Hamburg. Football-Profi Glen Toonga fiel beim Dopingtest auf. Die Nada sperrte ihn, die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt.
In der Nacht auf Montag saß Glen Toonga vor seinem Laptop und schaute American Football. Auf Instagram postete der 27-Jährige begeistert ein Video, wie Topstar DeVonta Smith einhändig einen Ball fing und die Philadelphia Eagles die San Francisco 49ers im NFL-Halbfinale mit 31:7 ausschalteten. Wenn die Eagles am 12. Februar im Super Bowl auf die Kansas City Chiefs treffen, dürfte Toonga erneut gespannt vor dem Bildschirm sitzen.
Auch würde der Brite gerne bald selbst wieder auf dem Feld stehen. Zwar nicht in der NFL, aber wenigstens in einer europäischen Topliga. Ob daraus etwas wird, ist zurzeit aber fraglich. Wie das Abendblatt erfuhr, wurde der Runningback, der im vergangenen Jahr für die Hamburg Sea Devils in der European League of Football (ELF) spielte, bei einer Doping-Kontrolle positiv auf Kokain getestet und gesperrt. Das bestätigten sowohl die Nationale Anti-Doping Agentur (Nada) als auch die Sea Devils auf Nachfrage. Auch die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall.
Wegen Kokain-Doping: Toonga-Aus bei Hamburg Sea Devils
Für eine Karriere in der NFL, der besten Football-Liga der Welt, hat es für Toonga nie gereicht. Der Brite legte stattdessen eine respektable Laufbahn in Europa hin, spielte unter anderem für die Dresden Monarchs und die Allgäu Comets in der German Football League (GFL), ehe er sich in der Saison 2022 den Sea Devils anschloss. In zwölf Spielen der regulären Saison erlief er für die Seeteufel herausragende 1468 Yards, erzielte 21 Touchdowns. Toonga, der mit diesen Zahlen jeweils die Ligastatistiken anführte, hatte nicht nur entscheidenden Anteil an der Vizemeisterschaft der Hamburger, sondern war fortan auch ein Objekt maximaler Begierde für alle anderen ELF-Teams.
Dass Toonga bis heute keinen neuen Vertrag unterschrieben hat, die Sea Devils stattdessen den eher unbekannten Runningback Jakob Michaelsen (23) aus Dänemark für die neue Saison verpflichteten, liegt an einem Besuch der Nada am 10. September 2022.
Kokain-Doping hätte keinen Punktabzug zur Folge
Kurz zuvor hatten die Sea Devils die Tirol Raiders im Play-off-Halbfinale mit 19:7 besiegt, Toonga seinen 22. Touchdown der Saison erzielt. Nun saß er in einem kleinen Raum des Stadions Hoheluft, direkt unter den Zuschauerrängen der historischen Holztribüne und übergab den Dopingkontrolleuren seine Probe. Zwei Wochen später, am 25. September lag das Ergebnis der Probe noch nicht vor, als Toonga und die Sea Devils das ELF-Finale gegen die Vienna Vikings im österreichischen Klagenfurt mit 15:27 verloren.
Bei einem Sieg im Finale wäre den Sea Devils der Titel im Übrigen nicht aberkannt worden, da Strafen gegen eine Franchise nur dann ausgesprochen werden, wenn ein Verschulden nachgewiesen werden kann. Dies trifft in diesem konkreten Fall nicht zu, da die Verantwortlichen vor dem Championship Game keine Kenntnis über Toongas Kokain-Einnahme hatten.
Doping: Sea Devils erst im November informiert
Im Oktober, als das Ergebnis feststand, benachrichtigte die Nada die ELF und Toonga über das positive Ergebnis des Dopingtests: Kokain. „Spieler, Verband/Liga und die Welt Anti-Doping Agentur wurden nach den Vorgaben des Anti-Doping-Regelwerks informiert“, heißt es hierzu von der Nada. Die Sea Devils teilten auf Nachfrage mit, erst am 7. November 2022 über das Ergebnis informiert worden zu sein.
„Nachdem wir über das Ergebnis und die Ermittlungen in Kenntnis gesetzt worden sind, haben wir sofort das Gespräch mit Glen Toonga gesucht“, sagt Sea-Devils-Generalmanager Max Paatz. „Er hat die Einnahme eingestanden und mit gesundheitlichen Gründen erklärt. Diese sind menschlich durchaus nachvollziehbar. Das ändert aber nichts daran, dass der Spieler damit gegen die Werte unserer Franchise und die Statuten der Liga verstoßen hat. Für seine sportliche und persönliche Zukunft wünschen wir Glen Toonga alles Gute.“
Kokain steht auf der Dopingliste, weil die Substanz die Aktivität des sympathischen Nervensystems erhöht und so gleichermaßen Körper und Geist anregt. Kurz gesagt: Es entsteht ein Gefühl der Unbesiegbarkeit.
Doping: Kokain wird weniger hart bestraft
Während es im Herbst zunächst ruhig um die ELF wurde, die Saison beendet war, beantragte der nun vorläufig gesperrte Toonga nach Abendblatt-Informationen die Öffnung der B-Probe. Auch diese war allerdings positiv. Es folgte eine Anhörung des ELF-Stars. Im Gegensatz zu HSV-Profi Mario Vuskovic, dem derzeit wegen Epo-Dopings eine Sperre von zwei oder gar vier Jahren droht, wird Kokain-Konsum unter bestimmten Voraussetzungen aber deutlich weniger hart bestraft.
„Laut des Anti-Doping-Regelwerks ist bei Kokain eine Sperre von drei Monaten vorgeschrieben, wenn der Athlet nachweist, dass er das sogenannte Suchtmittel nicht innerhalb des Wettkampfes und nicht zum Zwecke der Leistungssteigerung im Sport gebraucht hat“, teilte die Nada hierzu auf Nachfrage mit.
Nach Abendblatt-Informationen gelang Toonga dieser Nachweis, indem er unter anderem das genaue Datum und die Hintergründe des Kokainkonsums angab. Über den Testwert in der Probe ließen sich diese Angabe überprüfen. „Der Spieler hat die Sanktion akzeptiert“, teilte die Nada mit.
Toongas Doping-Sperre schon abgesessen
Toongas dreimonatige Sperre lief bereits in diesem Januar aus. Als Startdatum der Sperre gilt jeweils der Zeitpunkt der Suspendierung. Konkret ist das der Tag, an dem die Nada Spieler und Liga über den positiven Test informierte.
Abgeschlossen ist der Fall für die Nada allerdings noch nicht, das Verfahren ist weiterhin anhängig. Bis Mitte Februar hat die Welt Anti-Doping Agentur (Wada) noch die Möglichkeit, Rechtsmittel einzusetzen und somit eine Verlängerung der Sperre zu bewirken. Nach Abendblatt-Informationen ist dies aber unwahrscheinlich.
Toonga verpasste wegen der dreimonatigen Sperre in der spielfreien Zeit kein einziges Football-Spiel, nicht mal ein reguläres Mannschaftstraining. In der ELF ist es üblich, dass Spieler nur während der von Anfang Juni bis Ende September laufenden Saison bei einem Team unter Vertrag stehen. Nach dem verlorenen Finale lief Toongas Vertrag in Hamburg aus. Wenn am 3. Juni die neue Saison startet, könnte der Runningback, der sich zurzeit privat in seiner Heimat London fit hält, wieder für ein Team in der ELF spielen.
Bleibt Toonga nach Kokain-Skandal in der ELF?
Und obwohl die Sea Devils auf eine weitere Saison mit dem 27-Jährigen verzichten, ist es nach Abendblatt-Informationen wahrscheinlich, dass Toonga auch in diesem Jahr in der ELF aufläuft. So soll sich der Runningback bereits in fortgeschrittenen Verhandlungen mit einem anderen Team befinden.
Ob Toonga in diesem Jahr wieder einen Vertrag bei einer Franchise enthält, hängt nun auch an einer grundsätzlichen Entscheidung der Liga. Das Abendblatt fragte die ELF am Montag, ob ein Spieler, der nachweislich Kokain konsumiert hat, in Zukunft noch einen Platz in der Liga hat. „Aktuell befindet sich die European League of Football noch im Prozess der Überprüfung der Situation, da auch interne Statuten beachtet werden müssen“, teilte die ELF hierzu mit. Übersetzt: Noch ist offen, ob Toonga weiterspielen darf.
Toonga löst Doping-Diskussion aus
Unklar ist auch, ob die Liga über den Fall Toonga hinaus Konsequenzen zieht, um vergleichbare Fälle in Zukunft zu vermeiden. Über den im Mai 2021, kurz vor dem Start der Premierensaison abgeschlossenen Vertrag mit der Nada zeigt sich die ELF jedenfalls zufrieden. „Es werden umfassende Wettkampfkontrollen von der Nada durchgeführt und wir sind sehr glücklich darüber, dass uns die Nada von Beginn an mit ihrem Doping-Kontroll-System und der Übernahme des Ergebnismanagements zur Seite steht“, heißt es in der schriftlichen Mitteilung. „Da die Organisation und Durchführung von fairem, sicherem und sauberem Sport eines der vorrangigen Ziele unserer Liga ist, stand der Aufbau eines transparenten und konsequenten Anti-Doping-Systems von Beginn an außer Frage.“
Für die ELF, die unter anderem mit dem Ziel gegründet wurde, den Football in Europa zu professionalisieren, dürfte der Fall Toonga in den kommenden Wochen zu Diskussionen führen. Toonga war in der vergangenen Saison einer der Stars, eines der Gesichter der ELF. Obwohl der Leistungsträger nach Nada-Richtlinien wieder einsatzbereit wäre, stellt sich die Frage, ob die Liga Profis, die nachweislich harte Drogen konsumiert haben, weiterhin eine Plattform bieten will.
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Doping: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Toonga
Für Toonga stehen in den kommenden Wochen unterdessen nicht nur sportliche Weichenstellungen an. In Hamburg muss der Brite zudem mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Wie die Hamburger Staatsanwaltschaft auf Abendblatt-Nachfrage mitteilte, wird gegen Toonga zurzeit wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und des Antidopinggesetzes ermittelt. „Anlass des Ermittlungsverfahrens war eine Mitteilung der Nada über eine positive Dopingprobe“, heißt es von der Staatsanwaltschaft.
Die Herausforderung für die Staatsanwaltschaft dürfte vor allem sein, nicht nur den Konsum, sondern auch den Besitz des Kokains nachzuweisen, weil nur dieser strafbar ist. „Die Ermittlungen in dem Verfahren dauern an. Das Verfahren wird in der hiesigen Abteilung für Betäubungsmittelstraftaten geführt“, teilte die Staatsanwaltschaft hierzu mit.
Toonga wollte sich trotz mehrfacher Anfragen des Abendblatts nicht zu dem Fall äußern. Stattdessen postete der Brite am Montagnachmittag einen weiteren Beitrag auf Instagram. Diesmal saß Toonga nicht vor seinem Laptop, sondern auf dem Boden eines Fitnessstudios und machte Sit-ups. An ein Ende seiner Sportkarriere denkt er offenbar noch lange nicht.