Hamburg. Euro: Nach der Landung in Fuhlsbüttel ging es direkt ins Golfhotel Treudelberg. Freitag folgt ein öffentliches Training in Norderstedt.
Eines wollte Ivan Hašek schon vor der pünktlichen Landung in Fuhlsbüttel am Donnerstagvormittag klarstellen. „Wir sind nicht nach Hamburg zum Golfen gekommen“, sagte Tschechiens Nationaltrainer im Zoom-Gespräch mit dem Abendblatt ein paar Tage, bevor er und seine Mannschaft in die Hansestadt mit einer ganz bestimmten Zielsetzung flogen: Fußball- statt Golfspiele zu gewinnen.
Hurra, die Tschechen sind da. Als letzter EM-Teilnehmer kam der Tschechen-Tross um 13.25 Uhr mit der Smartwings-Chartermaschine QS4306 am Hamburger Flughafen an, postierte noch auf dem Rollfeld für ein paar Fotos und machte sich anschließend auf den Weg ins nahe gelegene Golfhotel Treudelberg in Lemsahl-Mellingstedt im Norden der Stadt.
Tschechien wohnt in Hamburg, trainiert in Norderstedt
„Für uns war es klar, dass wir nach Hamburg wollen, nachdem uns hier zwei Spiele zugelost wurden“, sagte Hašek. „Die Trainingsmöglichkeiten im nur ein paar Kilometer entfernten Norderstedt sind wunderbar. Und auch zum ersten Gruppenspiel gegen Portugal nach Leipzig können wir ganz bequem mit der Bahn anreisen.“
Ganz bequem mit der Bahn also. Es scheint so, als ob Tschechiens Nationaltrainer, der schon in Japan, Saudi-Arabien und im Jemen trainiert hat, erst einmal die Widrigkeiten Deutschlands kennenlernen muss. Wobei die Deutsche Bahn zum Start der Fußball-Europameisterschaft sicherlich nicht die größte Hürde der tschechischen Nationalmannschaft darstellt.
Zum Auftakt trifft Tschechien auf Portugal
Direkt im Auftaktspiel der Gruppe F trifft Hašeks junge Mannschaft am kommenden Dienstag (21 Uhr) auf Turniermitfavorit Portugal, ehe anschließend Georgien und die Türkei warten. „Unser Ziel ist es, die Gruppenphase zu überstehen“, sagte der 60 Jahre alte Fußballcoach, der sich vor der Entscheidung für Hamburg als EM-Quartier auch beim früheren HSV-Kapitän David Jarolim schlaugemacht hat. „David hat uns ein paar Tipps gegeben“, so Hašek. „Er hat nur nette Dinge über Hamburg gesagt.“
Der Tippgeber sitzt gerade im Auto und fährt von Budweis nach Prag, als ihn das Abendblatt erreicht. „Ivan ist ein sehr erfahrener Trainer“, lobt Jarolim seinen früheren Coach, der ihn vor 15 Jahren als Nationaltrainer trainierte. Und der auch mit seinem Vater als Co-Trainer in Frankreich bei Racing Straßburg vor einer halben Ewigkeit zusammenarbeitete. „Er steht für Disziplin, hat sich in den vergangenen Jahren aber auch weiterentwickelt“, sagt Jarolim.
Jarolim: Mannschaft fehlt ein Unterschiedsspieler
Ähnliches könnte er auch über Hašeks Team sagen. Experten schätzen die Mannschaft als spannend ein, obwohl ein Unterschiedsspieler fehlt. „Wir hatten nie die überragenden Einzelspieler, mussten immer über das Kollektiv kommen“, sagt der frühere Hamburger. „Das gilt auch für die aktuelle Mannschaft.“
Ein paar Spieler fallen Jarolim dann aber doch ein, auf die man bei diesem Turnier achten sollte: Pilsens junger Innenverteidger Robin Hranac zum Beispiel, die beiden England-Legionäre Vladimir Coufal (Rechtsverteidiger) und Tomas Soucek (defensives Mittelfeld) von West Ham United. „Und vorne natürlich Leverkusens Patrik Schick“, sagt Jarolim, der nach seinem Wechsel zum HSV vor 20 Jahren selbst für ein paar Monate im Hotel Treudelberg gewohnt hat.
Hašek setzt auf Bayer-Trio
Überhaupt, der Bayer-Block. Neben Schick gehören auch Sturmtalent Adam Hlozek und Torhüter Matej Kovar dazu. „Wir sind sehr stolz auf unsere drei Leverkusen-Profis, die eine großartige Saison gespielt haben“, lobt Trainer Hašek.
Einen persönlichen Eindruck vom Bayer-Trio und den restlichen Kollegen können sich Hamburgs Fußballfans bereits an diesem Freitag machen. Um 11 Uhr trainiert die EM-Heimmannschaft der Hansestadt erstmals in Norderstedt und öffnet dabei für interessierte Anhänger die im Rest des Turniers verschlossenen Türen. Das will sich offenbar sogar Petrus nicht entgehen lassen, der in diesen Tagen im dauerverregneten Hamburg laut Meteorologen eine kurze Schmuddelwetterpause einlegt.
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Doch weder wegen des guten Wetters noch wegen des ausgezeichneten 18-Loch-Golfkurses haben sich die Tschechen für Hamburg entschieden. Die Entscheidung über ein Weiterkommen in Gruppe F wird in den beiden Gruppenspielen gegen Georgien und Türkei im nahe gelegenen Volksparkstadion fallen. „Wir haben eine Fifty-fifty-Chance“, so Hašek, der vor einem knappen Vierteljahrhundert bei der WM-Viertelfinalniederlage der Tschechoslowakei gegen Deutschland 1990 auf dem Platz stand.
Ähnlich erfolgreich lief es für die Tschechen auch bei den letzten Europameisterschaften. 2021 verlor man im Viertelfinale gegen Dänemark, 2012 war ebenfalls in der Runde der letzten acht Schluss. Gegner damals wie am kommenden Dienstag: Portugal.
Jarolim spielte selbst gegen Ronaldo
„Die Portugiesen sind immer harte Kost“, sagt Jarolim, der seine eigenen Portugal-EM-Erfahrungen machen durfte. 2008 verlor Tschechien mit Jarolim 1:2 gegen Ronaldos Seleção. „Ronaldo war damals in einem Top-Alter“, sagt Jarolim über den Weltstar, der mittlerweile ein stattliches Alter von 39 Jahren erreicht hat.
Die Geschichten, wie man gegen den damals besten Spieler der Welt spielt, wird Jarolim auch am Dienstag zur Primetime zum Besten geben. Der frühere HSV-Profi ist beim Portugal-Spiel als TV-Experte für den staatlichen Sender Ceska Televize im Einsatz. „Wir müssen im Auftaktspiel gegen Portugal vor allem defensiv überzeugen“, sagt Jarolim, der das Spiel aus dem Studio in Prag analysieren wird.
Tschechiens Trainer hofft auf viele Fans gegen Portugal
Gerade einmal zwei Autostunden liegen zwischen Prag und Leipzig. „Wenn Leipzig Platz für 100.000 Zuschauer hätte, würden wir das Stadion auf jeden Fall füllen“, sagt Nationaltrainer Hašek, der sich für den Fall eines Überraschungssieges vielleicht doch mit einem Golf-Stündchen im Treudelberg belohnen dürfte.
Eine Trainerstunde für den Trainer würde sich jedenfalls lohnen. „Ich habe Handicap 17“, sagt Hašek. „Da geht noch einiges.“ Für ihn auf dem Golfcourt und für seine Tschechen bei der EM.
So kann man das erste Tschechen-Training sehen:
- An diesem Freitag um 11 Uhr steht das erste (und einzige) öffentliche Training der Tschechen in Norderstedt auf dem Programm. Der Eintritt im Edmund-Plambeck-Stadion an der Ochsenzoller Straße ist frei. Ab 10 Uhr ist das Stadion offen, allerdings stehen nur 1000 Plätze zur Verfügung. Noch ein Hinweis: Der Parkplatz ist während der Trainingseinheit gesperrt, es gibt also vor Ort keine Parkmöglichkeiten. Die Veranstalter bittet darum, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen.