Hamburg. Einer-Weltmeister Oliver Zeidler holt bei WM in Belgrad einzige deutsche Medaille in olympischen Klassen. Sechs Boote in Paris dabei.
Komplett ausgelaugt hingen sie über ihren Rudern, als das WM-Ziel erreicht war. Die Kraft zum Jubeln hatten sie erst nach dem Ausstieg am Steg. Aber als die neun Männer, die bei der Ruder-WM in Serbiens Hauptstadt Belgrad den Deutschland-Achter für die Olympischen Sommerspiele in Paris 2024 qualifiziert hatten, wieder zu Atem gekommen waren, zog Torben Johannesen ein begeistertes Fazit.
„Ich bin so stolz auf die Mannschaft, dass sie diesen verdammten fünften Platz geschafft hat. Dass wir im nächsten Jahr nicht in die Nachqualifikation müssen, gibt uns Stabilität und Ruhe in der Vorbereitung auf die Spiele. Wir können uns nun auf uns konzentrieren“, sagte der 28 Jahre alte Hamburger vom RC Favorite Hammonia, der seit 2017 zur Stammbesetzung zählt und damit dienstältester Athlet im deutschen Paradeboot ist.
Rang fünf reicht für Paris-Ticket
Dass es ein fünfter Rang – und damit der letztmögliche direkte Qualifikationsplatz – mit acht Zehntelsekunden Vorsprung auf die USA war, über den sich die Crew von Bundestrainerin Sabine Tschäge so freute, sagt auf der einen Seite viel über den Zustand des Deutschen Ruder-Verbands (DRV).
Auf der anderen Seite jedoch hatten Benedict Eggeling (24/Favorite Hammonia), Jasper Angl (23/RV Münster), Max John (26/ORC Rostock), Johannesen, Olaf Roggensack (26/RC Tegel), Marc Kammann (26/Hamburger und Germania RC), Wolf Niclas Schröder (27/Arkona Berlin), Schlagmann Mattes Schönherr (23/RC Potsdam) und Steuermann Jonas Wiesen (27/RG Treis-Karden) im Ziel nur 4,19 Sekunden Rückstand auf Sieger und Titelverteidiger Großbritannien (5:24,20 Minuten), der sich vor den Niederlanden und Australien behauptete.
Bundestrainerin lobt: „Bestes Saisonrennen“
Angesichts der Tatsache, dass die Deutschen im Vorlauf noch mehr als acht Sekunden auf Australien eingebüßt hatten, sprach die Entwicklung deutlich für Tschäges Team. „Das war das beste Rennen der Saison. Super, wie die Jungs mit dem hohen Druck umgegangen sind“, lobte die Trainerin.
Die interne Zielvorgabe, in sechs der 14 olympischen Bootsklassen das Olympiaticket zu holen und damit das Ergebnis von Tokio 2021 zu erzielen, wurde erreicht. Neben dem Achter qualifizierten sich die beiden Einer mit Alexandra Föster (21/Meschede) als Zweite im B-Finale und Oliver Zeidler (27/Dachau), der seinen Titel erfolgreich verteidigte, der Männer-Doppelzweier und die beiden Doppelvierer.
Insgesamt gewann der DRV, die nichtolympischen und Para-Klassen inkludiert, fünf Medaillen: einmal Gold, zweimal Silber und zweimal Bronze. In der Nationenwertung ergab das den achten Platz die Niederlande (6/3/0) siegten.
DRV sieht sich auf „richtigem Weg“
DRV-Sportdirektor Mario Woldt zeigte sich „extrem stolz, welche Mannschaftsleistung wir hier gebracht haben. Wir haben sechs Boote für Paris qualifiziert. 21 Sportler haben schon jetzt die Chance, den Weg zu den Olympischen Spielen zu gehen. Wir müssen aus diesem Kreis nun Medaillenkandidaten entwickeln.“
Chefbundestrainerin Brigitte Bielig sagte: „Wir haben mit den sechs Quotenplätzen unser Minimalziel erreicht, aber auch gesehen, dass wir in einigen Bootsklassen physisch und mental viel Arbeit vor uns haben. Bis Paris müssen wir uns steigern, aber wir sind auf dem richtigen Weg.“
Einziger DRV-Athlet von Weltspitzenformat und aktuell auch der einzige sichere Medaillenkandidat für Paris 2024 ist aber Zeidler. Der Bayer verteidigte seinen Titel im Einer erfolgreich – und das in einer Form, die höchsten Respekt verdient. Vom Start weg dominierte der Modellathlet, der 2016 vom Schwimmen zum Rudern gekommen war, das Feld und sicherte sich mit einem Start-Ziel-Sieg nach 6:38,08 Minuten seinen dritten WM-Titel.
Zeidler seit der EM unbesiegt
Sein Vorsprung auf den Niederländer Simon van Dorp (26) betrug 1,18 Sekunden, Bronze schnappte sich überraschend der Neuseeländer Thomas Mackintosh (26), der in einem dramatischen Endspurt den griechischen Olympiasieger Stefanos Ntouskos (26) besiegte.
„Es ist schon eine große Ehre. Ich bin jetzt so lange unbesiegt, darauf bin ich sehr, sehr stolz“, resümierte Zeidler, der in dieser Saison nur das EM-Rennen Ende Mai in Bled (Slowenien) verloren und Bronze geholt, danach aber alle drei Weltcups gewonnen hatte.
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Eins der sechs Olympiatickets hatte sich bereits am Donnerstag mit dem Erreichen des A-Finales über den Hoffnungslauf der Doppelvierer gesichert, in dem in Tim Ole Naske ein weiterer Hamburger sitzt. Im Endlauf am Sonnabend musste die Crew allerdings ihrem brutalen Endspurt vom Donnerstag Tribut zollen und kam beim Sieg der Niederlande, die in einer eigenen Liga ruderte, mit mehr als elf Sekunden Rückstand auf dem sechsten und letzten Rang ins Ziel.
Doppelvierer fehlt die Kraft
„Heute hat man gesehen, dass uns die Kraft fehlte, nach drei harten Rennen war der Körper leer. Aber wir haben gezeigt, dass wir auf hohem Niveau Rennen fahren können. Es geht jetzt darum, im Herbst mit gutem Gefühl ins Training zu gehen und individuell an die Weltspitze heranzukommen. Dann wird das nächstes Jahr anders aussehen“, sagte der 27-Jährige von der RG Hansa.
Niedergeschlagenheit regierte dagegen beim Vierer ohne Steuermann, der sogar im C-Finale Letzter wurde und am Ende Platz 16 belegte. „Wir sind tief frustriert, haben aber alles gegeben. Das Feld ist einfach extrem stark und dicht beieinander. Am Ende sind wir die, die dumm aus der Wäsche gucken“, sagte der Hamburger Malte Großmann (27/Favorite Hammonia).
Der Blick allerdings ging bereits in Serbien wieder nach vorn auf die Nachqualifikation im Mai 2024 in Luzern (Schweiz), wo die letzten Olympiatickets vergeben werden. „Wir müssen das jetzt verarbeiten, dann greifen wir neu an“, sagte Großmann. Das gilt für den Großteil der deutschen Boote.