Hamburg. Matthew Johnson spricht im Abendblatt über seine Herangehensweise, Neuzugänge und die Ziele beim Hamburger American-Football-Team.

An gewisse Herausforderungen, die das Leben in Hamburg mit sich bringt, hat sich Matthew Johnson noch nicht gewöhnt. „Ich bin noch dabei, herauszufinden, was die vielen bunten Schilder bei den Parkplätzen bedeuten“, sagt der US-Amerikaner und lacht, als er zum Gespräch mit dem Abendblatt in einem Eppendorfer Café erscheint. Seit rund drei Wochen ist Johnson, der am Freitag seinen 36. Geburtstag feiert, nun an der Elbe, wo er bei den Hamburg Sea Devils den Job als Headcoach übernommen hat.

„Seit ich in Hamburg angekommen bitte, habe ich keinen Tag frei. Für mich zählt nur harte Arbeit. Mit viel Kaffee und Energy Drinks funktioniert das ganz gut“, sagt Johnson, der in den USA bei Fort Lauderdale (Bundesstaat Florida) lebt. Am kommenden Dienstag werde er für die Weihnachtsfeiertage nach Hause fliegen, vor allem um seine fünf Jahre alte Tochter in Atlanta zu besuchen, erzählt er. Die Rückkehr ist für Mitte Januar geplant, dann werde er für die voraussichtlich im Mai beginnende Saison der European League of Football (ELF) in Hamburg bleiben.

Hamburg Sea Devils: Neuer Headcoach war einst Quarterback in Kiel

„Der Plan ist, dass mich meine Schwester zusammen mit meiner Tochter im Sommer in Hamburg besucht. Es ist nicht einfach, sie mehrere Monate lang nicht zu sehen. Für diese großartige Möglichkeit, Headcoach bei den Sea Devils zu sein, muss man aber auch Opfer erbringen“, sagt Johnson, der Norddeutschland bereits aus seiner Zeit bei den Kiel Baltic Hurricanes kennt, wo er in der GFL-Saison 2013 als Quarterback aktiv war.

Headcoach in Kiel war damals Patrick Esume, der die ELF vor rund drei Jahren gründete und seither als Commissioner leitet. Auch der heutige Sportdirektor der Sea Devils, Miguel Boock, war 2013 Mitspieler von Johnson. „Als ich in Kiel gelebt habe, sind wir Spieler häufig zusammen im Auto nach Hamburg gefahren. Wir haben das dann den Hamburg-Van genannt, Miguel Boock war meistens der Fahrer“, erzählt er. Mit der Rückkehr nach Hamburg schließe sich nun ein Kreis.

Matthew Johnson führt derzeit viele Gespräche

Häufig seien sie als Spieler damals auf der Reeperbahn feiern gewesen, um im Morgengrauen den ersten Zug zurück nach Kiel zu nehmen. Eine schöne Zeit sei das gewesen, erinnert sich Johnson, mittlerweile sei es mit den wilden Partynächten auf dem Kiez aber vorbei. „Momentan versuche ich, mit so vielen Spielern wie möglich zu sprechen und die Kaderplanung voranzutreiben. Aktuell passen wir die Dinge an, die in der vergangenen Saison dazu geführt haben, dass die Ziele nicht erreicht worden sind“, sagt Johnson, dessen Handy während des Gesprächs nicht stillzustehen scheint.

Überraschend ist das nicht, schließlich muss der frühere Quarterback beim Hamburger Football-Team einen kompletten Neuaufbau organisieren. Generalmanager Max Paatz hat die Franchise nach drei Jahren in Richtung Düsseldorf Rhein Fire verlassen, der bisherige Defensive Coordinator Kendral Ellison ist mittlerweile Headcoach der Munich Ravens und Headcoach Charles Jones wurde nach der Saison entlassen.

Matt Johnson Headcoach Hamburg Sea Devils
Matthew Johnson spielte vor zehn Jahren für die Kiel Baltic Hurricanes. © Sea Devils | Jonas Wicker

 Am Donnerstag stellten die Sea Devils den erst 25 Jahre alten Mark Weitz als neuen Generalmanager vor. Der gebürtige Münchner kommt aus der SEH Holding von Zeljko Karajica, der Mehrheitsgesellschafter der Sea Devils ist.„Es ist natürlich viel Arbeit, diesen Neustart voranzutreiben. Trotzdem gefällt es mir, viele Dinge selbst zu gestalten“, sagt Johnson, der im vergangenen Sommer eigentlich als neuer Offensive Coordinator eingeplant worden war.

Mit dem bisherigen Headcoach Jones, den er an der Bethune-Cookman University in Daytona Beach (Florida) kennenlernte, war er sich darüber bereits einig. Dann musste Jones aufgrund des sportlichen Misserfolgs der vergangenen Spielzeit gehen. An Johnson wollten die Sea Devils dennoch festhalten, Ende Oktober bekam er einen Anruf von Mehrheitsgesellschafter Zeljko Karajica, der ihn fragte, ob er zusätzlich zur Position des Offensive Coordinators nicht auch als Headcoach übernehmen könne. Nach zwei Tagen Bedenkzeit und Rücksprache mit seiner Familie sagte Johnson zu.

Johnson war noch nie zuvor als Headcoach tätig

„Ich bin seit neun Jahren Offensive Coordinator. Deshalb freue ich mich, diese Aufgabe auch weiterhin zu übernehmen. Es ist aber nicht so, dass ich an dieser Position festklebe. Wenn wir merken sollten, dass es besser wäre, eine andere Person als Offensive Coordinator zu installieren, wäre ich auch bereit, nur noch als Headcoach tätig zu sein“, sagt er. Als neuen Defensive Coordinator engagierten die Hamburger bereits den früheren NFL-Profi Brandon Noble.

Als größter Verlust galt nach der vergangenen Saison der Abgang von Ellison, der für seine enge Bindung mit den deutschen Spielern und als absoluter Fachmann geschätzt wurde. „Kendral hat hier einen großartigen Job gemacht, indem er diese engen Beziehungen zu den einheimischen Spielern aufgebaut hat. Es ist ganz normal, dass ihm manche Spieler nach München folgen. Trotzdem gibt es kein böses Blut, dass er nicht mehr hier ist. Ich bin optimistisch, dass ich auch eine spezielle Beziehung zum Team aufbauen kann“, sagt Johnson, der eine Wohnung in Farmsen bezogen hat. „Ich denke, dass die Mehrheit der einheimischen Spieler der vergangenen Saison wieder für uns spielen wird.“

US-Importspieler werden komplett neu sein

Bei den US-Importspielern – nur vier sind pro Team erlaubt – werde man die Verträge der vergangenen Saison nicht verlängern und stattdessen auf neue Akteure setzen. Das bedeutet auch, dass Quarterback Preston Haire nicht nach Hamburg zurückkehren wird. Fest steht auch, dass Salieu Ceesay als Quarterback zu den Lübeck Cougars wechselt. Aller Voraussicht nach setzen die Sea Devils auf dieser zentralen Position erneut auf einen US-Amerikaner, der konkrete Name wird noch bekannt gegeben. Verhandelt hatte Johnson unter anderem mit Steven Duncan, der zuletzt bei den Dresden Monarchs in der GFL aktiv war, sich nun jedoch den Wroclaw Panthers in Polen anschloss.

Für Johnson sind die Sea Devils eine große Chance, aber auch eine große Herausforderung. Noch nie zuvor hat er als Headcoach gearbeitet, hinzu kommt sein vergleichsweise junges Alter. Ein Nachteil sei das aber nicht, beteuert er. „Es ist zwar meine erste Saison als Headcoach, aber nicht meine erste Saison in einer Führungsposition. Ich glaube, dass es in erster Linie nicht um die Erfahrung geht, sondern um eine gewisse Neugier und Offenheit. Ich freue mich auf alles, was mich erwartet“, sagt der Ex-Profi, der sich selbst als „players‘ coach“ bezeichnet, also nicht von oben herab, sondern bei vielen Fragen auf Augenhöhe mit seinen Spielern spricht und entscheidet.

Johnson kennt den europäischen Football genau

„Ich weiß aus meiner aktiven Zeit noch genau, wie sich die Spieler fühlen. Heute muss man die Spieler anders behandeln als noch vor zehn Jahren. Es ist wichtig, jedem die Wertschätzung zu geben, die er verdient“, sagt Johnson, der damit eine Eigenschaft verkörpert, die viele US-amerikanischen Trainer im europäischen Football unterschätzen. Anders als in den USA ist der Sport für einen Großteil des Teams nicht professionell zu betreiben. „Durch meine Zeit in Kiel weiß ich, dass man von den einheimischen Spielern nicht erwarten kann, dass sie sich wie NFL-Profis verhalten, weil sie tagsüber arbeiten oder studieren“, sagt Johnson.

Mehr zum Thema

Fehlt nur noch die Frage, welches Ziel sich die Sea Devils in der kommenden Saison setzen. „Für mich ist klar, dass wir den Titel gewinnen wollen. Das ist nicht nur ein Zitat für die Medien, sondern bestimmt unser tägliches Handeln“, sagt Johnson, der seinen Flat White mittlerweile ausgetrunken hat, noch einen Blick auf sein Handy wirft und sich dann wieder in Richtung seines Autos verabschiedet. Im Halteverbot hatte er hoffentlich nicht geparkt...