Paris. Durch ihren Einzug in die zweite Runde von Roland Garros hat Tamara Korpatsch die Voraussetzungen für die Olympianominierung geschafft.

Der Sport schreibt ja manchmal diese unglaublichen Geschichten, die als Drehbuch jeder Filmproduzent als unrealistischen Kitsch ablehnen würde. So wie die jetzt von der Hamburger Außenseiterin, die an allen Förderprogrammen des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) vorbei und durch große auch private Unsicherheiten und Widrigkeiten Deutschland bei den Olympischen Spielen in Paris vertreten wird.

Tamara Korpatsch (29) hat das geschafft, durch ihren hart umkämpften Dreisatzsieg im Match-Tiebreak in der ersten Runde der French Open gegen Ashlyn Krueger aus den USA am Dienstag.

Tennis: Korpatsch wird zweitbeste Deutsche im Ranking

Als einzige von sechs gestarteten Deutschen hat die Tennisspielerin vom Club an der Alster damit die zweite Runde beim zweiten Grand-Slam-Turnier des Jahres erreicht. Das hat große Auswirkungen auf die neue Weltrangliste, die am Montag nach Roland Garros veröffentlicht wird.

Korpatsch wird dann mindestens auf Platz 72 notiert und damit Laura Siegmund (73.) überholen. Sie ist dann zweitbeste deutsche Spielerin hinter Tatjana Maria (60.). Das gilt auch, wenn sie ihr Zweitrundenmatch gegen die an sieben gesetzten Chinesin Zheng Qinwen verliert. Weil die Qualifikation für das Olympiaturnier nach dem Ranking vom 10. Juni festgelegt wird, kann die Hamburgerin also fest davon ausgehen, in Paris dabei zu sein – ob das dem DTB gefällt, oder nicht.

Tennis: Familie Korpatsch wie eine Wagenburg

Denn vom DTB wurde die Außenseiterin aus der Hansestadt stets ignoriert. Es gab keine Unterstützung, keine Hilfen mit Wildcards für Turniere oder Fördertrainings. Dafür hält die Korpatsch-Familie wie eine Wagenburg zusammen. Vater Thomas ist immer noch ihr Trainer, Mutter Birgit organisiert und hält den Laden zusammen, die Brüder Tom und Richie helfen als Schlagpartner. „Ich kann sagen: Ich bin umso stolzer, dass ich es allein mit meinen Eltern und meiner Familie geschafft habe“, erklärte sie.

Diese Leistung imponiert inzwischen auch Menschen, die lange durchaus kritisch ihr gegenüber waren. „Riesenglückwunsch für diese Löwen-Kämpferin Tamara Korpatsch“, sagte Ex-Bundestrainerin Barbara Rittner bei Eurosport: „Das hat sie sich wirklich verdient, hier in der zweiten Runde zu stehen.“

Ohnmacht im Auto nach Rückenspritze

Dabei kam Korpatsch direkt aus einer hartnäckigen Rückenverletzung, die sie sich Anfang April zugezogen hatte. „Ich habe zwei Monate pausiert und gar nichts gemacht und nur eine Woche Vorbereitung gehabt“, erzählte sie. Für ihren French-Open-Start ließ sie sich auch in den Rücken spritzen – mit zunächst üblen Folgen. „So 20 Minuten danach bin ich ohnmächtig geworden im Auto, das war schlimm.“

Aber Korpatsch ist es eben gewohnt, Widerstände zu überwinden. „Sie ist ein Beispiel für junge Spielerinnen, die bei weitem nicht ihren Biss und ihre Disziplin haben“, sagte Rittner als Bundestrainerin nach Korpatschs erstem Turniersieg im Oktober 2023 im rumänischen Cluj.

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Für den Billie-Jean-King-Cup wurde sie damals trotzdem nicht nominiert, es gab Missverständnisse, gegenseitige Vorwürfe, ein Nicht-Verhältnis. In diesem Frühjahr stand sie wegen ihrer Verletzung nicht im Aufgebot – das ist wichtig, weil die Teilnahme an dem Mannschaftswettbewerb eines der Kriterien für den Olympiastart ist.

Maximal vier Spielerinnen pro Nation dürfen bei Olympia im Einzel starten. 56 Plätze im 64-köpfigen Feld für die Olympischen Spiele werden über die Weltrangliste vergeben. Und weil einige Nationen mehr als vier Spielerinnen recht hoch im Ranking platziert haben, ist die Außenseiterin aus Hamburg dabei. Der DTB muss sie nur noch zur Nominierung beim DOSB vorschlagen, aber es bleibt ihm gar nichts anderes übrig. mit dpa