Alexander von Beyme vom schwul-lesbischen Sportverein „Startschuss“ in Hamburg über die Idealvorstellung über Fußball und Homosexualität. Thomas Hitzlsperger wurde in Wolfsburg davon abgeraten, sich zu outen.
Hamburg. 87. Minute, das Spiel auf Messers Schneide. Und dann doch noch der Siegtreffer nach einer wunderbaren Einzelaktion. Genau in den Winkel. Riesenjubel. Die blonde Field-Reporterin vom Pay-TV umgarnt den Torschützen nach dem Schlusspfiff für das erste Statement. „Dieses Tor“, sagt der, „widme ich meinem Freund.“
Ungefähr so sieht die Idealvorstellung von Alexander von Beyme über Fußball und Homosexualität aus. „Ich wünsche mir ein breites Bewusstsein dafür, dass jeder Fußballer schwul sein könnte“, sagt von Beyme vom schwul-lesbischen Sportverein „Startschuss“ in Hamburg, „aber so weit sind wir doch noch nicht.“
Und vor zwei Jahren erst recht nicht. Thomas Hitzlsperger hat sich am Mittwoch als der bislang weltweit profilierteste Fußballprofi zu seiner Homosexualität bekannt. Etwas über sechs Monate nach seinem Karriereende. Tatsächlich hatte der WM-Teilnehmer 2006 schon zu seiner aktiven Zeit beim VfL Wolfsburg vor zwei Jahren darüber nachgedacht, seine sexuelle Orientierung zu offenbaren. „Aber mir wurde von vielen Leuten davon abgeraten“, sagte der 31-Jährige dem britischen „Guardian“, „sie haben mich vor negativen Konsequenzen gewarnt.“
Dass nun in zahlreichen veröffentlichten Reaktionen von „Mut“, „Respekt“ und „Anerkennung“ zu lesen ist, war zu erwarten. Viele aber haben auch geschwiegen. Ebenfalls am Mittwoch hat laut „Guardian“ der brasilianische Profi Alex von Paris St. Germain gefaselt: „Gott hat Adam und Eva geschaffen und nicht Adam und Yves.“ Hitzlsperger tun solche Leute inzwischen leid: „Die gibt es immer, sie denken nicht darüber nach, was sie sagen.“
„Kicker“ verzicht auf Berichte
Das Fachblatt „Kicker“ hat in seiner gedruckten Donnerstagsausgabe auf das Thema verzichtet. Es gäbe laut Chefredakteur Jean-Julien Beer über „so viel Interessanteres und Wichtigeres zu berichten.“ Vielleicht glaubte er auch, er würde viele seiner Leser überfordern, wenn er ein Tabu aufbricht. „Homophobie ist unter Fußballfans immer noch weit verbreitet“, sagte der renommierte Fanforscher Günter A. Pilz dem Sport-Informations-Dienst. Pilz würde deshalb auch nach Hitzlsperger noch keinen aktiven Profi zu einem Coming-out raten: „Der Spieler muss die Konsequenzen tragen und es könnte gnadenlos ausgenutzt werden, um die gegnerische Mannschaft auf das Übelste zu diffamieren.“
Genau das aber, sagt von Beyme, sei kein Argument. „Gegnerische Spieler werden immer beleidigt, das ist ganz normal.“ Der schwule HSV-Fanclub „Volksparkjunxx“ wünscht in seiner Stellungnahme „allen schwulen Fußballern“ eine Gleichbehandlung. Dirk Brüllau, der Sprecher des Netzwerkes der schwul-lesbischen Queer Football Fanclubs glaubt: „Die Kurven sind bereit. Dem Fan ist wichtiger, dass sein Spieler das Tor trifft, als zu erfahren, welche sexuelle Orientierung er hat.“
Ex-Nationalspieler Arne Friedrich hofft, dass „sich auch aktive Fußballer nun leichter offen über ihre Sexualität äußern.“ Der ehemalige Hertha-Profi ist seit Jahren immer wieder Gerüchten über seine angebliche Homosexualität ausgesetzt. Es sei schlimm, dass so ein Thema im Fußball ein Tabu war – oder ist. Wann es gebrochen werde, könne niemand voraussagen, sagte Friedrich zu „Zeit online“: „Ich unterstütze Thomas vollkommen und habe ihm das auch schon mitgeteilt.“