Hamburg. Neben dem Kokainbefund bei Glen Toonga gibt es neuen Wirbel bei Hamburgs Footballteam, das sich wehrt und um seinen Ruf kämpft.
Es war alles andere als ein angenehmes Gesprächsthema, dem sich Max Paatz am Donnerstagvormittag im Videocall mit dem Abendblatt stellte. Aber der Generalmanager der Hamburg Sea Devils wollte in aller Offenheit über die schweren Vorwürfe gegenüber dem Hamburger American-Football-Team aus der 2021 gegründeten European League of Football (ELF) sprechen, um sich und seinen Arbeitgeber deutlich abzugrenzen gegenüber einem Fehlverhalten, das vier Hamburger Spielern zum Verhängnis geworden ist, und um den ligaweiten Ruf der Sea Devils zu wahren.
Bereits am Montagabend hatte das Abendblatt exklusiv über den Fall Glen Toonga berichtet. Der 27 Jahre alte Brite war in der vergangenen Saison der beste Runningback der ELF – und nach dem Halbfinalsieg der Sea Devils am 10. September 2022 von der Nationalen Anti-Doping Agentur (Nada) positiv auf Kokain getestet worden.
Drei weitere Doping-Fälle bei Hamburg Sea Devils
Nun ist klar: Toonga, der überraschenderweise noch am Dienstagabend vom Sea-Devils-Konkurrenten Rhein Fire verpflichtet wurde, ist nicht der einzige Drogenfall, der in den vergangenen beiden Jahren bei den Hamburgern auftrat. Wie die Nada auf Abendblatt-Nachfrage bestätigte, fielen in der Saison 2021 bereits die US-amerikanischen Importspieler Xavier Johnson und Marloshawn Franklin Jr. durch den Dopingtest.
Beide wurden positiv auf die im Wettkampf verbotene Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) getestet, den rauschbewirkenden Bestandteil der Cannabispflanze. Bei Johnson wurde zudem die entzündungshemmende, verbotene Substanz Dexamethason nachgewiesen. Johnson und Franklin Jr. wurden daraufhin für zwei Jahre gesperrt. Weil Johnson trotz der Sperre 2022 in Mexiko für Fundidores de Monterrey auflief, wurde seine Sperre um weitere zwei Jahre verlängert.
In der vergangenen Saison – auch das bestätigte die Nada – wurde zudem der Hamburger Daniel Laporte positiv auf THC getestet. Wie Runningback Johnson und Defensive Back Franklin Jr. zählte auch der Linebacker zu den Leistungsträgern der Sea Devils. Auch er wurde für zwei Jahre gesperrt, machte von August 2022 an kein Spiel mehr für die Seeteufel.
„Bei Marloshawn Franklin Jr. ist der Fall in der Saison aufgetreten. Wir haben sofort die Reißleine gezogen und ihn entlassen“, räumt Generalmanager Paatz die Vorfälle ein. „Xavier Johnson wurde nach dem Finale 2021 positiv getestet. Im November 2021 haben wir das vorläufige Ergebnis erhalten und ihn sofort aus unseren Kaderplanungen für 2022 gestrichen.“ Daniel Laporte hatte bereits vor der Saison 2022 angekündigt, seine Karriere zu beenden.
Hamburg Sea Devils nennen Doping-Fälle nicht
Durch die Recherche des Abendblatts werden diese Fälle nun publik. Die Sea Devils selbst hatten die Abgänge mit Verletzungen begründet. Tatsächlich war Franklin Jr. angeschlagen, Johnson hatte laut Angaben der Sea Devils Schulter-, Knie- und Sprunggelenksprobleme. Den positiven Dopingtest nannten die Sea Devils aber in keinem der Fälle.
„Ein Dopingverfahren ist langwierig, unterliegt bis zum Abschluss durch die Nada dem Datenschutz und wird daher von uns nicht kommuniziert. Die von uns genannten Gründe waren neben den Dopingbefunden stets ausschlaggebende Argumente, die in den Fällen zum Ende der Zusammenarbeit geführt haben“, sagt Paatz. „Wir hätten offensiver damit umgehen können. Den Vorwurf, dass wir etwas verschleiern wollten, lasse ich aber nicht zu.“
So seien andere Teams, die an Verpflichtungen der Spieler interessiert waren, stets über die Dopingsperren informiert gewesen. „Die Listen sind offen einsehbar, die Teams wussten Bescheid“, sagt Paatz. So habe man auch dem italienischen Team Guelfe Firenze, das Anfang Dezember 2021 den gesperrten Johnson kurzzeitig unter Vertrag nahm, über den positiven Dopingtest informiert. „Wir sind eine junge Franchise, die sehr im medialen Fokus steht. Bis zum vollständigen Abschluss eines Verfahrens werden wir auch weiterhin unsere Spieler schützen“, sagt Paatz.
Doping: Hamburg Sea Devils wehren sich
Obwohl in den ersten beiden Jahren der ELF kein Team mehr Dopingfälle als die Sea Devils hatte, stellt der Generalmanager klar: „Für mich ist das ein unglücklicher Zufall, auch wenn es komisch klingt. Wir sprechen rückblickend über fast 150 Spieler, die bei uns in den vergangenen beiden Jahren im erweiterten Kader waren. Davon sind vier positiv getestet worden.“
Und weiter: „Wir haben kein Drogenproblem. Die überwältigende Mehrheit unseres Teams arbeitet sauber und hält sich an die Anti-Doping-Regularien der Nada sowie die Werte und Statuten unseres Teams und der ELF. Wer dies nicht tut, hat bei uns keine Zukunft.“
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Während Toonga nach dem Ablauf seiner dreimonatigen Nada-Sperre im Januar von der Liga noch eine Strafe erhalten wird, aber wohl in dieser Saison wieder in der ELF spielen darf, sind die anderen Sünder weiter gesperrt. Nur weil Toonga nachweisen konnte, die Substanz nicht zur Leistungssteigerung im Sport gebraucht zu haben, wurde seine Sperre verkürzt.
Paatz sprach von „gesundheitlichen, menschlich durchaus nachvollziehbaren Gründen“ für die laut Toonga einmalige Kokain-Einnahme. Dem Abendblatt sind die Gründe, die den Kokainkonsum zwar nicht entschuldigen, aber doch plausibel machen können, bekannt.
Hamburg Sea Devils ziehen Doping-Konsequenzen
Als Reaktion auf die Drogenfälle haben die Sea Devils mehrere Maßnahmen beschlossen. „Wir werden in Zusammenarbeit mit unseren Mannschaftsärzten von diesem Jahr an regelmäßig interne und unangekündigte Teamtestungen vornehmen“, sagt Paatz. „Gemeinsam mit der Nada werden wir auch eine vollumfängliche Dopingaufklärung vor der Saison machen.“ Bisher hatten diese Aufklärung nur die Teamärzte vorgenommen.
Insbesondere ausländische Spieler müssten bezüglich THC noch besser aufgeklärt werden. „Der Gebrauch ist in anderen Ländern und einigen US-Staaten völlig legal und normal. Auch in der NFL steht THC nicht auf der Dopingliste“, sagt Paatz. „Wir können das deshalb aber nicht schönreden. Marihuana ist hier ganz klar verboten. Wenn Spieler es dennoch privat konsumieren, ist es für uns klar, das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden.“
Darüber hinaus werde man zukünftig auch die Spielerverträge anpassen. „Wir werden einen ganzen Block zum Thema Doping integrieren. Das Thema war auch bisher Bestandteil der Verträge, künftig wird aber noch weitaus ausführlicher darauf eingegangen“, stellt Paatz klar. Auch innerhalb der Mannschaft wachse das Bewusstsein für die Thematik immer weiter: „Etliche Führungsspieler wirken bereits jetzt teamintern darauf hin, das Bewusstsein bezüglich Dopings und die Verantwortung jedes Einzelnen zu schärfen.“
Die ELF, die sich bereits zum Fall Toonga geäußert hatte, stand nicht für eine weitere Stellungnahme bereit.