Hamburg. Mehrheit der Landesverbände und Volleyball-Bundesliga hatten Führung um Präsident Hecht Vertrauen entzogen. Neuwahlen in vier Wochen.

Geschwelt hatten die Konflikte über viele Monate – und dann ging es doch schneller, als die meisten erwartet hatten. In der Nacht zum Sonnabend veröffentlichte der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) eine Pressemitteilung mit brisantem Inhalt.

Präsident René Hecht, dessen 2018 begonnene Amtszeit noch bis zum kommenden Jahr gedauert hätte, zieht sich mit sofortiger Wirkung aus dem Präsidium zurück. Mit ihm verlassen auch die Vizepräsidenten Volker Schiemenz, Holger Schell und Matthias Hach sowie Vorständin Julia Frauendorf den Verband.

Krisensitzung vergangenen Sonntag

Der Paukenschlag, der auf einer außerordentlichen Präsidiumssitzung am Freitag eingeleitet wurde, ist eine Folge der Ereignisse der vergangenen Woche. Am Sonntag hatte es zunächst in Göttingen ein vom DVV initiiertes Krisengespräch mit den Präsidenten der 17 Landesverbände und Vertretern der eigenständigen Volleyball-Bundesliga gegeben, nachdem der Westdeutsche Verband ein Amtsenthebungsverfahren gegen Hecht angedroht hatte.

Am Donnerstag folgte schließlich ein weiteres Zoom-Meeting der Landesverbände, in dem beschlossen wurde, dem aktuellen Präsidium mehrheitlich das Vertrauen zu entziehen. Daraufhin sahen Hecht und seine Mitstreitenden keine Basis mehr für eine weitere Zusammenarbeit.

Hecht übt scharfe Kritik

Der 61 Jahre alte Rekordnationalspieler reagierte mit beißender Kritik auf die Vorgänge. „Ich möchte mir das alles nicht mehr antun. Der Wille zur Modernisierung war leider bei vielen Landesverbänden nicht vorhanden. Denen geht es nur um kleingeistige Postenerhaltung“, schimpfte er in der „Welt am Sonntag“.

Dabei muss sich Hecht die Probleme, die zu der massiven Unzufriedenheit führten, zu großen Teilen selbst anlasten. Unter seiner Führung ist insbesondere in der Beachsparte, die den ehemaligen Hallen-Nationalspieler wenig interessierte, eine sportliche Talfahrt eingetreten, die hausgemacht ist.

Viele Experten verließen den DVV

Mehr als drei Dutzend Experten auf verschiedenen Gebieten verließen den DVV in den vergangenen Monaten, weil sie vom Führungsstil des Präsidenten und Vorständin Frauendorf, in der Volleyballszene wegen ihrer kühl-abweisenden Art „Teflon-Julia“ genannt, schockiert waren.

Im sportlichen Bereich steht der Verband nach der Vertragsauflösung mit Beach-Sportdirektor Niclas Hildebrand im vergangenen Jahr und dem Rückzug von Hallen-Sportdirektor Christian Dünnes in diesem Frühjahr führungslos da.

Frauendorf oft kritisiert

Frauendorf (32), die Anfang 2022 trotz fehlender Qualifikation im sportlichen Bereich zum Vorstand Sport berufen worden war, rief durch ihr Auftreten und die getroffenen Maßnahmen immer wieder scharfe Kritik hervor.

Zuletzt war sie, auch auf Anraten der für die Förderung wichtigen Partner Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) und Bundesministerium des Innern (BMI), von sportlichen Aufgaben entbunden worden und hatte sich um das Finanzressort gekümmert, das nach dem ebenfalls im Streit erfolgten Rückzug Bernd Janssens Ende 2022 vakant geworden war.

Olympia-Qualifikation unsicher

In der DVV-Mitteilung reklamiert René Hecht zwar für sich, die Finanzen des Verbands konsolidiert, die Digitalisierung umgesetzt und „den DVV aus dem Dornröschenschlaf geweckt“ zu haben. Was allerdings nutzt das, wenn sich die sportliche Lage so sehr verschlechtert hat, dass Insider aktuell sogar darum bangen, bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris je zwei Beachvolleyball-Duos pro Geschlecht an den Start bringen zu können?

Dass die beiden Hallenteams die Qualifikation für Paris schaffen, ist zudem mehr als fraglich. Die hohe Personalfluktuation und die weiterhin ungeklärte Zuständigkeit im Leistungssportbereich waren weitere Punkte, die den Kritikern nun auch auf Landesverbandsebene eine Mehrheit einbrachten.

Opposition schweigt vorerst

Wie es nun weitergeht, darüber hüllt sich die Opposition, die aus den Landesverbänden sowie von ehemaligen und aktuellen Leistungssportlern getragen wird, noch in Schweigen. Man wolle zunächst ein tragfähiges Konzept erstellen, bevor die Öffentlichkeit informiert werde, hieß es auf Abendblatt-Anfrage.

Ob es nun wieder eine Abkehr von den Plänen Hechts und Frauendorfs, statt Sportdirektoren Chefbundestrainer zu ernennen, geben wird, bleibt ebenso abzuwarten wie die Antwort auf die Frage, mit welchem Personal der Umschwung im DVV gelingen soll.

Dieckmann ein Kandidat

Klar ist, dass bereits in rund einem Monat auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung ein neues Präsidium gewählt werden soll. Dass der zweimalige Beach-Europameister Markus Dieckmann (47/Bonn) als Hecht-Nachfolger bereitstünde, hält sich als hartnäckiges Gerücht. Dem Abendblatt sagte er: „Ich habe, wie zum Glück viele andere, allgemein meine Unterstützung angeboten. In welcher Form, das wird sich zeigen.“

Die Auswirkungen des Umbruchs auf den Beachvolleyball-Bundesstützpunkt in Hamburg-Dulsberg sind noch nicht abzusehen. „Wichtig ist jetzt erst einmal, dass etwas Ruhe einkehrt und wir uns auf unsere sportlichen Aufgaben konzentrieren können“, sagte Stützpunktleiter Bernd Schlesinger, der die Ablösung des Präsidiums grundsätzlich begrüßt. „Es kommt leider etwas spät, man hätte viele Scherben vermeiden können. Aber besser spät als nie.“