabine flüchteten, begann im anderen Fanblock eine riesige Party, in die sich aber immer noch Trauer mischte. "Wir haben für einen Mann gewonnen, der ist oben im Himmel - und der heißt Robert Enke", sagte Torwart Florian Fromlowitz, der nach Spielende weinend zu Boden gesunken war: "Ich hoffe, dass ich so eine Saison nie wieder erleben muss." Klubchef Martin Kind hob hervor, dass "dieser Sieg noch einmal Dank und Respekt an Robert Enke gewesen ist".
Zu einem eindeutigen Bekenntnis zu Trainer Mirko Slomka, der bis zur Rettung mehrfach bei der Klubführung angeeckt war, ließ sich Kind nicht bewegen: "Jetzt freuen wir uns erst mal über den Klassenerhalt, dann analysieren wir in Ruhe die Saison."