Luhmühlen. Beim internationalen Turnier in Luhmühlen behauptet sich Erfahrung gegen aufkommenden Nachwuchs. Michael Jung wieder deutscher Meister.

Als Alina Dibowski mit ihrem Barbados auch das letzte Hindernis fehlerfrei überwunden hatte, wusste sie gar nicht wohin mit ihren Emotionen. Unter dem Jubel der Fans im Reiterstadion von Luhmühlen hielt sich die Lokalmatadorin die Hand vor den Mund, fasste sich an den Helm und war einfach nur glücklich. Ähnlich stolz war am Rande Vater Andreas Dibowski.

Der Mannschafts-Olympiasieger konnte nach einer gefühlten Ewigkeit zum ersten Mal nicht am internationalen Vielseitigkeitsturnier in Luhmühlen teilnehmen. Gut, dass seine 21 Jahre alte Tochter der Juniorenklasse entwachsen ist und längst das Niveau für Vier-Sterne-Prüfungen internationalen Formats hat. Das hatte sie in diesem Jahr bereits mit einem vierten Platz bei einer Kurzprüfung in Strzegom in Polen bewiesen.

Olympiasieger Michael Jung gewinnt vor Dirk Schrade und Sandra Auffarth

Noch höher ist ihr Resultat beim Heimturnier zu bewerten. In der Endabrechnung belegte Alina Dibowski den sechsten Platz, in der Wertung um den deutschen Meistertitel wurde sie sogar Fünfte. Die klangvollen Namen vor ihr: der dreimalige Olympiasieger Michael Jung verteidigte erfolgreich den im Vorjahr errungenen DM-Titel, Silber und Bronze gingen an die hochdekorierten Dirk Schrade und Sandra Auffarth. Allein der unmittelbar vor Dibowski platzierte Jerome Robiné (Darmstadt), er war nach dem Geländeritt Zweiter, ist ebenfalls ein Nachwuchsreiter.

„Wir haben gesehen, wie junge Leute als Jäger Druck auf die erfahrenen Reiterinnen und Reiter machen“, sagte der neue Bundestrainer Peter Thomsen. „Die Erfahrung hat sich durchgesetzt. Das ist ein wichtiger Bestandteil des Reitsports.“

„Handlungsziele sind wichtiger als konkrete Platzierungen.“

Bei Alina Dibowski schimmert trotz des jungen Lebensalters schon jede Menge Erfahrung durch. Sie hatte sich 2021 mit Team-EM-Gold aus der Juniorinnenklasse verabschiedet. Befragt nach den Zielen für ihren ersten Auftritt bei den „Großen“ in Luhmühlen, antwortete sie: „In der Sportpsychologie habe ich gelernt, mir eher Handlungsziele zu setzen statt konkreter Platzierungen.“ Das könne zum Beispiel sein, mit einem guten Gefühl an jeden Sprung heranzureiten oder auf technische Details zu achten.

Die 1982er- Weltmeisterin Lucinda Green (Großbritannien) gab einen Einblick in ihre Trainingsmethoden für die Vielseitigkeit.
Die 1982er- Weltmeisterin Lucinda Green (Großbritannien) gab einen Einblick in ihre Trainingsmethoden für die Vielseitigkeit. © HA | Markus Steinbrück

Mit dieser Taktik fuhr sie bestens. Nach einer starken Dressur, die sie als Viertplatzierte nach den ersten zwei Tagen aufführte, absolvierte die Lokalmatadorin den Geländeparcours und auch das abschließende Springen ohne Hindernisfehler. Dass jeweils Zeitfehler hinzukamen, fiel nicht sonderlich ins Gewicht. Am Sonntag verbesserte sich Alina Dibowski noch um zwei Plätze auf Rang sechs.

Leichte Schwierigkeiten am Meßmer-Teich und an den schrägen Hecken

Schon beim Geländeritt war sie mit einem strahlenden Lachen ins Ziel geritten und von Vater Andreas empfangen worden. „Ja, die Erleichterung ist groß. Es ist ein toller Kurs. Barbados hat an den Wasserhindernissen mehr geguckt, als ich vorher gedacht hatte. Da musste ich ihn mehr anpacken und unterstützen“, berichtete die Reiterin. Sie fand auch das richtige Maß, als ihr 13-jähriges Pferd am Aussprung des Meßmer-Teich-Komplexes leichte Probleme am letzten Hindernis hatte. „Ich habe in das Pferd gehorcht und danach nicht mehr so gepusht, sondern ihn laufen lassen“, so Alina Dibowski.

Daraus resultierten letztlich sechs Fehlerpunkte für eine um 15 Sekunden überschrittene Zeit. Der 3770 Meter langen Geländeparcours der Vier-Sterne-Prüfung hätte in 6:37 Minuten absolviert werden sollen. Das gelang jedoch nur drei von 40 Teilnehmern. Doch Barbados zahlte auch zurück, als Alina Dibowski am vorletzten Hindernis, zwei schrägen Hecken, mit einem Fuß aus dem Steigbügel rutschte. „Da hat mich das Können und Geschick des Pferdes gerettet. Etwas Glück gehört auch immer dazu.“

Vorläufige WM-Nominierung erfolgt nach dem CHIO in Aachen

Der deutsche Meister Michael Jung war trotz seiner vielen Siege bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften überglücklich. „Auch wenn es größere Turniere gibt, ist es immer etwas besonders, deutscher Meister zu werden – und dann noch hier in Luhmühlen. Highlighter hat eine sensationelle Saison“, sagte der 39-Jährige im NDR-Fernsehen.

Im Sattel von Highlighter verteidigte Michael Jung erfolgreich den im Vorjahr in Luhmühlen errungenen deutschen Meistertitel. Gleichzeitig gewann er die internationale Vier-Sterne-Prüfung.
Im Sattel von Highlighter verteidigte Michael Jung erfolgreich den im Vorjahr in Luhmühlen errungenen deutschen Meistertitel. Gleichzeitig gewann er die internationale Vier-Sterne-Prüfung. © HA | Markus Steinbrück

Mit seinem Spitzenpferd Chipmunk wird Jung in zwei Wochen beim CHIO in Aachen ebenso antreten wie die in Luhmühlen pausierende Einzel-Olympiasiegerin Julia Krajewski. Anschließend wird Bundestrainer Peter Thomsen die vorläufigen Nominierungen (Longlist) für die Weltmeisterschaften im September in Italien bekannt geben. Die Shortlist folgt nach einem weiteren Turnier in Frankreich. „Ich gehe felsenfest davon aus, dass Michi Jung dabei ist“, so Thomsen.

Etwa 20.000 Zuschauer bestätigen das Motto „Zurück zu alter Stärke“

Unter dem Motto „Zurück zu alter Stärke“ waren die Organisatoren der „Longines Luhmühlen Horse Trials 2022“ angetreten. „Das haben wir ganz gut geschafft, was uns stolz macht“, sagte Julia Otto, die Geschäftsführerin der Turniergesellschaft Luhmühlen. 2020 war das Turnier komplett ausgefallen, 2021 ohne Zuschauer ausgetragen worden.

Als Vergleichsbasis diente daher 2019, als etwa 10.000 Zuschauer zum Geländetag gekommen waren. „Da 2020 und 2021 gekaufte Tickets ihre Gültigkeit behalten haben, ist die Auswertung etwas schwierig“, so Otto. „Wir gehen davon aus, dass diesmal knapp 15.000 Fans im Gelände waren.“ Ergänzt um das gut gefüllte Stadion beim Springen am Sonntag, sollten an vier Turniertagen insgesamt etwa 20.000 Zuschauer das Eventgelände in der Westergellerser Heide bevölkert haben.