Belgrad. Hamburger Ruderer will bei der WM in Belgrad mit dem Vierer ohne Steuermann Paris-Ticket lösen. Pararuderin muss erkrankt absagen.
Wenn der Auftakt als Fingerzeig für das gesamte Abschneiden der deutschen Mannschaft gelten könnte, dann dürfte der Deutsche Ruderverband (DRV) aufatmen. Titelverteidiger Oliver Zeidler startete am Sonntag mit einem souveränen Vorlaufsieg in die WM in Serbiens Hauptstadt Belgrad. Der zweimalige Einer-Weltmeister setzte sich vor Trevor Jones (25/Kanada) und dem Norweger Kjetil Borch (33) durch. Am Dienstag geht es für den 27-Jährigen aus Ingolstadt im Viertelfinale weiter.
Das Problem an der Sache mit dem Aufatmen: Zeidler ist im gesamten DRV-Aufgebot der einzige klare Medaillenkandidat. Für die meisten deutschen Boote in den zwölf olympischen Klassen geht es darum, das Ticket für die Sommerspiele 2024 in Paris zu lösen. Eines davon ist der Vierer ohne Steuermann, mit dem der Hamburger Malte Großmann an diesem Montag (12.49 Uhr) im letzten von drei Vorläufen startet.
Ruder-WM: Paris-Tickets auf dem Spiel
Die jeweils zwei besten Vierer der Vorläufe stehen direkt im Halbfinale, die anderen zehn Crews kämpfen die weiteren sechs Semifinaltickets in zwei Hoffnungsläufen aus. Um sich direkt für Olympia zu qualifizieren, ist am Ende Rang sieben – also mindestens der Sieg im B-Finale – vonnöten.
„Titelverteidiger Großbritannien und Olympiasieger Australien sind die klaren Favoriten. Dahinter kommen sehr viele Nationen, zu denen auch wir gehören, die sich um die Olympiatickets streiten werden“, sagt Malte Großmann. Der 27-Jährige vom RC Favorite Hammonia hatte in der WM-Vorbereitung eine immense Doppelbelastung zu überstehen.
Doppelbelastung für Großmann
Erst am vergangenen Dienstag, einen Tag vor der Abreise nach Belgrad, reichte er seine Masterarbeit in Logistik und Supply-Chain-Management ein. „Natürlich war es nicht einfach, sich während der Trainingslager auf diese beiden wichtigen Dinge zu konzentrieren“, sagt er, „andererseits war es für den Kopf auch ganz gut, sich mit der Masterarbeit vom Rudern und andersherum ablenken zu können.“
Nachdem er im vergangenen Jahr von einem Auslandssemester in Mexiko und mehreren grippalen Infekten sportlich zurückgeworfen worden war, hat der 1,95 Meter lange und 95 Kilogramm schwere Athlet den Anschluss an das Team längst wieder geschafft. „Ich fühle mich körperlich richtig gut in Form und spüre, dass alle im Team große Lust haben, hier bei der WM ordentlich abzuliefern“, sagt er.
Großmann erwartet enge Rennen
Die Generalprobe beim letzten Weltcup in Luzern (Schweiz) Anfang Juli ging mit Rang elf zwar komplett in die Hose, allerdings war die Crew damals von Krankheiten gebeutelt und trat in einer Notbesetzung an. Nun ist zum Jahreshöhepunkt in Großmann, Theis Hagemeister (26/Frankfurt am Main), Mark Hinrichs (22/Limburg) und Schlagmann Sönke Kruse (22/Münster) wieder das Quartett beisammen, das Anfang Mai bei der EM in Bled (Slowenien) das B-Finale gewinnen konnte.
„Wir haben die vergangenen Wochen im Training gut genutzt“, sagt Großmann, „deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir es schaffen, das Ticket für Paris zu holen.“ Im Vorlauf sei Neuseeland der härteste Gegner, Polen und China müsse man schlagen, um die Olympiaambitionen zu untermauern. „Mit den Niederlanden wird es ein harter Kampf um den direkten Halbfinaleinzug, aber wenn wir das abrufen, was wir können, haben wir eine realistische Chance. Wir stellen uns aber auf mindestens drei enge Rennen ein.“
Pille-Steppat verpasst die WM
Das hatte auch Sylvia Pille-Steppat getan, am Wochenende jedoch kam es für die Pararuderin vom RC Wilhelmsburg ganz anders als geplant. Mitte vergangener Woche hatte die 55-Jährige, die wegen Multipler Sklerose und einer Lähmung in den Beinen im Rollstuhl sitzt, wegen eines Harnwegsinfekts gefiebert und deshalb ein Antibiotikum verschrieben bekommen.
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Am Freitag hieß es, ihre Anreise würde auf Montag verschoben werden, um Fieberfreiheit zu gewährleisten. Am Sonnabendabend jedoch musste die Architektin ihren WM-Start komplett absagen. „Von Leistungssport ist bei Antibiotika-Gabe abzuraten, ich wäre auch nicht 100 Prozent fit gewesen. Natürlich war ich zunächst sehr traurig und fürchtete, dass damit auch meine Chance auf eine Paralympics-Teilnahme hinüber wäre“, sagt sie.
Aber Bundestrainer Marc Stallberg versprach in einem Telefonat, dass Pille-Steppat im Mai 2024 bei der Nachqualifikation in Luzern mit ihrem Mixedpartner Paul Umbach (22/Nürtingen) um das Paris-Ticket kämpfen darf. Umbach startet in Belgrad spontan im Para-Einer.