Der ehemalige St.-Pauli-Präsident hat Thomas Hitzlspergers Outing begrüßt. Der schwule Theaterchef glaubt nun an Bekenntnisse weiterer Fußballer. Vieles hänge von den Reaktionen ab.
Seit Jahren war er immer wieder zu der Thematik befragt worden: Wann bekennt sich der erste bekannte deutsche Profifußballer öffentlich zu seiner Homosexualität? Die Nachricht vom Outing Thomas Hitzlspergers erreichte Corny Littmann nun auf Kuba. Der 61 Jahre alte Theaterchef, Schauspieler und ehemalige Präsident des Fußball-Zweitligaklubs FC St. Pauli, ist selbst schwul und lebt gemeinsam mit dem Operntenor Madou Ellabib in Hamburg.
Hamburger Abendblatt: Herr Littmann, in Thomas Hitzlsperger hat sich erstmals ein ehemaliger deutscher Nationalspieler zu seiner Homosexualität bekannt. Sind Sie erleichtert?
Corny Littmann: Ich freue mich darüber. Er wird es sich sicher sehr gut überlegt haben, als Erster damit herauszukommen. Ich kann nur hoffen, dass er nicht der Einzige bleibt und jetzt ein paar weitere ehemalige oder aktive Spieler seinem Beispiel folgen und sagen: „Hey, wir sind übrigens auch schwul.“
Steht dem deutschen Fußball eine Outing-Welle bevor?
Littmann: Die schwulen Ex-Profis werden sich das nun ganz genau anschauen, wie die Öffentlichkeit und Medien reagieren. Thomas Hitzlsperger wird von Talkshow zu Talkshow gereicht werden, möglicherweise schreibt er noch ein Buch. Ich kann nur hoffen, dass das andere motiviert.
Sie scheinen keine Beschimpfungen oder Ressentiments zu befürchten.
Littmann: Nein, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Die Reaktionen dort werden durchweg positiv sein. Das habe ich aber schon immer prophezeit.
Dann wäre der Weg für weitere Bekenntnisse doch frei.
Littmann: Grundsätzlich schon, ja. Ich gehe auch davon aus, dass weitere Spieler dem Beispiel folgen werden. Aber wir sollten nicht vergessen, dass es sich jedes Mal um eine individuelle Entscheidung handelt, mit besonderen Rahmenbedingungen und Fragestellungen.
Könnten sich homosexuelle Profis durch das Outing möglicherweise auch unter Druck gesetzt fühlen? Die Fassade bröckelt.
Littmann: Das denke ich nicht, nein. Es wird ja auch dadurch niemand gezwungen, offen mit seiner Sexualität umzugehen. Ganz im Gegenteil: Der mediale Druck ist doch nun weg. Für Spieler, die sich aber mit ähnlichen Gedanken getragen haben, ist Thomas Hitzlspergers Schritt ermutigend. Er hat es damit anderen leichter gemacht.
Sie hatten in einem „Welt“-Interview im Juli 2013 angedeutet, dass es in absehbarer Zeit zu einem Outing eines ehemaligen Fußballprofis kommen würde. Sie sagten: „Wir werden davon irgendwann – ob nun zufällig oder gezielt – erfahren.“ Wussten Sie mehr?
Littmann: Nein, ich kenne Herrn Hitzlsperger auch nicht persönlich. Aber dass irgendein Ehemaliger damit irgendwann kommen würde, war doch klar. Das liegt in der Natur der Sache. Schön, dass es ein Nationalspieler ist.
An den im Sommer herausgegebenen und von Ihnen kritisierten Leitfaden des Deutschen Fußball-Bunds hat er sich aber nicht gehalten. Da wurde ein Outing während der Sommerpause empfohlen.
Littmann: (lacht) Nein. Wahrscheinlich lag es einfach daran, dass er kein aktiver Spieler mehr ist.
Sie forderten in dem Interview damals die verpflichtende Einführung eines Ombudsmannes bei jedem Proficlub, um homosexuellen Spielern in den Vereinen einen professionellen Vertrauten zu geben...
Littmann: ...und dabei bleibe ich auch, ja. Ein solcher Schritt ist überfällig. Daran ändert auch der mutige Schritt von Herrn Hitzlsperger nichts.