Hamburg. Vergangene Saison stieg Maurice Boakye noch aus der Regionalliga Nord ab, jetzt feierte er sein Debüt in der Dritten Liga.
Maurice Boakye saß auf der Ersatzbank, als er zum Fußballprofi wurde. Der 20 Jahre alte Stürmer spielte in der vergangenen Saison noch beim Eimsbütteler TV in der Regionalliga Nord, und während am letzten Spieltag der Saison auf dem Platz im Sportpark Eimsbüttel noch das sportlich unbedeutende Spiel seines Ex-Vereins gegen den SSV Jeddeloh II (0:2) lief, starrte Boakye gebannt auf sein Handy.
Darauf zu sehen war das Spiel seines künftigen Vereins. Schon einige Wochen zuvor hatte Boakye sich für einen Wechsel zur zweiten Mannschaft des Champions-League-Teilnehmers VfB Stuttgart entschieden – im Glauben, er würde zu einem anderen Regionalligisten mit deutlich professionelleren Trainingsbedingungen wechseln. Für Boakye der nächste logische Schritt.
ETV: Ex-Spieler feiert Debüt in der Dritten Liga
Doch dank einer starken Rückrunde hatte der kleine VfB am letzten Spieltag der Regionalliga Südwest plötzlich die Chance, in die Dritte Liga und damit in den professionellen Fußball aufzusteigen. Ein Sieg gegen die TSG Hoffenheim II musste her, gleichzeitig durften die Stadtrivalen von den Stuttgarter Kickers gegen den FC 08 Homburg nicht gewinnen.
Die Kickers verloren überraschend, der VfB gewann – und im 530 Kilometer entfernten Eimsbüttel konnte Boakye sein Glück kaum fassen. „Unglaublich“ sei das Gefühl gewesen, für mehr Worte hatte es kurz nach Spielschluss noch nicht gereicht. Denn für Boakye erfüllte sich dadurch nicht nur sein eigener Traum.
Boakye spiet auch für seinen verstorbenen Bruder
Vor fünf Jahren verstarb einer seiner Brüder mit nur 12 Jahren. Die begeisterten Fußballer standen sich nahe, träumten beide von der Karriere als Profi. Maurice versprach seinem Bruder Joel vor dessen Tod, dass er den Traum für ihn weiterleben würde, was er bereits in der dritten Folge der Abendblatt-Doku „Wolfsrudel – Eimsbüttel in der Regionalliga“ erzählt hatte. Das Abendblatt hatte den ETV in der gesamten Saison mit der Kamera begleitet.
Zum vollendeten Glück fehlte nun nur noch sein Debüt in der Dritten Liga. „Am Anfang war es schwer für mich, ohne meine Freunde und Familie hier anzukommen“, erzählt Boakye, der bis zum Sommer mit fünf Geschwistern und seinen Eltern in Rahlstedt zusammengewohnt hatte. „Ich war am Anfang noch nervös und konnte nicht zeigen, was ich kann.“
Boakyes Freundin hilft ihm bei der Eingewöhnung
Zu allem Überfluss kugelte er sich kurz vor Saisonstart die Schulter aus und fehlte mehrere Wochen. „Ich bin danach aber immer selbstbewusster geworden und habe in den vergangenen Wochen gut trainiert“, sagt Boakye, dem bei der Eingewöhnung in Stuttgart auch geholfen hat, dass er schnell eine Freundin gefunden hat. Nur dem schwäbischen Essen kann er bislang nicht viel abgewinnen.
Am vergangenen Sonnabend war es dann so weit. Im Spiel gegen den SC Verl (2:2) brachte VfB-Trainer Markus Fiedler Boakye in die Partie und machte ihn so endgültig zum Fußballprofi. „Ich bin dankbar für die Chance“, erzählt Boakye. „In dem Moment habe ich an Gott, meine Familie und natürlich ganz besonders an meinen Bruder gedacht.“
„Besser als beim HSV“: Boakye schwärmt von Stuttgart
Am Sonnabend (16.30 Uhr/MagentaSport) gegen den SV Waldhof Mannheim hofft Boakye auf die nächsten Einsatzminuten. „Vielleicht spiele ich sogar von Anfang an“, sagt er, die Chancen stünden nicht schlecht. Die Stuttgarter stehen aktuell auf dem 17. Tabellenplatz der Dritten Liga, in der 20 Mannschaften spielen. Abstiegskampf kennt Boakye aber vom ETV, der nach einem Jahr in der Regionalliga wieder in die Oberliga abgestiegen ist.
„Es war klar, dass es hart wird“, weiß Boakye, „auch der Konkurrenzkampf in der Mannschaft ist hoch, wir haben 30 Leute im Kader, die alle spielen wollen.“ Die Bedingungen seien aber hervorragend, „besser als beim HSV“, wo Boakye zwei Jahre im Nachwuchsleistungszentrum spielte, bevor er zum ETV wechselte.
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Bis zur Winterpause haben die Schwaben noch vier Spiele. Besonders auf die Partie am Aachener Tivoli freut sich der Hamburger „Vor 30.000 Leuten zu spielen wäre der nächste Traum.“ Weihnachten verbringt der gläubige Christ mit seiner Familie und wird die aufregenden Wochen erst einmal verarbeiten müssen – und dabei sicherlich den Blick ab und zu in den Himmel richten.