Hamburg. Es ist viel zu einfach zu behaupten, dass der Profifußball nun erpressbar sei. Ein Kommentar zum gescheiterten Investorendeal.
Wenn es stimmt, was allgemein behauptet wird, dann stand schon vor der Sitzung der Verantwortlichen der Deutschen Fußball-Liga DFL am Mittwoch fest, was dann auch nach der Sitzung offiziell verkündet wurde. Die zentrale Frage „Wie geht es weiter im Investoren-Verfahren“ wurde von Hans-Joachim Watzke, dem Vorsitzenden des DFL-Präsidiums, mit betroffener Mine beantwortet: gar nicht geht es weiter.
Seit Mittwochabend steht fest: Man kann auch mit Tennisbällen im Fußball Erfolg haben – der lange kontrovers diskutierte Investorendeal für die Erste und Zweite Bundesliga ist vom Tisch.
Am Mittwoch hat die DFL den umstrittenen Investorendeal beerdigt
Und natürlich dauerte es nicht lange, ehe marktschreierisch schwarzgemalt wurde: „Die Liga knickt vor Ultras ein“ („Bild“-Zeitung) und „Ab jetzt ist der Fußball erpressbar“ („Bild“-Kolumnist Alfred Draxler).
Richtig ist ausgerechnet ein anderer (sehr derber) Draxler-Satz: „Die Liga hat‘s schlicht verkackt!“ Denn tatsächlich haben die DFL-Verantwortlichen bei dieser zukunftsweisenden Milliardenentscheidung über den teilweisen Einstieg eines Investors das Paradoxon geschafft, alles falsch und richtig zugleich zu machen.
Diesmal waren sich alle 36 Profivereine einig
Fangen wir mal psychologisch clever mit dem Richtigen an: Es war richtig, den festgefahrenen Prozess nun zu stoppen und den von Anfang an schlecht vorbereiteten Investorendeal zu beenden. Es war auch richtig, bei dieser Entscheidung maximale Geschlossenheit zu demonstrieren, was durch das – vorab abgesprochene – einstimmige Abstimmungsverhalten auch gelang.
Den Vorwurf, den sich die DFL-Verantwortlichen allerdings gefallen lassen müssen, ist, dass sie in den Monaten zuvor so ziemlich alles falsch gemacht haben, was man falsch machen kann. Die Kommunikation war ein Desaster, das Demokratieverständnis zumindest bedenklich und die Einschätzung und der Umgang mit der aktiven Fanszene schlicht falsch.
Erstes Abstimmungsverhalten wurde nicht akzeptiert
Nach der ersten gescheiterten Abstimmung über einen Einstieg eines Bundesliga-Investoren im vergangenen Mai soll Watzke unter Zeugen gesagt haben, dass er das Ergebnis akzeptiert – was er durch den Vorstoß einer zweiten Abstimmung dann doch nicht gemacht hat. Und das Dilemma sollte an dieser Stelle erst beginnen.
Denn bei dieser geheimen (und somit intransparenten) Abstimmung gab es das knappste aller möglichen Ergebnisse: Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde mit genau 24 Stimmen erzielt.
Hat Hannovers Martin Kind die 50+1-Regel durch die Hintertür ausgehebelt?
Man könnte nun einwenden, dass genau das Demokratie ist. Im DFL-Kosmos ist aber genau das Gegenteil der Fall. Weil Hannovers Martin Kind offenbar die 50+1-Regel durch die Hintertür aushebelte, sich mutmaßlich nicht an die Abstimmungsvorgaben seines Vereins hielt und den umstrittenen Investorendeal damit erst ermöglichte.
Weil sich Kind aber bis heute auf unzählige Nachfragen nicht zu seiner Abstimmung konkret äußern wollte, nahm das Unheil seinen Lauf. Die aktive Fanszene aller Fußballclubs fühlte sich weder richtig informiert noch erst genommen und reagierte mit zivilem Ungehorsam.
Der Protest war nervig, aber auch friedlich und meist sogar kreativ
Es wurden Tennisbälle und Schokoladentaler geschmissen, Fahrradschlösser an die Torpfosten gekettet, Spielzeugautos über den Rasen ferngesteuert und Transparente hochgehalten. Nahezu jedes Erst- und Zweitligaspiel in den vergangenen Wochen wurde unterbrochen. Der Protest war nervig, aber auch friedlich und meist sogar ziemlich kreativ.
Die unrühmliche Ausnahme gab es im Hamburger Volksparkstadion, wo Hannovers Fans drei Plakate mit Fadenkreuze hochhielten. Damit wurde die Grenze eindeutig überschritten. Die gute Nachricht: Es war die einzige Grenzüberschreitung.
In einem Informationsgespräch wurde nur halbherzig informiert
Die DFL-Entscheider reagierten auf die Proteste des Fußballvolkes erst gar nicht, dann mit einem halbherzigen Informationsgespräch, in dem aber überhaupt nicht auf die Kritikpunkte eingegangen wurde.
Auch die Behauptung, dass die Ultraproteste nur einen extrem geringen Bruchteil der Fußballinteressierten widerspiegeln, stimmt nur bedingt. Bei mehreren Umfragen konnten sich Dreiviertel der Befragten mit der Ultra-Haltung identifizieren. Und schließlich kann die aktive Fanszene nichts dafür, dass der Rest von Fußballdeutschland eben nicht aktiv ist. Auch bei Wahlen wird das Ergebnis nicht angezweifelt, wenn die Wahlbeteiligung ernüchternd ist. Wichtig ist doch, dass jeder die Chance haben muss, sich aktiv in den Prozess einzubringen.
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Nach dem Wortbruch, dass das Ergebnis der ersten Abstimmung akzeptiert werde, glaubten die Anhänger den DFL-Entscheidern einfach nicht mehr, dass durch diesen Investorendeal, die Bundesliga langfristig ihr Gesicht verliert. Im Sinne einer Internationalisierung wurde eine Zerstückelung des Spieltags befürchtet, steigende Ticketpreise und die Verlegung einzelner Spiele ins Ausland.
Nun ist die Thematik vorerst vom Tisch. Allerdings müssen die DFL-Verantwortlichen nun eine neue Antwort auf die Frage finden, wie es perspektivisch weitergehen soll. Ein Lösungsansatz gibt es sogar schon: die „Taskforce Zukunft Profifußball“, die wegen der Corona-Krise gegründete Arbeitsgruppe, in der sowohl Entscheider als auch Fanvertreter beteiligt sind.
Chefs der DFL müssen jetzt eine neue Lösung erarbeiten
Wirklich entschieden wurde von dieser Taskforce bislang nichts. Aber vielleicht kann die Gruppe das ja ändern und neben Symbolpolitik bei diesem zukunftsweisenden Thema sogar ein Lösungsansatz erarbeiten. Und spätestens dann könnten die Tennisbälle auch wieder zum Tennisspielen benutzt werden.