Hamburg. Die deutsche Springreitmeisterin Mylen Kruse startet diese Woche auf Hof Waterkant in Waldenau, wo sie ausgebildet wurde.

Ungezählte Male ist sie diese Strecke gefahren, auf der Autobahn 1 in Richtung Hamburg, durch den Elbtunnel und bis in den Pinneberger Ortsteil Walde­nau. Und deshalb fühlte es sich, so sagt es Mylen Kruse mit einem Ausdruck der Zufriedenheit im Gesicht, ein bisschen an wie Nachhausekommen, als sie Anfang der Woche aus ihrem Wohnort Badbergen im Artland nahe Quakenbrück auf dem Hof Waterkant ankam.

Hier, in der Heimat der besten Hamburger Springreiterin Janne Friederike Meyer-Zimmermann (42), findet seit Mittwoch und noch bis Sonntag das einzige internationale Viersterneturnier Schleswig-Holsteins statt, und für Mylen Kruse ist es ein Rendezvous mit der Vergangenheit.

Springreiten: Zwei Meistertitel

Von 2019 bis 2021 ließ sich die 23-Jährige auf Hof Waterkant zur Pferdewirtin ausbilden. Wenn man weiß, dass sie in dieser Saison im Juni in Balve zunächst deutsche Meisterin bei den Frauen wurde und vor zwei Wochen in der Altersklasse U 25 in Riesenbeck den nächsten nationalen Titel folgen ließ, liegt die Frage nah, welchen Anteil die Lehre bei Janne und ihrem Ehemann Christoph Zimmermann an ihrem Erfolgsweg hat.

„Einen großen“, sagt Mylen Kruse, als sie am Freitagmorgen zum Gespräch mit dem Abendblatt im VIP-Zelt sitzt, „die Zeit hier hat mir enorm viel gebracht.“ Aufgewachsen und sportlich groß geworden war sie in Zeven im Landkreis Rotenburg im Betrieb ihrer Eltern.

„Da bin ich meinen eigenen Weg gegangen, der auch halbwegs erfolgreich war. Aber bei Janne und Christoph habe ich den Feinschliff bekommen und für mein Leben sehr viel mitgenommen“, sagt sie. Insbesondere das Kaufen und Ausbilden von Pferden habe ihr viel Spaß gemacht und dabei geholfen, den eigenen Horizont zu erweitern.

Kruse gilt als extrem fleißig

„Wir freuen uns sehr über die Schritte, die Mylen macht. Ihr Erfolg überrascht uns überhaupt nicht“, sagt Christoph Zimmermann. Schon während ihrer Ausbildungszeit hatte Mylen Kruse als junge Reiterin national alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. „Und sie war extrem fleißig, sie wollte jeden Tag besser werden. Bei Misserfolg schüttelt sie sich und macht weiter, das ist ihre größte Stärke.“

In Waldenau, wo Mylen Kruse zum ersten Mal in ihrem Leben auf sich allein gestellt war, habe sie zudem gelernt, was es bedeutet, auf Druck und Erwartungen von außen reagieren zu müssen. „Bis dahin war ich stets meine eigene Herrin gewesen. Plötzlich aber nicht nur für mich selbst zu reiten, sondern auch für andere, die ich nicht enttäuschen wollte, war eine wichtige Erfahrung“, sagt sie.

Eine Erfahrung, die ihr nun, da sie sich dank ihrer Erfolge in dieser Saison in den Fokus geritten hat, durchaus zugute kommt. „Es ist schon deutlich spürbar, wie viele Menschen sich plötzlich für mich interessieren und auf mich schauen. Aber ich komme mit der Erwartungshaltung eigentlich sehr gut klar, weil ich sie so wenig wie möglich an mich heranlasse“, sagt sie.

Ihr Traum: Start beim CHIO

Natürlich wolle man als deutsche Meisterin „nicht in den Parcours reiten und eine Baustelle hinterlassen“. Aber der Reitsport, in dem es stets darauf ankommt, in seinen Pferden die perfekten Partner zu finden, „bringt einen immer wieder auf den Boden zurück. Es ist eine Berg-und-Talfahrt, dessen bin ich mir bewusst“, sagt Mylen Kruse.

Ihre Zielsetzung habe sich auch mit den beiden deutschen Meistertiteln nicht verändert. Für Deutschland ein großes Championat zu reiten, am liebsten beim CHIO in Aachen, das ist ihr Traum. Aber dazu braucht es Kontinuität im Zusammenspiel mit ihren Tieren und solvente Gönner im Hintergrund, die es ermöglichen, die besten Pferde dauerhaft zu behalten.

Im Stall von Patrick Döller, wo sie seit Ende vergangenen Jahres angestellt ist, wird vorrangig mit Pferden gehandelt. Da ist es normal, sich öfter auf neue Partner einstellen zu müssen. Ihr Paradepferd Cha Mu, mit dem sie in Balve triumphierte, hatte Mylen Kruse erst wenige Monate zuvor das erste Mal geritten. „Mein Ziel ist deshalb, jedes Pferd bestmöglich zu präsentieren“, sagt sie.

Hauptspringen am Sonntag

Klar ist jedoch auch, dass sie sich mit sportlich herausragenden Leistungen selbst ins Schaufenster stellen kann. Nach ihrem Wechsel vom Gestüt Prinzenberg in Pfungstadt zu Patrick Döller habe man gemeinsam viel an ihrer Weiterentwicklung gearbeitet, ihren Sitz optimiert.

„Dass sich diese Arbeit in den beiden deutschen Meistertiteln ausgezahlt hat, ist natürlich eine schöne Bestätigung, die mir durchaus Selbstvertrauen und Sicherheit gibt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt sie.

Das Turnier in ihrer früheren Heimat versuche sie zwar, „wie einen Wettkampf wie jeden anderen auch“ zu betrachten. Dennoch würde es ihr, das gibt Mylen Kruse gern zu, viel bedeuten, auf Hof Waterkant ein Springen zu gewinnen, am liebsten natürlich den Großen Preis von Holstein, das mit 100.000 Euro dotierte Hauptspringen des Events am Sonntag (15.30 Uhr). Es wäre ein weiterer großer Sprung auf ihrem Erfolgsweg.