Hamburg. Wie sich das Hamburger Beachvolleyball-Duo Svenja Müller/Cinja Tillmann zum Weltklasseteam entwickeln möchte.

Zu den Routinen des Beachvolleyballduos Svenja Müller/Cinja Tillmann gehört, jedes Turnier als eines von vielen in einer Saison zu betrachten. Wer es schafft, die Bedeutung einzelner Spiele nicht zu überhöhen, der kann dadurch Druck minimieren.

Aber als das aktuell beste deutsche Nationalteam auf der Anlage am Rothenbaum zum Gespräch mit dem Abendblatt Platz nimmt, mischt sich in die Routine schnell eine Vorfreude, die spür- und sichtbar ist. Schließlich ist das Elite-16-Turnier in Hamburg die einzige Möglichkeit im Spieljahr 2023, sich auf höchstem Welttourniveau dem heimischen Publikum zu präsentieren.

Duo trainiert in Hamburg

„Natürlich macht es sehr viel Spaß zu spielen, wenn die Fans alle hinter einem stehen. Deshalb wollen wir unser Heimturnier auch genießen“, sagt Cinja Tillmann, die für DJK Düsseldorf startet. Die Erwartungshaltung, vor Familie und Freunden eine besonders ansprechende Leistung abzuliefern, nähme sie eher als Ansporn wahr, sagt Svenja Müller vom Eimsbütteler TV. „Natürlich will man gut performen, aber ich glaube, dass das für unser Spiel positiv sein wird.“

Ob dem so ist, kann an diesem Donnerstag erstmals um 11 Uhr besichtigt werden. Zum Auftakt der Gruppenphase treffen die Weltranglisten-25., die seit Ende 2020 gemeinsam in den Sand gehen, auf die thailändischen Zungenbrecherinnen Taravadee Naraphornrapat/Worapeerachayakorn Kongphopsarutawadee (Nr. 18 der Welt).

Erstes Match Donnerstag, 11 Uhr

Um 20 Uhr dürfte es gegen das an Position zwei der Welt geführte US-Duo Sara Hughes/Kelly Cheng um den Gruppensieg gehen, am Freitag (15 Uhr) wartet zum Vorrundenabschluss ein Team, das sich am Mittwochabend nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe durch die Qualifikation kämpfte.

Wer auch immer auf der anderen Seite des Netzes steht: Für Müller/Tillmann geht es darum, sich auf die eigene Weiterentwicklung zu konzentrieren, die, wenn man Cheftrainer Kirk Pitman fragt, noch eine Menge Ansatzpunkte bietet.

„Als Team können die beiden jeden Tag wachsen, das ist die spannende Herausforderung“, sagt der 41 Jahre alte Neuseeländer, „wir machen gemeinsam noch immer viele erste Erfahrungen, was mir zeigt, dass wir weiterhin am Anfang stehen, auch wenn einige Entwicklungen sicher schneller gegangen sind als erwartet.“

WM-Medaille als Ansporn

Insbesondere der dritte Platz bei der WM in Rom im vergangenen Jahr hatte das am Hamburger Bundesstützpunkt trainierende Duo in puncto Aufmerksamkeit der Szene in unerwartete Sphären vordringen lassen.

„Es war cool, so früh eine WM-Medaille zu gewinnen, weil es uns als Team das Selbstvertrauen gegeben hat, dass wir alle schlagen können und nicht auf andere angewiesen sind, um Erfolg zu haben“, sagt Svenja Müller. Der aus WM-Bronze entstehenden Erwartungshaltung von außen hielten beide erstaunlich solide stand, einzig der 17. Platz bei der Heim-EM 2022 in München war ein negativer Ausreißer.

Konstant das individuelle Leistungsniveau abzurufen, das ist das Ziel, das alle Strandvolleyballteams verfolgen. „In dieser Saison haben wir uns in dieser Hinsicht im Vergleich zum vergangenen Jahr deutlich stabilisiert, wir haben nicht mehr so ein krasses Auf und Ab. Natürlich ist immer noch Luft nach oben, aber es funktioniert schon ganz gut“, sagt Cinja Tillmann angesichts von drei Viertelfinaleinzügen bei Elite-16-Events 2023.

Rückschlag bei der EM

Rückschläge wie das Achtelfinalaus bei der EM in Wien in der vorvergangenen Woche, als sie dem formstarken HSV-Duo Laura Ludwig/Louisa Lippmann in zwei hochklassigen Sätzen 19:21, 18:21 unterlagen, sind in ihrer Entwicklung eingepreist.

„Laura und Louisa haben einfach super gespielt an dem Tag, das muss man anerkennen“, sagt Svenja Müller, die zu Beginn des ersten Satzes vom Druck überfordert schien, sich dann aber aus eigener Kraft ins Spiel zurückkämpfte.

„Solche Lerneffekte gehören in ihrem Alter dazu. Aber Svenja hat so viel Potenzial, dass sie zu einer der dominantesten Beachvolleyballerinnen der Welt werden wird“, sagt eine, die es einschätzen kann: Olympiasiegerin Kira Walkenhorst.

Tillmann lobt Müllers Entwicklung

Auch Cinja Tillmann, mit 32 zehn Jahre älter als die 1,92 Meter lange Blockerin, sagt: „Svenja hat sich seit der WM in allen Bereichen weiterentwickelt, weil sie sehr hart gearbeitet hat.“ Müller selbst sieht sich „noch lange nicht in der Weltspitze angekommen. Ich brauche viel mehr Erfahrung und mehr Sicherheit.“

Ihr diese zu verleihen, ist auch Aufgabe von Cinja Tillmann, die in der Abwehr eine Ruhe ausstrahlt, die beeindruckt, und konstant ein Niveau abruft, das höheren Ansprüchen genügt. „Ich kann das nur unterstreichen“, sagt Svenja Müller, während die 1,74 Meter große Abwehrspezialistin selbst abwiegelt: „Auch für mich ist es neu, jedes Turnier auf höchstem Niveau zu spielen.“

WM in Mexiko steht obenan

Aussagen sind das, die zum Wesen des Teams passen. Als der liebe Gott im Beachvolleyball die Exzentrik verteilte, standen Müller/Tillmann im Hintergrund und nahmen, was übrigblieb. Im Rampenlicht stehen, das wollen die beiden nur wegen sportlicher Verdienste. Das erste große Zwischenziel sind die Olympischen Sommerspiele in Paris 2024, in dieser Saison steht die WM Anfang Oktober in Mexiko obenan.

„Im Kopf sind diese Dinge aber bei mir nicht. Mir hilft es nicht, ständig an so etwas zu denken“, sagt Svenja Müller – und erntet Zustimmung. „Wir haben auch kein Idealbild davon, wie wir spielen wollen, weil Perfektion eh nie funktioniert“, sagt Cinja Tillmann, „Olympia ist zwar ein Langzeitziel, aber wichtig ist jetzt erst einmal dieser Donnerstag.“ Schritt für Schritt in Richtung Perfektion – eine Routine, die Erfolg verspricht.