Hamburg. Der 69 Jahre alte Marienthaler startet am Sonnabend für Deutschland in Kapstadt. Vor einem Jahr rettete ihm ein Mitspieler das Leben.

Der 8. Juli 2023 hätte der letzte Tag im Leben von Claus Hartmann werden können. Doch glücklicherweise steht dieser Satz im Konjunktiv – und Hartmann nennt den Tag heute seinen „zweiten Geburtstag“. Der 69-Jährige aus Marienthal spielt an jenem Tag Hockey mit einer Gruppe von Rentnern, so wie jeden Donnerstagvormittag: „Um diese Uhrzeit haben ja auch nur Rentner Zeit“, scherzt er.

Und einem dieser Rentner verdankt Hartmann vermutlich sein Leben. Denn während des Trainings spürt er plötzlich Druck im Brustkorb, bekommt weniger Luft und setzt sich kurz an den Seitenrand. Zufällig kommt einer seiner Mitspieler vorbei, der Arzt ist. Hartmann ruft ihn zu sich, schildert seine Symptome – und liegt kurze Zeit später im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Der passionierte Hockeyspieler hatte einen Herzinfarkt.

Hamburg: Herzinfarkt auf dem Hockeyplatz

„Da habe ich richtig Schwein gehabt“, sagt er heute. Die Ärzte diagnostizieren unter anderem Kammerflimmern, Hartmann wird zweimal operiert und bekommt einen Bypass: „Der goldene Tipp war, mich direkt ins Krankenhaus zu bringen. Das kann auch anders laufen.“ Wenn sein Mitspieler nicht vorbeigelaufen wäre, „wäre ich wahrscheinlich nach Hause gefahren und hätte mich ins Bett gelegt“.

Was dann hätte passieren können, darüber möchte Hartmann nicht nachdenken. Während der anschließenden Reha hilft ihm eine Psychologin, um wieder „in die Spur“ zu kommen: „Ich frage mich manchmal: Warum eigentlich ich? Ich mache viel Sport, rauche nicht, ernähre mich gesund und trinke in Maßen“, sagt er. „Das hat mich ziemlich beschäftigt.“

Hockey-WM ein Jahr nach Herzinfarkt

Ein Mittel, um über den Schock hinwegzukommen und wieder fit zu werden, ist für ihn vor allem: Hockey spielen. „Wenn man dann den Hockeyschläger in der Hand hat, erinnert man sich schon an den berühmten Donnerstagmorgen“, sagt er, „aber es hilft auch dabei, um wieder in den normalen Modus zu kommen.“

Etwas mehr als ein Jahr nach seinem Herzinfarkt sitzt Hartmann nun in einer Lodge in Namibia und erzählt am Telefon begeistert von Löwen und Elefanten, die er am Vortag gesehen hat: „Beim Anblick dieser Tiere und der Landschaft hier wird man schnell etwas demütig“, sagt er.

Senioren-Hockeynationalspieler Claus Hartmann aus Hamburg
Senioren-Hockeynationalspieler Claus Hartmann (69) aus Hamburg © privat | Privat

Hockey: 100 Mannschaften bei Senioren-WM

Wenn man so will, dann bereitet sich Hartmann gerade auf eine Weltmeisterschaft vor, während er auf Safari geht. Denn am Sonnabend beginnt in Kapstadt die Hockey-WM für Senioren. Und Hartmann spielt seit zehn Jahren in der deutschen Nationalmannschaft für ältere Herren.

An dem Turnier, das die vom Hockey-Weltverband FIH anerkannte Organisation „World Masters Hockey“ alle zwei Jahre ausrichtet, nehmen unter anderem Nationalmannschaften aus den erfolgreichen Hockey-Nationen wie England, Australien und den Niederlanden, aber auch Teams aus Kenia und Malaysia teil. 100 Damen- und Herrenmannschaften haben sich laut Spielplan in unterschiedlichen Altersklassen angemeldet.

Hartmann ist ein Spätzünder

In Hamburg spielt Claus Hartmann normalerweise für den Marienthaler THC in einer Freizeitmannschaft namens „Spätzünder“. Ein passender Name für einen, der erst im hohen Hockeyalter zum Nationalspieler gereift ist: „Dass ich mal 50 Länderspiele machen würde, hätte ich auch nicht für möglich gehalten“, sagt Hartmann.

Irgendwann wurde er mal bei einem Spiel in der „Sixpackliga“, in der es weniger um die beste Platzierung als viel mehr um das gesellige Beisammensein danach geht, gefragt, ob er nicht Lust hätte, an einem der Lehrgänge der Nationalmannschaft teilzunehmen.

Spieler müssen Kosten selbst tragen

Seitdem ist Hartmann Teil der deutschen Eliteauswahl, in der er mit einigen ehemaligen Bundesliga- und sogar Nationalspielern zusammenspielt. „Ich bin da als reiner Freizeitsportler eher die Ausnahme“, erzählt er, „aber ich bin fit und kann noch laufen, das sind wichtige Kriterien.“

Ebenfalls nicht ganz unwichtig sind die Kriterien Zeit und vor allem Geld. Denn abgesehen von ein paar kleineren Sponsoren finanzieren die Hockeyrentner ihre Reisen und Turniere selbst. „Das ist schon zeit- und kostenintensiv“, gesteht Hartmann, „da bleiben dann am Ende gar nicht mehr so viele übrig, die sich das leisten können und wollen.“

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Hartmann will. Und damit sich die Reise auch lohnt, hat er vor dem Turnier noch den Urlaub mit seiner Frau in Namibia drangehängt. Bei der WM wird sie jedoch nicht vor Ort sein. Einsamkeit wird aber nicht aufkommen: „Hockeyspieler sind ja gesellige Leute, die auch gerne mal ein Bier trinken“, sagt Hartmann, der inzwischen auch schon gut vernetzt ist und sich auf die Spieler aus den anderen Nationen freut. Im ersten Spiel am Sonnabend geht es gleich gegen das Team der Niederlande.

Die weiteren Gruppengegner sind Australien und England. Hartmann spielt im sogenannten „IMC“-Team (International Masters Cup), eine Art B-Mannschaft: „Die A-Teams sind immer etwas ehrgeiziger, dafür ist bei uns die Stimmung besser“, scherzt Hartmann. Für ihn gehe es ohnehin hauptsächlich darum, Spaß zu haben. Und eigentlich ist es auch egal, wie das Spiel ausgeht. Grund zum Feiern hat Hartmann so oder so: Am Sonnabend wird er 70 Jahre alt. Für ihn ist es dann schon der zweite Geburtstag in diesem Jahr.