Paris. Steven van de Velde vergewaltigte eine Minderjährige. Seine zweite Chance hat er genutzt. Hat er sie auch verdient? Ein Kommentar.
Ist mir Steven van de Velde sympathisch? Garantiert nicht. Der Niederländer hat vor zehn Jahren als 19-Jähriger eine Zwölfjährige missbraucht. Am Sonntag ist der Beachvolleyballer bei den Olympischen Spielen in Paris gestartet. Die unweigerliche Frage: Wie geht das zusammen?
Erlauben Sie mir eine persönliche Vorbemerkung: Als Vater einer drei Jahre alten Tochter hätte ich kein Problem damit, wenn Menschen, die sich nachweislich an Kindern vergangen haben, für den Rest ihres Lebens weggesperrt werden.
Darf der verurteilte Steven van de Velde bei Olympia starten?
Solch eine Gesetzgebung haben wir – vermutlich auch zum Glück – aber nicht, um nicht in mittelalterliche Zeiten der Blutrache und Selbstjustiz zurückzufallen. Das Strafsystem der meisten europäischen Staaten basiert auf Resozialisierung. Wäre van de Velde in Deutschland verurteilt worden, könnte er nach abgesessener Strafe sogar dagegen klagen, als „Vergewaltiger“ bezeichnet zu werden. Juristisch hat er eine zweite Chance verdient.
Zugegeben, das muss für sein Opfer wie blanker Hohn wirken. Für die damals Zwölfjährige wird es nie eine zweite Chance geben, sie muss für immer mit den Schmerzen leben, die ihr der Vorfall beschert hat. Aber das ist generell das Problem bei Verbrechen: Opfer bekommen nie eine zweite Chance, Täter mitunter schon.
Die richtige Entscheidung auf Basis der Gesetzgebung
Dem Internationalen Olympischen Komitee Doppelmoral vorzuwerfen, mag an manchen Stellen richtig sein, an dieser ist es falsch. Im Sport gibt es unheimlich viele Vorbilder. Aber wie in jedem Lebensbereich gibt es selbst dort nicht ausschließlich Protagonisten mit einwandfreier Historie oder Gegenwart.
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Van de Velde, der sich Hilfe holte und sich heute vorbildlich verhalten soll, in Paris starten zu lassen, ist daher auf Basis aller gültigen Gesetze die richtige Entscheidung. Das muss man aushalten. Man darf sich aber auch, so wie ich, freuen, wenn er verliert.