Hamburg. Niendorfs Manager Marcus Scholz und Sasels Vorstandsmitglied Thomas Rossmanith zum Kampf der Oberliga Hamburg gegen Wettanbieter.
Marcus Scholz (49) und Thomas Rossmanith (53) gingen als erste Verantwortliche in der Oberliga Hamburg den Hinweisen von Tippgeber Thomas Melchior (45) nach. Der Manager des Oberligisten Niendorfer TSV und der Dritte Vorsitzende des Oberligisten TSV Sasel sorgten für die Entfernung von Datenscouts bei Spielen ihrer Teams, um illegale Live-Wetten auf die Partien zu unterbinden.
Hamburger Abendblatt: Herr Scholz, Herr Rossmanith, seit Wochen wird über 17 bundesweit hauptsächlich bei den Amateuren angeblich manipulierte Fußballspiele und illegale Live-Wetten im Amateurfußball berichtet. Wie blicken Sie auf diese Zeit?
Thomas Rossmanith: Ich frage mich vor allem, was aus der ersten Entrüstung wird? Dieser Kampf fühlt sich für uns Ehrenamtler an wie ein Kampf gegen Windmühlen. Ich hoffe auf Nachhaltigkeit.
Marcus Scholz: Das Thema ist schwierig. In Deutschland darf ich nicht auf Amateurfußballspiele wetten, im Ausland schon. Wie Grenzen umgangen werden, ist bekannt geworden. Letztlich muss die Politik das Thema gestalten. Klar können wir unser Hausrecht nutzen und Datenscouts rausschmeißen. Nur ist das eine Sisyphos-Arbeit. Die Scouts jetzt haben ungeschickt agiert. Wo du viel Geld verdienen kannst als Wettanbieter, kann das schnell professioneller werden. Vielleicht werden bald zur Sicherheit zwei Datenscouts geschickt.
Haben Sie schon überlegt, an Spieltagen die Polizei zur Hilfe zu rufen?
Scholz: Das war damals beim ersten Datenscout ein Gedanke bei mir. Ich wollte das nicht tun, weil der Mann einen kleinen Jungen dabeihatte, der Angst bekam.
Rossmanith: Wir haben in Sasel mit der Polizei gesprochen. Sie sagte, wenn wir belegen können, dass die Live-Wette abbricht, wenn wir den Datenscout während des Spiels stellen, ist das ein Straftatbestand. Wir sollen in einem solchen Fall die Personalien aufnehmen und den Mann festhalten, bis die Polizei kommt.
Scholz: „Mir tun die Spieler leid“
Schauen Sie die Partien gerade mit einem mulmigen Gefühl?
Scholz: Leider ja. Weil mir auch die Spieler leidtun. Kurz vor dieser ganzen Wettgeschichte hat unser junger Torwart in einem Pokalspiel drei ganz bittere Gegentore verschuldet. Schon danach wurde ich gefragt, wie das passieren kann. Aber wir haben in Niendorf aufgrund unserer tollen Jugendarbeit nun mal viele sehr junge Spieler. Die machen solche Fehler nicht absichtlich – und sind hinterher auch so schon untröstlich. Wir müssen hier sehr stark aufpassen, niemanden unter Generalverdacht zu stellen. Übrigens auch die Schiedsrichter nicht, die es ohne VAR bei uns noch schwerer haben.
Rossmanith: Genau. Unser Tippgeber Melchior hatte mir erzählt, dass vor allem auf eher außergewöhnliche Ereignisse – den Elfer in der Nachspielzeit oder das Tor nach der 80. Minute – gewettet wird. Kurz darauf gewinnen wir durch einen Elfer in der Nachspielzeit. Der war aus meiner Sicht völlig korrekt. Wir müssen aufpassen, niemanden ohne Beweise zu verurteilen. Die Debatte schlägt an die Basis durch.
Was meinen Sie genau?
Rossmanith: Ich habe mir neulich unsere 1. C-Jugend in der Oberliga angeschaut. Ein Strafstoß wurde wiederholt. Ein Zuschauer sagte daraufhin: „Habe ich 20 Euro drauf gewettet.“ Die Eltern lachten.
Würden Sie für Ihre Spieler die Hand ins Feuer legen?
Scholz: Ja!
Rossmanith: Ja! Das Ganze ist ja auch kein Niendorfer oder Saseler Problem. Man konnte auf alle Oberligaspiele wetten. Tippgeber Melchior konnte aber ehrenamtlich nicht alle Vereine erreichen.
St. Paulis Präsident Oke Göttlich fordert eine Handreichung der Verbände für die Vereine. Eine gute Idee?
Scholz: Eine sehr gute Idee. Ich finde zudem, dass es Personen wie Thomas Melchior sind, die dem deutschen Fußball helfen. Solche Leute wie er müssen, beispielsweise vom DFB, gefördert und unterstützt werden. Gerne auch finanziell.
Rossmanith: Oder vom Sponsor der Oberliga Hamburg, von Gamesright. Das wäre doch ein cooler Move. Die nächste Konferenz der Vereine mit dem Hamburger Fußball-Verband ist übrigens am 25. September. Da steht das Thema auch auf der Tagesordnung. Wir müssen auf jeden Fall Strukturen vorantreiben, brauchen eine zentrale Anlaufstelle für die Vereine.
Scholz: Es muss alles getan werden, um es den Wettanbietern so schwer wie möglich zu machen.
Müssen Wettanbieter Sponsoren in der Bundesliga sein?
Gehört dazu auch eine Abkehr von Partnerschaften zwischen Sportverbänden und Sportwettanbietern?
Scholz: Sind illegale Aktivitäten nachweisbar, muss eine solche Partnerschaft beendet werden. Generell finde ich es aber schwierig, als großer Sportverband Wettanbieter als Partner zu haben.
Rossmanith: Ich frage, warum viele Wettanbieter in der Bundesliga Sponsoren sind. Muss das so sein?
Wie halten Sie es bei Ihren Clubs?
Scholz: Wir haben keine Wettanbieter als Partner.
Rossmanith: Auch wir setzen auf regionale Sponsoren.
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Was erwarten Sie vom Hamburger Fußball-Verband?
Scholz: Dass er die Vereine mitnimmt. Das tut er auch. Präsident Christian Okun hat ein hohes Augenmerk auf dem Thema.
Rosmanith: Eine Task Force des Verbandes wäre zu viel verlangt. Ich erwarte Engagement bei der Schaffung der notwendigen Strukturen. Dieses Engagement ist gegeben.
Scholz: Ich habe noch eine Bitte.
Welche?
Scholz: So lange recherchiert und berichtet wird, wird an dem Thema gearbeitet. Also haltet die Berichterstattung hoch, um unseren Amateurfußball zu schützen. Bleibt laut!