Turin/München. Münchens Kapitän geht die Herausforderung im Achtelfinalhinspiel bei Juventus Turin gelassen an. Fan Nowitzki skeptisch wegen CL-Titel.
Nach allem, was aus Turin zu vernehmen ist, müssen sie sich beim FC Bayern auf eine ziemlich ungemütliche Dienstreise einstellen. Der ehemalige Münchner Angreifer Mario Mandzukic, nach einem für ihn wenig vergnüglichen Jahr unter der Anleitung von Trainer Pep Guardiola 2014 zu Atlético Madrid geflohen und nur ein Jahr später zu Juventus übergelaufen, gab sich jedenfalls schon mal ähnlich sperrig wie in den Strafräumen der Gegner. „Mit dem würde ich noch nicht einmal einen Kaffee zusammen trinken“, ließ der wohl gerade noch rechtzeitig genesene Kroate vor dem Wiedersehen mit Guardiola im Achtelfinalhinspiel der Champions League an diesem Dienstag (20.45 Uhr, Sky live) wissen. Das war allerdings noch nicht die forscheste Drohung. Álvaro Morata, zuletzt Vertreter des verletzten Mandzukic, sprach gar davon, den FC Bayern erwarte in Turin „die Hölle“.
Trommeln gehört zum Geschäft, und in diesem Sinne ist es wohl auch einzuordnen, dass die Münchner ebenso angriffslustig, aber auch betont gelassen reagieren. „Na dann nichts wie hin. Uns gefällt die Hölle, und wir sind darauf vorbereitet“, verkündet Arturo Vidal. Genau für diese Art von Spielen, in denen schneidige Zweikämpfe den Gang der Dinge entscheiden können, war der rauflustige Chilene mit der Irokesen-Frisur, Spitzname „Der Krieger“, im Sommer von der Juve für 37 Millionen Euro verpflichtet worden.
Guardiola: „Was sollen wir machen?“
Doch wie es aussieht, haben sich die Münchner entschieden, dem defensiven Nahkampf weitgehend auszuweichen und stattdessen einer alten Fußballweisheit zu folgen, wonach Angriff die beste Verteidigung ist. Weil, wie sie erkannt haben, die Versetzung ins Viertelfinale in den beiden Vergleichen der Rekordmeister wohl kaum allein über die Abwehrarbeit zu erreichen sein dürfte. Wegen der Absenzen von Jérôme Boateng, Javier Martínez und Holger Badstuber. Aber auch, weil die beiden theoretisch verfügbaren Innenverteidiger, der beim 3:1 gegen Darmstadt nicht überzeugende Winterzugang Serdar Tasci und der gerade erst wieder genesene Medhi Benatia, praktisch eher nicht für die Startelf infrage kommen dürften.
Kommentar: Guardiola – Genie oder Querkopf?
„Was sollen wir machen? Wir müssen intelligent attackieren, die Konter und die Standards von Juve verhindern. Bei den Standards sind sie vielleicht die beste Mannschaft in Europa“, sagte Guardiola aüber den Champions-League-Finalisten des Vorjahres. Der Münchner Trainer wird wohl mit dem zuletzt erprobten Innenblock der fachfremden und eher kleinen, dafür aber lauf- und spielstarken Joshua Kimmich (1,76 Meter) und David Alaba (1,80 Meter) beginnen. Die Außenverteidiger Philipp Lahm und Juan Bernat (beide 1,70 Meter) komplettieren die Münchner Zwergenabwehr.
Lahm scherzt über Mini-Abwehr
Der Kapitän geht mit dieser Ausnahmesituation äußerst gelassen um. „1,74 Meter im Schnitt ist für mich schon sehr groß“, scherzte der 1,70 Meter große Lahm vor dem Abflug auf dem Münchner Flughafen. Der Weltmeister steht vor seinem 100. Spiel in der Champions League.
Generell sieht Lahm in Turin kein Größenproblem auf die Münchner Defensive zukommen. „In Standardsituationen ist man sicherlich ein bisschen im Nachteil, aber wir waren in den letzten Jahren nie die größte Mannschaft und haben es trotzdem immer gut hinbekommen“, sagte er dem Sender Sky Sport News HD: „Leider sind viele Spielern bei uns verletzt - vor allem die Innenverteidiger. Das Wichtigste ist aber, dass die Spieler die Qualität haben, um den Aufgaben in der Champions League gewachsen zu sein. Und diese haben wir definitiv in unseren Reihen.“
39 Tore für Lewandowski und Müller
Die Devise der Bayern in Turin lautet dennoch: Offensive ist Trumpf. „Wir müssen den Gegner von unserem Strafraum weghalten, dann ist er weniger gefährlich“, sagt Trainer Guardiola. Sportvorstand Matthias Sammer empfiehlt: „Wir sollten uns wegen der Körpergröße nicht ins Hemd machen.“ Auch Karl-Heinz Rummenigge hofft auf die Münchner Offensive, die immer Tore erzielen könne, wie der Vorstandschef erinnert. Clever verteidigen, das Spiel durch Ballbesitz kontrollieren, die körperlich überlegenen Turiner wie Paul Pogba, Sami Khedira oder Mandzukic vom Tor fernhalten und vorne die eigenen Vorteile ausspielen – das ist der Masterplan. Oder wie es Robert Lewandowski ausdrückt: „Wir müssen das spielen, was wir spielen wollen. Und nicht das, was Juventus will. Wichtig ist, dass wir offensiv gut spielen und viele Tore schießen.“ Hoppla, gleich mehrere?
Zumindest nach der bisherigen Bilanz der Bayern könnte diese mutige Taktik aufgehen, vor allem wegen Lewandowski und Thomas Müller. In der Bundesliga kommen der polnische Nationalspieler (22 Tore) und der deutsche (17) in dieser Saison auf zusammen 39 Erfolgserlebnisse, darunter alle zehn in den fünf Rückrundenspielen. Champions League und Pokal eingerechnet steht das Duo gar bei noch bemerkenswerteren 56 Toren (Lewandowski 32, Müller 24). Und dann sind da ja auch noch Kollegen wie Arjen Robben, Douglas Costa und der von Juventus ausgeliehene Kingsley Coman, die die Turiner in Bedrängnis bringen könnten. Oder der wieder fitte Franzose Franck Ribéry, zumindest als Joker. Zumal Juves Abwehrchef Giorgio Chiellini aller Voraussicht nach im Hinspiel verletzt fehlen wird.
Bayern unter Guardiola konteranfällig
Die Bayern wissen aber auch, dass ihre offensive Ausrichtung mit einer hoch stehenden Verteidigung ein Risiko birgt. Die Konteranfälligkeit war es ja auch, die in den beiden ersten Jahren unter Guardiola die Hoffnungen auf den Titelgewinn zunichte machte. 2014 verloren die Bayern das Halbfinalrückspiel gegen den späteren Champion Real Madrid mit 0:4. Ein Jahr später entschied das 0:3 im Hinspiel beim FC Barcelona das Halbfinalduell.
Eine andere Fußball-Weisheit, wonach die Offensive Spiele gewinnt und die Defensive Titel, darf aus Sicht der Münchner aber durchaus bestätigt werden. Jetzt angriffslustig in Turin und zurückhaltender zwei Wochen später in München, wenn die Abwehrsorgen wieder etwas geringer sind.
Nowitzki skeptisch wegen CL-Titel
An prominenen Daumendrückern fehlt es den Bayern ohnehin. So traut auch Deutschlands Basketball-Superstar Dirk Nowitzki den Münchnern ein Weiterkommen gegen Juve zu. Die Bayern hätten zwar mit großen Verletzungssorgen zu kämpfen. „Aber darum haben sie einen sehr tiefen Kader und viele Jungs, die jetzt einspringen und spielen können“, sagte Nowitzki.
Den Titel in der Königsklasse erwartet Nowitzki von den Bayern im letzten Jahr unter Trainer Pep Guardiola aber nicht. „Sie sollten Juventus schlagen, aber dann dürfte es schwer werden, weil da immer noch Barcelona ist und Barcelona ist sehr gut“, sagte Nowitzki. „Ich bin mir nicht sicher, ob sich Bayern gegen sie im Moment durchsetzen kann“, sagte der 37-Jährige, der als großer Fußball-Fan bekannt ist. „Im vergangenen Jahr war ich beim Finale in Berlin. Das war ein tolles Erlebnis“, sagte Nowitzki.
Voraussichtliche Aufstellungen:
Juventus Turin: Buffon – Lichtsteiner, Barzagli, Bonucci, M. Caceres – Khedira, Marchisio – Cuadrado, Pogba – Morata, Dybala.
FC Bayern München: Neuer – Lahm, Kimmich, Alaba, Juan Bernat – Xabi Alonso – Robben, Thomas Müller, Thiago, Douglas Costa – Lewandowski.
Schiedsrichter: Atkinson (England).
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