Hamburg. Der Neuzugang der Hamburg Sea Devils hat in seiner Football-Karriere viele Tiefen erlebt. Nun startet er in seine erste ELF-Saison.

Geld verdienen mit dem, was man am liebsten tut, das ist für viele Athletinnen und Athleten ein wichtiger Faktor, um den Weg in den Profisport zu wählen. Doch was alle Leistungssportler eint – auch jene, die ihren Lebensunterhalt anderweitig bestreiten – ist die Lust am Wettkampf.

Umso verständlicher ist es deshalb, dass Deion Harris dem Saisonstart in der American-Football-Europaliga ELF, der ihn an diesem Sonnabend (17 Uhr) mit den Hamburg Sea Devils zu den Wroclaw Panthers nach Polen führt, entgegenfiebert wie wohl kein zweiter Akteur im Team von Cheftrainer Charles Jones.

„Ich kann es kaum erwarten, mich endlich wieder auf dem Spielfeld beweisen zu können“, sagt der 27-Jährige, und das hat einen einleuchtenden Grund. Seit er 2018 seine letzte Saison mit dem Collegeteam der North Dakota Fighting Hawks abschloss, hat der US-Amerikaner, der als Cornerback die Defensive der Hamburger stabilisieren soll, kein reguläres Footballmatch bestritten.

2019 im Kader der Redskins

2019 stand er bei allen Vorbereitungsspielen des damals noch als Washington Redskins firmierenden Teams in der US-Eliteliga NFL im Aufgebot, wurde danach aber aus dem finalen Kader gestrichen. 2020 wollte er in der unterklassigen „Sommerliga“ XFL für die DC Defenders auflaufen, als Corona zuschlug. Im vergangenen Jahr schließlich wurde er von den Toronto Argonauts aus der kanadischen Profiliga CFL unter Vertrag genommen, aber ebenfalls kurz vor Saisonbeginn wieder entlassen.

Nun also Hamburg, seine erste Station in Übersee. Bei den Sea Devils ist Harris als Importspieler zweifelsohne Führungskraft, und er freut sich sehr auf diese Rolle. „Ich möchte mich vor der ganzen Welt beweisen, möchte zeigen, wer ich bin und was ich kann. Hamburg gibt mir die Chance dazu, und dafür bin ich sehr dankbar“, sagt der 1,91 Meter große Athlet, der versucht, den Wechsel nach Europa keinesfalls wie einen Rückschritt zu empfinden. „Das sportliche Level in der ELF ist sehr hoch. Ich kann es mir überhaupt nicht erlauben, hier irgendjemanden zu unterschätzen“, sagt er.

Überheblichkeit wäre angesichts seines Karrierewegs auch nicht angebracht, Harris lernte die Tiefen des Lebens sehr früh kennen. Als er acht Jahre alt war, verstarb seine Mutter an Brustkrebs. „Sie war diejenige, die mich zum Football gebracht hat. Sie war es, die am meisten an mich glaubte, ihr verdanke ich meinen Willen und meine Leidenschaft“, sagt er.

Vater Johnnie spielte in der NFL

Angesichts dessen, dass sein Vater Johnnie Harris (50) fünf Jahre in der NFL aktiv war, mag diese Aussage überraschen. „Mein Vater war natürlich ein Vorbild für mich. Aber er war nicht oft zu Hause, deshalb war es meine Mutter, die dafür gesorgt hat, dass ich den Weg in den Sport finde“, sagt er.

Bis heute trägt er die Asche seiner Mutter in einem Amulett mit sich, betet vor jedem Spiel für sie, sich und sein Team. Kurz nach ihrem Tod gewann er mit seinem damaligen Flag-Football-Team in seinem Heimatort Hibbing (US-Bundesstaat Minnesota) die regionale Meisterschaft. „Es war bislang mein einziger Titel. Jetzt werde ich das Beste aus mir herausholen, um mit Hamburg erfolgreich zu sein“, sagt er.

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Der frühe Tod der Mutter war indes nicht der einzige Tiefschlag für Deion Harris. Im Juli 2017 erlitt er bei einem Training mit seinem Collegeteam einen Riss der linken Achillessehne und war zu einer fast einjährigen Pause gezwungen.

Sein Glaube half durch harte Zeiten

„Einige Ärzte sagten mir, dass ich mit dieser Verletzung wahrscheinlich nie als Profi würde spielen können. Aber das habe ich nicht akzeptiert“, sagt er. Geholfen habe ihm in allen schweren Zeiten vor allem sein Glaube. „Gott hat mich auf meinem Weg begleitet, seit der Highschool wacht er über mich. Es ist Teil seines Plans, dass ich jetzt in Hamburg bin“, sagt er.

Kendral Ellison, Defensive Coordinator der Sea Devils, hat mit seinem Neuen eigene Pläne. Harris hatte sich bei ihm Ende vergangenen Jahres proaktiv beworben, nach einem vierstündigen Gespräch über Zoom stand fest, dass beide Seiten zusammenarbeiten wollten.

„Seine körperlichen Eigenschaften und seine Erfahrung sind beeindruckend. Aber für mich waren es seine Einstellung und sein Hunger, Großes zu leisten, die mich am meisten überzeugten“, sagt Ellison, der in Polen auf den verletzten Strong Safety Kevin Fortes (25/Frankreich) verzichten muss. Umso wichtiger also, dass Deion Harris dabei ist.

Für das erste Heimspiel der Saison 2023 am 11. Juni (16.25 Uhr) im Volksparkstadion gegen Düsseldorf Rhein Fire sind bereits mehr als 25.000 Tickets verkauft. Als Teamkapitäne fungieren in dieser Saison Quarterback Preston Haire, Widereceiver Jean-Claude Madin Cerezo, Middle Linebacker Maurice Wright und Defensive Lineman Berend Grube.