Hamburg/Prag. Der Ex-Kapitän spricht im Abendblatt-Podcast über seine früheren Clubs HSV und Nürnberg, ein Job-Angebot und einen Schubladen-Vertrag.

Die Verabredung stand bereits seit Wochen fest: Um 9.30 Uhr am Dienstag wollte sich David Jarolim im Abendblatt-Podcast noch einmal an alte, schöne und leider längst vergangene Hamburg-Zeiten erinnern und über das kommende Spiel seiner zwei Ex-Clubs 1. FC Nürnberg und dem HSV fachsimpeln. Doch am Montagabend musste der frühere HSV-Kapitän absagen. Sein triftiger Grund: Vertragsgespräche mit einem neuen Verein.

Doch aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben. Also fuhr Jarolim vormittags mit dem Auto zu den Verhandlungen. Und obwohl sich die Gespräche mit seinem bisherigen Club FK Slavoj Vysehrad und seinem neuen Club hinzogen und es am Dienstag noch keine offizielle Einigung gab, holte der 41-jährige Trainer nachmittags das verschobene Podcast-Gespräch nach. Versprochen ist schließlich versprochen. „Es könnte zeitnah etwas passieren“, sagte Jarolim fast schon entschuldigend, als er sich um 16.15 Uhr via Zoom in das Podcast-Gespräch einwählt.

Ex-HSV-Kapitän David Jarolim vor neuer Aufgabe

Um welchen Club es sich handelt, durfte der frühere HSV-Kapitän noch nicht sagen. In seinem Heimatland wird aber bereits seit einer Woche darüber berichtet, dass Jarolim vor einem Engagement beim tschechischen Zweitligisten FK Ústí steht. Schon am Mittwoch könnte der Wechsel zum Club aus dem nordböhmischen Ústí nad Labem offiziell werden. Eine 93.000 Einwohner große Stadt kurz vor der deutschen Grenze zwischen Dresden und Prag. Und wie auch seine zweite Heimat Hamburg liegt Usti an der Elbe.

Während Jarolim also den nächsten Schritt in seiner Trainerkarriere geht, macht er im Gespräch mit dem Abendblatt gar kein Geheimnis daraus, wo ihn diese Karriere einmal hinführen soll: Zurück zum HSV, wo er zwischen 2003 und 2012 insgesamt 257 Bundesligaspiele bestritt. „Ich habe die beste Zeit meiner Karriere in Hamburg verbracht. Klar wäre eine Rückkehr zum HSV mein Traum-Ziel“, sagt Jarolim, als ihn sein früherer Trainer Huub Stevens per Sprachnachricht nach seiner Zukunft befragt. „Viele würden sicherlich sagen, dass Barcelona oder die Bayern ein Traum wären. Aber ich war so lange in Hamburg, werde die Zeit da nie vergessen. Wenn so etwas passieren würde, dann wäre das ganz hervorragend.“

Im Bayern-Internat ausgebildet

Hervorragende Zeiten erlebte Jarolim als Spieler beim HSV. Der frühere Sportchef Dietmar Beiersdorfer hatte den Mittelfeldspieler 2003 für 800.000 Euro aus Nürnberg geholt. Zu den Franken kam Jarolim drei Jahre zuvor vom FC Bayern München. Im Bayern-Internat wurde der spätere Nationalspieler ausgebildet, debütierte 1999 unter Ottmar Hitzfeld in der Bundesliga. Seine erfolgreichste Zeit als Fußballer erlebte Jarolim aber im Volkspark zwischen 2005 und 2009. Zweimal zog der HSV in das Halbfinale der Europa League ein, einmal qualifizierte sich der Club für die Champions League. Als Jarolim 2012 den HSV verließ, ging es auch mit den Hamburgern Jahr für Jahr bergab.

Dass sein Ex-Club nun schon das dritte Jahr in Folge in der Zweiten Liga spielt, tut ihm weh. Trotzdem verfolgt er in Prag noch fast jedes Spiel. Theoretisch würde er auch gerne am Sonnabend nach Nürnberg fahren, um sich seine früheren Vereine live im Stadion anzuschauen. Doch die Corona-Situation und seine neue Aufgabe als Trainer machen diese Reise schwer bis unmöglich. Also sitzt Jarolim am Sonnabend wieder Zuhause auf dem Sofa. „Ich schaue mir immer die HSV-Spiele auf Sky an, wenn ich Zeit habe. Auch das Regensburg-Spiel am vergangenen Sonntag habe ich geguckt. Selbstverständlich drücke ich dem HSV am Wochenende die Daumen –  und dem Club drücke ich danach wieder für den Rest der Saison die Daumen. Mein Tipp: 2:1 für den HSV."

HSV-Vertrag in der Schublade

Zu gerne wäre Jarolim schon vor ein paar Jahren nach Hamburg zurückgekehrt. Mit Beiersdorfer und dem ehemaligen Clubchef Bernd Hoffmann hatte er eigentlich einen Anschlussvertrag als Jugendtrainer ausgehandelt. Doch durch die vielen Personalwechsel auf der Geschäftsstelle wurde dieser Vertrag vergessen. „Er liegt wahrscheinlich bei mir in irgendeiner Schublade“, sagte Jarolim und lacht. „Die Verantwortlichen, mit denen ich den Vertrag abgeschlossen habe, sind nicht mehr da. Als Didi das zweite Mal beim HSV war, hatte ich schon vor, den Vertrag auch einzulösen. Aber irgendwie hat es leider nicht geklappt."

Stattdessen machte Jarolim nach einem kurzen Intermezzo als Sportdirektor seine Trainerscheine und eiferte seinem Vater Karel nach. Dem früheren tschechischen Nationaltrainer, auf den er schon 2008 als Spieler mit dem HSV gegen Slawia Prag getroffen war, könnte er bald auch als Trainer im Familienduell begegnen. Papa Jarolim (64) ist heute bei Mladá Boleslav in der ersten tschechischen Liga tätig. Vor einigen Jahren war Jarolim Junior als Sportdirektor in Boleslav kurzzeitig der Chef seines Vaters, später als Co-Trainer sein Assistent. Eine kuriose Situation. „Wir waren Tag und Nacht im Gespräch. Wir hatten wirklich keine Geheimnisse voreinander."

Lesen Sie auch

Mit seinem neuen Club kommt er dem Vater-Sohn-Duell wieder einen Schritt näher. Noch aber ist der Vertrag nicht unterschrieben. Nach mehr als einer Stunde muss sich Jarolim daher aus der Leitung verabschieden. In den kommenden Tagen steht noch einiges an. „Schauen wir mal, wie es ausgeht", meint er – und sagt zum Abschluss „tschüs“.